Pop

Grapefruit, Grips und Gin: Wie gut ist Peter Fox auf seinem neuen Solo-Album „Love Songs“?

Nach Erfolgsalbum „Stadtaffe“: Der Berliner Seeed-Sänger arbeitet sich auf seiner neuen LP an ähnlichen Themen ab wie Grönemeyer zuletzt. Kann Fox damit überzeugen?

Peter Fox, hier beim Lollapalooza-Festival 2022
Peter Fox, hier beim Lollapalooza-Festival 2022Jan Hübner/imago

Die Liebe in Gedanken nutzt zu wenig. Deshalb muss die Liebe in die Welt hinausgetragen werden und bewegen. Mit Liebesliedern, Lovesongs. Und wer sollte das besser können als unser Berliner Peter Fox mit seinem neuen, zweiten Solo-Album „Love Songs“? Peter Fox, Sänger der Berliner Dancehall-Band Seeed („Dickes B“). Der Mann, auf den sich Konsensradio, Kommerz und Kritik in Deutschland einigen können wie auf keinen Zweiten. 

Zumindest war das 2008 die Lage – beim Fox’schen Solo-Debüt „Stadtaffe“ mit polyrhythmischer Percussion und aerobictanzenden Streicherriffs. Big-City-Lyrik, quasi Tucholsky 2.0, über die Dialektik der Großstadt zwischen himmelhoch-jauchzend und zu Pisse betrübt, zwischen Kottbusser Tor und Landwehrkanal. Einer Gegend also, die bei Fox als Pars pro Toto für die Welt – oder im Mindesten die deutsche Großstadtwelt – herhalten musste und es auch bereitwillig tat.

Der Feingeist Fox erfand damit einen neuen Typus Berlin-Rapper: anti-aggro. Andererseits ist 2008 schon ein Giga-Weilchen her. Pluto war zwar auch 2008 (neuerdings) schon kein Planet mehr. Aber Döner über drei Euro? Unvorstellbar! Olaf Scholz war damals frisch vereidigter Arbeitsminister im Kabinett Merkel I. Und das Internet dann bald auch Germany's Next Neuland. 

Funktioniert der Fox auch in der Gegenwart noch, im Jahr 2023? Wir wollten es wissen und haben die Platte vorab gehört - mit einigen Überraschungen. Erster Eindruck: Fox will es wohl wieder wissen. Wobei er es so richtig freiwillig ja niemals wissen wollte. Die Solo-Pfade trampelte Fox, versichert er, bei beiden Platten, 2008 und 2023, vor allem, weil andere ihm absprangen: Beim Debüt war es der Sänger CeeLo Green, der ihm davonlief. Einige der neuen „Love Songs“ waren eigentlich für eine Kooperation mit dem Chemnitzer Rapper Trettmann gedacht. Peter Fox nennt ihn liebevoll Tretti.

Peter Fox und seine „Love Songs“: Statt Streicher diesmal Chöre

Aber auch Tretti hatte anderes zu tun. Dann halt allein. Aus der Not eine Tugend, aufs Neue. Eine Tugend, die Herrn Fox schon sehr reich machte, schließlich hat sich das Solo-Debüt (Platz eins der Jahrescharts 2009) anderthalb Millionen Mal verkauft. So reich wurde und so sozial blieb Fox damit, dass er nun sogar höhere Steuern („tax me now! I'm a rich motherfucker!“) für sich einfordert auf „Zukunft Pink“. Ob Christian Lindner auf das Angebot zurückkommt?

„Zukunft Pink“ ist der letzte Track der Platte. Eigentlich hätte er der Titeltrack sein sollen. Aber dann kam doch alles anders: Fox, der schon bei Seeed aus seiner Liebe für Musik aus nicht-weißen Communitys wie Dancehall, Ska und Reggae keinen Hehl machte, wurde, als „Zukunft Pink“ im Oktober 2022 erschien (damals war von einem Album noch keine Rede), der kulturellen Aneignung bezichtigt. Er habe sich Schwarzer Sound-Ästhetik bedient, ohne angemessen Tribut zu zollen. Vor allem mit Amapiano, der angesagten südafrikanischen Spielart von House.

Fox sah sich da sehr missverstanden: Schon im Vorfeld habe er „dementsprechende Respektsbekundung über Social Media rausgehauen“, sagte er im Interview dem Spiegel. „Es gibt Machtmissbrauch und Ideenklau, aber Pop ohne kulturelle Aneignung ist Quatsch!“ Das ist zwar bequem verkürzt, aber auch nicht falsch: Offene Ohren und offene Arme sind Strukturprinzip des Pop.

Worum geht es Peter Fox auf „Love Songs“? Es sind erstaunlich ähnliche Sujets, die Grönemeyer auf seiner Platte „Das ist los“ beackerte: Das lyrische Fox-Ich zeigt sich seelisch lädiert, aber reparierbar („Ein Auge blau“) und als Teilzeit-Couch-Kartoffel, die nicht immer sofort auf Party-Betriebstemperatur gelangt („Vergessen wie“). Aber auch als ein Liebender („Tuff Cookie“), dessen Liebe nicht bloß im Privaten, sondern auch politisch gilt: Er will, dass wir es packen. Wie auch Merkel und wie Grönemeyer. Er will, dass wir die Zukunft pink sehen. Und nicht Multikrisentrübsal blasen. Aber der ausgefuchste Fox macht das rhetorisch raffinierter als Merkel – und musikalisch mutiger als Grönemeyer zuletzt. 

Wie? Die „Love Songs“ haben von Takt eins an einen schönen, in die Beine krabbelnden Karibik-Kiffer-Groove intus. Wie gemacht für die Bluetooth-Boombox im Gleisdreieck-Park und die großen Festival-Hauptbühnen. Man hört der Mucke an, dass da Menschen (auch der Hamburger Songwriter Benji Asare und die Dresdner Sängerin Inéz) miteinander im Raum waren – und nicht bloß Computer miteinander verkabelt wurden.

Statt auf Stadtaffen-Streicher setzt Fox diesmal bei vielen Liedern auf beseelt schwingende Chöre. Fox selbst ist vielleicht kein ganz so großer Sänger. Aber er seine Vocals sind geschmeidig-wendig wie Geparden. Das kommt am besten in den schnelleren Tracks rüber. Etwa den vorab schon ausgekoppelten Singles. Zwischendrin gibt’s leider Midtempo-Filler, die etwas belanglos dahinnieseln, etwa „Kein Regen in Dubai“ über den Teil des Lebens, der wenig Instagram-tauglich ist: Selbst Luxus-Influencer haben’s mies!

Zum Empathie-Programm von Peter Fox gehört es auch, die Krawallgänge zurückzuschalten und den Frieden im Alltag zu finden („Weiße Fahnen“). Und damit der Blutdruck dann wirklich wieder auf gesundes Level sinkt, nimmt Fox uns auch noch mit auf Italienreise („Toskana Fanboys“). Toskana-Fanboy Goethe hätte sicher seine Freude daran. Sogar Italo-Pop-Legende Adriano Celentano singt mit, von amore. Das Leben ist dolce, wenn der Fox uns seine Vino-Lieder einkippt.

Oder Eis, Pink Grapefruit und Gin: Im Optimismus-Ohrwurm „Zukunft Pink“ geht’s zurück nach Deutschland, wie es Peter Fox mag: progressiv, divers – und beherzt der Zukunft zugewandt. Peter Fox hat eine Platte gemacht, zu der wir auch im Winter noch tanzen werden, voller schöner Erinnerungen an den Sommer 2023. Damit aus dem Leben keine Schockstarre, kein Winterschlaf wird. Dass sich Fox bald im Aussteiger-Haus am See zur Ruhe setzt, ist wohl nicht zu befürchten. Der Fuchs bleibt in Bewegung und ein Tier der Großstadt.

Peter Fox: Love Songs. Warner, 2023