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Sexismus und Rassismus? Rolling-Stone-Mitgründer nach kontroversem Interview geschasst

Die Stiftung der Rock and Roll Hall of Fame hat Jann Wenner aus ihrem Vorstand entfernt. Der Grund: ein heiß diskutiertes Interview mit ihm in der New York Times.

Jann Wenner während eines Interviews beim Texas Tribune Festival 2022
Jann Wenner während eines Interviews beim Texas Tribune Festival 2022ZUMA Wire/imago

Sind weiße Männer wie Bob Dylan, Mick Jagger, John Lennon, Bruce Springsteen und Bono einfach die besseren Musik-Philosophen als Leute wie Marvin Gaye oder Joni Mitchell? Jann Wenner sah es offenbar so. Im frisch erschienenen Interview-Sammelband „The Masters“ (zu Deutsch: „Die Meister“) des amerikanischen Journalisten und Mitbegründer des Rolling-Stone-Musikmagazins finden sich ausschließlich Interviews mit weißen Männern.

Das war auch Dave Marchese nicht entgangen, dem Journalisten der New York Times, der Jann Wenner zu dessen neuem Buch befragte. Keine Frauen, keine people of color? Jann Wenner konterte im Interview wie folgt: „Es ist nicht so, dass sie keine kreativen Genies wären. Es ist auch nicht so, dass sie nicht reden könnten. Obwohl: Versuchen Sie mal, ein Gespräch mit Grace Slick oder Janis Joplin zu führen! […] Joni [Mitchell] war keine Philosophin des Rock ’n’ Roll. Diesen Test bestand sie nicht. Weder durch ihre Arbeit noch durch andere Interviews, die sie gegeben hat.“

Und wie steht es mit people of color? Hätte man da niemanden finden können für das Buch? Jann Wenner bescheinigt den schwarzen Soul-Musikern Marvin Gaye und Curtis Mayfield rhetorische Schwächen: „Sie haben sich nicht auf so einem [hohen] Level geäußert.“ Wobei Wenner im Lauf des Gesprächs mit der New York Times dann doch gesteht, rückblickend wünschte er, er hätte Marvin Gaye mal interviewt. Hätte er mal!

Da war der Schaden aber schon angerichtet. Es entzündete sich sehr viel Kritik an diesem Interview. Insbesondere wohl auch, da Wenner gegen mögliche Kritik noch Präventiv-Raketen schoss: „Vielleicht hätte ich aus PR-Gründen doch einen Schwarzen oder eine weibliche Künstlerin finden sollen, auch wenn sie nicht demselben historischen Standard hätten gerecht werden können.“

Danach ging alles schnell: Wie das Branchenblatt Variety berichtet, beschloss in einer „hitzigen Sitzung“ das Vorstandskomitee der ehrwürdigen Rock and Roll Hall of Fame, ihren Mitgründer Jann Wenner zu schassen – nachdem Wenner sie mit einer „schwachen Entschuldigung“ abzuspeisen versucht habe. Nur der Springsteen-Manager Jon Landau habe noch zu Wenner gehalten.

Inzwischen gibt sich Wenner reumütig: Er bedaure seine Aussagen und akzeptiere auch die Konsequenzen. Er bitte um Entschuldigung dafür, den Einfluss schwarzer und weiblicher Künstler herabgewürdigt zu haben. Sein Buch habe bloß die Höhepunkte seiner Karriere illustrieren wollen. „Sie [die Interviews] waren nicht dazu gedacht, die Gesamtheit von Musik und ihrer vielseitigen wie wichtigen Schöpfer abzubilden.“

Falls Wenner das wirklich so sieht (falls!) und es sich nicht nur um PR-Schadensbegrenzung handelt, müsste man Wenner zumindest akute rhetorische Schwächen attestieren im Interview mit der New York Times. Vielleicht ist er am Ende selbst kein ganz so großer Musik-Philosoph?