Sonntagabend, eine Party in einem historischen Industriegebiet am Rande Berlins. Man unterhält sich darüber, wie viel der Eintritt gekostet hat. „25 Euro“ – „Oh, das ist noch alright.“ Die Party geht 24 Stunden lang, es spielen ausschließlich bekannte DJs, die man sonst nur in großen Clubs zu sehen bekommt. Da scheint der Eintritt hoch, aber gerechtfertigt. 25 Euro für eine Party? Dass das inzwischen als normal empfunden wird, zeigt den neuen Standard bei Club-Eintrittspreisen. Wo man früher 15 Euro zahlte, sind es heute 20 oder 25 Euro. Und das allein um reinzukommen. Drinnen kommen Getränke hinzu, auch dafür muss man mehr Cash auf den Tresen legen.
Warum ist Feiern in Berlin so teuer geworden? Was macht das mit der Clubszene in einer Stadt, die als Kreativort stets so beliebt war, weil Leben und Ausgehen hier günstiger waren als anderswo?
Zunächst einmal einige Zahlen: Im Tresor kostete der Eintritt an einem Samstagabend vor der Pandemie um die 17 Euro, nun kostet er 22. Im Berghain vorher 18 Euro, heute 25 – plus (falls man zwischendurch nach Hause oder kurz rausgehen möchte) eine Wiedereintrittsgebühr von 5 Euro. Auch im Sisyphos zahlt man dafür, zusätzlich zu den 25 Euro Eintritt. In kleineren Clubs wie dem Ohm werden heute 12 bis 15 Euro fällig. In der Panke in Wedding sind es 8 bis 12 Euro – das nicht ohne Grund, doch dazu später.
Dazu klagen Clubs bereits über weniger Gäste. Ein Grund scheint auf der Hand zu liegen: Inflation. In den vergangenen zwei Jahren stieg die Inflationsrate spürbar an. Zuletzt sank sie aber wieder. Trotzdem soll sie bei einigen Lebensmitteln laut einer Studie als Vorwand für höhere Gewinnmargen dienen. Machen Berliner Clubs jetzt auch den großen Reibach?
Fragt man bei ihnen nach, hört man das Gegenteil: „An allen Stellen gehen die Preise hoch“, sagt Florian Hirsch, der sich beim About Blank am Ostkreuz unter anderem ums Finanzielle kümmert. Die Kostensteigerung betreffe viele Bereiche, von der Schädlingsbekämpfung über die Müllabfuhr bis zum Catering. Selbst aufs Klo zu gehen ist teurer geworden, wie Frank Quickstern, Controller beim Tresor, vorrechnet: „Bis 2019 kostete jeder Besucher, der einfach nur den Laden betritt – ob Musikprogramm oder nicht – und in der Nacht ein-, zweimal auf Toilette geht, etwa 70 Cent. Mit Seife, Handtuchpapier, Klopapier, Wasserverbrauch. Jetzt sind das 1,25 Euro.“ Toilettenpapier und Handtuchpapier kosten fast das Doppelte. Genau 41,7 Prozent mehr sind es laut Statistischem Bundesamt 2023 im Vergleich zu 2020. Seife koste fast gleich viel.
Berliner Clubs sind teurer geworden – und vor Ort auch das Bier
Auch das Thema, das seit vergangenem Herbst die mediale Diskussion beherrschte, kommt auf Clubs zu: steigende Energiekosten für Heizung und Strom. Im Tresor endete der Stromvertrag letztes Jahr nach drei Jahren automatisch, seitdem zahlen sie fast ein Drittel mehr. Bei der Panke kommen die Rechnungen dazu erst Ende des Jahres. Auch die Getränke werden teurer – erst im Einkauf für die Clubs, dann für die Gäste. Im Tresor und im About Blank kostet ein Bier heute 4 Euro – damit kratzen sie an Münchner Preisen von 4,50 Euro pro Club-Bier. Florian Hirsch vom About Blank weiß, dass das viel ist: „Wir denken selbst, es ist eigentlich schon zu teuer, kennen aber die Zahlen und wissen, wir müssen die Preise so gestalten. Sonst funktioniert es nicht.“
Der linke Club Mensch Meier möchte diese Preise seinem Publikum nicht mehr zumuten: Ab März nächsten Jahres gibt das Kollektiv den Betrieb ab; wie es weitergeht, ist noch offen: „Wir sind durch die Entwicklungen der letzten Monate an einem Punkt angekommen, an dem wir nicht anders können, als Eintritts- und Getränkepreise in einem Maße zu erhöhen, in dem es zum Beispiel unseren Mitarbeiter:innen kaum noch möglich wäre, unsere eigene Veranstaltung zu besuchen“, sagt Sprecher Benjamin Heps. Solche Preise seien nicht vereinbar mit dem eigenen Anspruch an Clubkultur; die Löhne zahlen könne man aber sonst nicht.
Ein Grund für die teureren Preise: die gestiegenen Mindestlöhne
Die sind allgemein gestiegen: Im vergangenen Oktober stieg der Mindestlohn von 10,45 Euro auf 12 Euro die Stunde. In der Clubbranche arbeiten viele Angestellte zum Mindestlohn oder für wenig mehr, da fällt das schnell ins Gewicht. Im Vergleich zu 2015 bis 2018 ist der Mindestlohn in den vergangenen drei Jahren deutlich schneller gestiegen. Als Clubs im Frühjahr 2020 schließen mussten, lag der gesetzliche Mindestlohn bei 9,35 Euro, nun bei 12 Euro, das ist ein großer Sprung: „Roundabout ist das ein Posten, der sich auf rund ein Drittel mehr Personalkosten summiert“, sagt Quickstern vom Tresor. „Aber in Anbetracht dessen, wie die Mieten und Lebenshaltungskosten in Berlin steigen, ist das notwendig.“
Die Kosten für das Barpersonal werden üblicherweise durch die Bareinnahmen gedeckt. Vom Eintrittspreis finanziert wird das musikalische Programm und alles, was dazugehört: DJs, ihre Reisekosten, Bookinggebühren und -agenten, Türpersonal, Kassenpersonal, Werbung. Und da muss heute mehr eingenommen werden, denn durch die Bank weg sagen Clubbetreiber, dass die DJ-Gagen gestiegen sind. Rund 25 Prozent mehr als vor der Pandemie gäben sie im Tresor an einem Freitag- oder Samstagabend rein für DJ-Gagen aus.
DJ sein ist zum Karrierejob geworden – auch deshalb sind die Clubs teurer
Im About Blank ist das ähnlich, sagt Elisabeth Steffen: „Das Gagenkarussell dreht sich schon länger immer schneller. Nach der Pandemie sind aber vor allem im unteren Segment und im Mittelbau die Gagen gestiegen.“ Wer vorher 250 Euro (unteres Preissegment) oder 800 Euro (Mittelbau) nahm, kostet nun 400 bis 500 Euro beziehungsweise 1000 bis 1200 Euro. Plus Reisekosten, wobei vor allem Flüge deutlich teurer seien. In der Panke hilft man sich durch institutionelle Förderung. „Dadurch ist das Risiko kleiner, und man kann Künstler buchen, die wir uns sonst nie leisten könnten“, sagt die Betreiberin Erika Siekstelyte. Die Förderung ist vor allem projektweise, also nicht für den Dauerbetrieb. Und auch Siekstelyte kalkuliert ihre Budgets inzwischen mit höheren Künstlergagen.
Das liegt immer noch an der Pandemie. „DJs und die Bookingagenturen, die mit dranhängen, hatten viele Einnahmeausfälle über die Pandemie und müssen und wollen das noch kompensieren“, erklärt Hirsch vom About Blank. Andererseits hätten sich die Dynamiken in der elektronischen Musikszene verändert, fügt er hinzu: „Heute ist DJ sein ein Karriereding geworden, man soll sich als Künstler:in behaupten und damit Geld verdienen. Damit hast du Druck in den Gagen.“ Zugleich bleiben DJs nicht von steigenden Lebenshaltungskosten verschont, gerade in Berlin, ergänzt seine Kollegin Steffen: „Die ökonomischen Bedingungen für kreatives Arbeiten in der Stadt haben sich sehr verändert im Vergleich zu vor zehn Jahren.“ Der Berlin-Traum vom Zimmer für 200 Euro und von Döner für 2,50 Euro? Ist nicht mehr.
Das Club-Publikum greift zu Tricks: Tausch von Gästelistenplätzen
Auch nicht für das Publikum. Denn die Besucher sind genauso von den steigenden Kosten betroffen wie ihre Lieblingsclubs, feiern gehen kann sich nicht mehr jeder leisten. Es wird zum Luxus. Die Clubs merken das bereits, sagt Lutz Leichsenring, Sprecher der Clubcommission: „Wir haben eine Quick-Survey unter unseren Mitgliedern gemacht, da haben 40 Prozent der Clubs gesagt, dass ihnen das Thema ‚geringe Gästezahlen‘ Sorgen bereitet.“ Fragt man Menschen, die gerne und oft ausgehen, verändern sich bereits die Gewohnheiten. Einige gehen seltener, andere selektierter und mit weniger Clubhopping. Wie die 30-jährige Farina: „Früher war mein Freundeskreis oft in verschiedenen Clubs an einem Wochenende. Das ist jetzt nicht mehr möglich.“ Viele gingen nur noch aus, wenn sie auf einer Gästeliste stünden; da hilft man sich gegenseitig: „Ich hab eine Telegram-Gruppe, wo Gästelistenplätze innerhalb der Freundesgruppe getauscht werden.“
Viele Clubs verfolgen inzwischen ähnliche Ansätze. Die FLINTA-Partyreihe Layers zum Beispiel bietet über einen Newsletter vergünstigte Tickets für ihre Community an, erklärt Kristin Friedrichsen, Mitgründerin des Layers-Kollektivs: „Wir wollen das dadurch niedrigschwelliger gestalten.“ Auch beim Feel Festival bekommen Kollektive, die eine Bühne bespielen, ein Kontingent an günstigeren Community-Tickets, 119 statt regulär 189 Euro kostet eins. Auch Festivaltickets werden immer teurer.
Diese Dinge setzen bei den Leuten an, die als Stammpublikum die Essenz einer Partyreihe über die Veranstaltungen hinweg ausmachen – und für die eine Partyreihe Dreh- und Angelpunkt ihres Soziallebens sein kann. Auch für die Panke, die mit ihrer Location in Wedding und ihrem Programm kein Techno-Laufpublikum zieht, ist Community essenziell, sagt Siekstelyte: „Wenn der Eintritt von 10 auf 12 Euro steigt, könnten sich das viele nicht leisten. Dann verlieren wir unsere Communitys.“ Auch im About Blank denkt man über dieses Problem nach, sagt Steffens: „Bei unseren eigenen Veranstaltungen gibt es immerhin in der ersten Stunde einen vergünstigten Eintritt.“









