TV-Drama

Warum mit „Succession“ eine der besten Serien des 21. Jahrhunderts zu Ende geht

Intrigen, Verrat, Machthunger, Versöhnung. Die Serie „Succession“ zog uns über fünf Jahre immer wieder aufs Neue in ihren Bann. Jetzt ist sie zu Ende. Ein Nachruf. 

Jeremy Strong als Kendall Roy in einer Szene der US-Kultserie „Succession“
Jeremy Strong als Kendall Roy in einer Szene der US-Kultserie „Succession“HBO

Es ist vorbei. Die vierte und letzte Staffel der HBO-Serie um den skrupellosen Medientycoon Logan Roy und dessen zerklüftete Familiennachfolge ist an ein finales Ende gelangt. Es heißt also Abschied nehmen – von einer der vielleicht besten Serien des 21. Jahrhunderts. Von begnadeten Dialogen zwischen epischem Familiendrama und messerscharfer Zeitgeist-Comedy. Von Nicholas Britells hypnotischer Titelmelodie, ihrem glockenhellen Glam, den bassigen Variationen und elegischen Streichern; von wahrlich erfinderischer Kameraarbeit.

Und: vom beinahe voyeuristischen Wechselspiel aus verhärmten Fuck-you-Zynismus und der aufrichtigen Suche nach väterlicher Anerkennung. Ein Wechselspiel, das „Succession“ über vier Staffeln hinweg immer wieder im Kleinstkosmos der ultrareichen Roy-Familie ausbuchstabierte. In einer Erfahrungswelt der 0,001 Prozent, die eigentlich kaum jemand wirklich nachvollziehen kann. Und dennoch: Die Serie wirkt seit ihrem Start im Jahr 2018 bis heute manisch zeitgenössisch. 

Im Zentrum stehen Logan Roys Kinder: der trottelige Älteste Connor, der dem sinnlosen Traum anhängt, in den Vereinigten Staaten als Präsidentschaftskandidat eine neuartige Version eines libertären Konservatismus zu etablieren, die er offenbar selbst nicht so ganz versteht. Der von Jeremy Strong genialisch verkörperte Kendall, der kontinuierlich zwischen narzisstischem Bravado und Nervenzusammenbruch hin- und herchangiert und nebenbei seinen notorischen Vorlieben Rap-Musik und Kokain frönt. Die Girlboss-Macherin Shiv, die, anders als ihr Vater, eher Politikvertreter der Demokratischen Partei umgarnt, dabei oft eitel und weltfremd-distanziert wirkt, ein bisschen so, als sei sie gerade einem präraffaelitischen Gemälde entsprungen. Und natürlich der Jüngste, Roman, dessen Performance an einen aristokratischen Jüngling erinnert, der mit einer übergroßen Portion nietzscheanischen Nihilismus durch die Welt flaniert – dem Wissen, dass nichts zählt und keine Handlung wirkliche Konsequenzen hat.

„Succession“ war ein kulturelles Ereignis. Nicht umsonst mutierte die Serie zu einem der beliebtesten Meme- und GIF-Pools, die Social Media in den letzten Jahren zu bieten hatte. Spätestens Staffel zwei brachte uns in so gut wie jeder Folge Szenen, von denen man sich nachts in Bars oder morgens im Büro erzählte. Etwa die Folge, in der Kendall, der heimliche Protagonist der Serie, zur Ehrerbietung seines Vaters vor versammeltem Publikum rappt, ein absurd auf die Spitze getriebener Inbegriff des „Cringe“-Gefühls der späten Zehnerjahre. Unvergessen auch die Szene, als Roman versuchte, Jerry – beflügelt von seiner zweifelhaften Affäre mit der Führungskraft, die altersmäßig in etwa seine Mutter sein könnte – ein Dick-Pic zu senden. Die SMS (inklusive Bild) landete jedoch versehentlich beim Vater.

Charaktere werden ignoriert, beleidigt, beschämt, herabgesetzt

Welchen Nerv traf „Succession“ mit derartigen Szenen? Gar nicht so leicht zu sagen. Dank hervorragender schriftstellerischer und schauspielerischer Leistungen schaffte die Serie es, diese Menschen hinter ihren puffigen Burberry-Jacken und rustikalen Townhouse- und Helikoptergerüsten als durch und durch verletzliche, teils lächerliche und beschämte, in jedem Fall sehr nahbare Wesen zu zeichnen. Einer nach dem anderen wird hier von der allmächtigen Patriarchenfigur Logan ignoriert, beleidigt, erniedrigt oder gleich ganz fallen gelassen.

Das ist ein Spektakel, bei dessen Betrachtung sich nach einer Weile ein seltsamer Effekt einstellt: Die sich auftürmenden Verletzungen sind mehr als nur Sinnbild einer kaputten Familie. Sie triggern auch eine Art proletarische Häme, von der man vor „Succession“ noch gar nicht so recht wusste, dass man sie in sich trägt: Man beginnt eine regelrechte Freude daran zu empfinden, den bizarren Wunsch der Kinder scheitern zu sehen, dieses Machtimperium zu übernehmen, das auf kapitalistischem Maximalismus und moralischem Bankrott fußt – und dessen politische Machenschaften und toxischer kultureller Einfluss wohl nicht ganz zufällig an das Fox-Medien-Imperium erinnern. Kurz: „Succession“ weckt eine Art antikapitalistische Schadenfreude. 

Aber die Serie ist doch mehr als das. In ihr verbirgt sich auch eine quasi-universelle Botschaft. Kendall, Shiv und Roy, allesamt Millennials zwischen Mitte 30 und Mitte 40, sind zwar einerseits meilenweit von unserer praktischen Lebensrealität entfernt. Andererseits sind sie uns aber auch immer wieder erschreckend ähnlich. Mal fühlt man sich von ihrer Unmittelbarkeit und Direktheit angezogen, von ihrem so unerbittlich nach außen geschälten Innenleben gespiegelt, teils auch verstanden, von ihrem bösartigen Zynismus, ihrer Gleichgültigkeit und ihrem barocken Luxus regelrecht abgestoßen.

Ein shakespeareesker Spielzug

Mehr als einmal ist Kendall in „Succession“ auf den shakespeareesken Spielzug aus, den Vater qua Misstrauensvotum von innen – oder durch feindliche Übernahme von außen – zu entthronen. Doch Logan wittert und bremst Kendalls Pläne, kalkuliert, kalt, konsequent. Was folgt, sind Kapriolen von Intrigen, Verrat und völlig unerwarteter Versöhnung, die es irgendwie immer wieder schaffen, uns in ihren Bann zu ziehen und uns von Neuem daran zweifeln lassen, wer denn nun die beste (beziehungsweise schlimmste) Nachfolgerin für Logan Roys Imperium sei.

Denjenigen, die weiterschauen, bietet „Succession“ immer auch einen Funken Trost: Die Gewissheit, dass das Leben der Superreichen, mit all ihren glitzernden Jachten und champagner-getränkten Premium-Suites am Ende von ähnlichen Problemen geplagt zu sein scheint wie unser eigenes. Und es kommen sogar noch andere hinzu! Etwa die Frage der moralischen Korrumpierbarkeit, des Opportunismus. Auf den Punkt gebracht wird dies im urkomischen Doppelspiel zwischen Shivs Ehemann Tom und dessen (stets ein klein bisschen zu peinlich berührten) Assistenten Greg. Beides sind Charaktere, die vielleicht mit guten Absichten in die Roy-Familie gestolpert sind, sich ihre machiavellistisch-manipulativen Abgründe auf je eigene Weise aber zunehmend mehr zu eigen machen.

Die zentrale Frage von „Succession“ lautet am Ende nicht, wer das Waystar-Royco-Unternehmen kontrolliert. Sondern, was das komplexe Zusammenspiel der Familie, insbesondere natürlich der Geschwister, ausmacht. Ein Zusammenspiel von Konkurrenz, Verschwörung, Verdacht und auch Liebe, das sich in der letzten Folge nun noch einmal in all seiner chaotischen Pracht zeigte. „Succession“ ist eine Serie, auf die man in ein paar Jahren zurückkommen wird. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie unterschwellig so viel über die Zeit verrät, in der wir gerade leben.  

Alle vier Staffeln von „Succession“ sind bei Sky und Wow verfügbar.