Innerhalb von wenigen Tagen wurden im Iran drei prominente Filmemacher inhaftiert. Mindestens zwei von ihnen dürften auch vielen Berlinern ein Begriff sein. Sowohl Jafar Panahi als auch Mohammad Rasoulof haben bei der Berlinale in der Vergangenheit den Goldenen Bären gewonnen.
Panahi, der seit 25 Jahren mit seinen Filmen international Erfolge feiert, hat schon einige Erfahrungen mit Repressalien durch das Regime. 2011 konnte er seinen Platz in der Berlinale-Jury nicht ausfüllen, weil er an der Ausreise gehindert wurde – die iranische Regierung warf ihm damals Propaganda gegen das System vor. Der Regisseur hatte vorher in seinen Filmen regelmäßig regimekritische Töne angeschlagen und bei den Präsidentschaftswahlen 2009 die oppositionelle Grüne Bewegung unterstützt. Im Mai 2010 waren Panahi und sein Regiekollege Mohammad Rasoulof festgenommen worden. Nun droht die Geschichte sich zu wiederholen.
Inhaftiert für Kritik an Polizeigewalt
Rasoulof, der 2020 bei der Berlinale den Goldenen Bären für „Doch das Böse gibt es nicht“ gewann, wurde am 8. Juli in seiner Wohnung verhaftet, so auch sein Kollege Mostafa Al-Ahmad. Die beiden hatten kurz zuvor zusammen mit über 70 Personen aus der iranischen Filmindustrie in einem Statement das Ende der Polizeigewalt gefordert. Im Mai war in der Stadt Abadan im Südosten des Landes ein zehnstöckiges Geschäftsgebäude eingestürzt, mindestens 43 Menschen starben. Das Unglück löste eine große Protestwelle aus, in der sich die seit Langem gärende Frustration vieler Iraner über die hohen Lebenshaltungskosten und die Korruption im Land Bahn brach. Expertenwarnungen über den schlechten Zustand des Gebäudes waren vom Besitzer und von den Behörden ignoriert worden. Die Sicherheitskräfte gingen mit Tränengas und Schusswaffen gegen die Demonstranten vor.
Aufgrund ihrer Beteiligung an dem offenen Brief warfen die iranischen Justizbehörden Rasoulof und seinem Kollegen die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und die Zusammenarbeit mit Regimegegnern vor.
Schon 2020, kurz nach seiner Auszeichnung bei der Berlinale, war Rasoulof zu einem zweijährigen Berufsverbot und einer einjährigen Haftstrafe verurteilt worden, die er bisher allerdings nicht antreten musste. „Mit dieser Strategie operieren die iranischen Sicherheitskräfte seit vielen Jahren“ erzählt Farzad Pak, der Rasoulofs Gewinnerfilm produziert hat, im Interview mit der Berliner Zeitung. Die beiden verbindet eine lange Freundschaft. „Sie lassen dich im Unklaren über deine Situation. Sie halten offen, ob du tatsächlich ins Gefängnis musst, lassen dich aber gleichzeitig nicht arbeiten. So sollen Künstler und Aktivisten isoliert werden.“
Pak erfuhr durch die iranische Nachrichtenagentur Irna von der Festnahme seines Freundes. Die Meldung kam prompt nach der Verhaftung, für Pak ist deshalb klar, dass die Aktion lange vorbereitet war. Er sieht darin auch das Ergebnis einer veränderten politischen Situation im Land: „Es gab im Iran immer Restriktionen für unabhängige Filmemacher, mal mehr, mal weniger. Seit Ebrahim Raisi im vergangenen Jahr zum Präsidenten gewählt wurde, erscheint der Wille, jede oppositionelle Stimme zum Schweigen zu bringen, aber stärker denn je. Darunter leiden natürlich nicht nur die Künstler, sondern die ganze Gesellschaft, vor allem die Frauen.“
Jafar Panahi hat 20 Jahre Berufsverbot
Auch Jafar Panahi war 2011 bereits zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, das ihm auferlegte Berufsverbot sollte 20 Jahre lang gelten. Panahi hielt sich nicht daran, er drehte heimlich mehrere Filme und schmuggelte sie aus dem Land. 2015 gewann er für „Taxi Teheran“ in Berlin den Goldenen Bären. „Um in einem totalitären System zu überleben, musst du arbeiten und produktiv sein“, ist Farzad Pak überzeugt. „Wir Iraner leben seit über 40 Jahren mit Unterdrückung und Zensur, wir haben gelernt, damit umzugehen. Sie können uns die Grundrechte, aber nicht unsere Kreativität wegnehmen.“
Warum das iranische Regime Panahi für die Verstöße gegen das Berufsverbot nicht sanktionierte, bleibt undurchsichtig, möglicherweise wollte man internationalen Protest vermeiden. Nun jedoch scheint die Zurückhaltung ein Ende zu haben.



