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Genrekonform in die Freiheit ballern: „They Cloned Tyrone“ neu auf Netflix

Die Mystery-Komödie „They Cloned Tyrone“ vereint ein großartiges Trio aus Dealer, Zuhälter und Sexarbeiterin. Wie passen die Seventies-Referenzen in die Gegenwart?

John Boyega, Teyonah Parris und Jamie Foxx im Netflix-Film „They Cloned Tyrone“
John Boyega, Teyonah Parris und Jamie Foxx im Netflix-Film „They Cloned Tyrone“Parrish Lewis/Netflix

Es hat vermutlich nur zehn Sekunden gedauert, diesen Film bei Netflix zu pitchen: „Eine Horrorcomedy im Stil von Jordan Peele trifft Seventies-Blaxploitation. Jamie Foxx spielt einen alternden Pimp.“ Gekauft!

Der Film macht genauso viel Spaß, wie es diese Logline nahelegt. Der Regisseur Juel Taylor, erstaunlicherweise ein Debütant, inszeniert ihn mit Tempo, Timing und Stil und lässt sein tolles Ensemble in prächtigen Kostümen und körnigen Faux-35-mm-Bildern eine sinistre Verschwörung aufdecken.

Wir sind in einer schwarzen Nachbarschaft irgendwo im Süden der USA. Die Leute treffen sich im Fried-Chicken-Imbiss, beim Gottesdienst, beim Friseur, im Club. Alles wirkt wie aus der Zeit gefallen: Autos aus den Siebzigern stehen neben modernen Modellen, alte Klapphandys werden neben iPhones benutzt, im flickernden Fernseher läuft eine VHS-Kassette. Die Tage gleichen einander, irgendwie wuseln sich alle durch und haben sich mit ihren prekären Existenzen abgefunden. Fontaine (John Boyega) ist ein stoischer Dealer, Slick Charles (Jamie Foxx) ein pompöser „Entrepreneur“ (vulgo: Zuhälter) und Yo-Yo (Teyonah Parris) eine pfiffige Sexarbeiterin, deren Job im wenig politisch korrekten Film anders bezeichnet wird. Ein Streit eskaliert, Fontaine wird in einem Drive-by-Shooting getötet. Am nächsten Tag wacht er wieder auf.

„They Cloned Tyron“ auf Netflix

Der Titel des Films verrät schon einiges: Es geht um Klon-Experimente, und es gibt ein „They“, eine ominöse Instanz, die die schwarzen Figuren als Versuchskaninchen missbraucht. Was im Laufe des Films aufgedeckt wird, ist recht erwartbar (Spoiler: die Weißen sind hier nicht die Guten!) und metaphorisch nicht so zündend wie etwa der Twist in Jordan Peeles „Get Out“ – der womöglich einflussreichste Film der letzten zehn Jahre –, aber zum Glück steht nicht der Plot im Zentrum, sondern das herausragende Trio Boyega, Foxx und Parris. Vor allem Jamie Foxx, der Meisterkomiker, ist fantastisch. Als Zuhälter des Jahres 1995, als nuschelnder Ex-Player in Pelz, Leder und Gold, reißt er jede Szene an sich.

So lustig der Film ist, so ernst ist sein Kern. Was das Leben in dieser Nachbarschaft erträglich macht – die Gemeinschaft beim Imbiss, in der Kirche, beim Friseur, im Club – ist nur eine Ablenkung von der Unterdrückung. Diese alltäglichen Orte, zeigt der Film, sind längst unterwandert von einem weißen Staatsapparat, der schwarze Menschen in seliger Ignoranz ruhigstellen und ihr revolutionäres Potenzial neutralisieren will. Die Mechanismen dieser Struktur interessieren Juel Taylor nicht weiter, zu sehr will er nicht darüber nachdenken (dann würde ihm die Lust auf Witze wohl auch vergehen); er nimmt sie als Kontext für eine moderne Blaxploitation-Comedy, in der man sich genrekonform  in die Freiheit ballern kann.

Der Look des Films (das körnige Bild mit Störeffekten, als liefe eine abgenutzte Filmrolle durch den Projektor) zollt seinen Seventies-Vorbildern Tribut und verweist auf die ironischen Umstände seiner Entstehung. Dieser Film ist offensichtlich fürs Kino gedacht, aber finanziert wird ein solches Projekt, eine Mid-Budget-Comedy, in der weit und breit keine Superhelden zu sehen sind, dieser Tage eben vor allem von einem Streaming-Dienst wie Netflix.

They Cloned Tyrone. Spielfilm, 2023, 119 Minuten, Netflix