Plastik-Pumps oder Birkenstock? Barbie muss sich entscheiden: zwischen einem pinkfarbenen Jenseits, durch das sie als konkurrenzlose Machthaberin stöckelt, und dem harten Diesseits, in dem ihre Geschlechtsgenossinnen von einer Demütigung zur nächsten schlappen.
Das sind die beiden Pole, zwischen denen sich Greta Gerwigs Film bewegt – Fantasie und Realität, Matriarchat versus Patriarchat, hohe Hacken oder flache Korksohlen. Eine hochpolitische, feministische Geschichte, die sich anhand der berühmten Plastikpuppe erstaunlich gut erzählen lässt. Weil sie, Barbie, ja tatsächlich beides ist: Ikone und Feindbild der Emanzipation zugleich, eine Symbolfigur feministischer Utopien und die kunststoffgewordene Männerfantasie.
Barbies Traumwelt lässt die Regisseurin Gerwig („Lady Bird“) dabei als eine Art Paralleluniversum in Pastellfarben inszenieren; ganz ähnlich wie im utopischen Roman „Die Töchter Egalias“ der norwegischen Autorin Gerd Brantenberg sind hier die Rollen schlichtweg umgekehrt: „Barbie ist alles“, heißt es schon auf den Filmplakaten, „Ken ist nur Ken“ – ein trauriges Männchen, das seinem blonden Gegenüber lediglich als schmückendes Beiwerk dient.

Gesellschaftlichen Realitäten entspricht das freilich nicht. Wohl aber der Fantasiewelt, die der amerikanische Spielzeugkonzern Mattel um seine 1959 erstmals auf den Markt gebrachte Modepuppe ohnehin aufgebaut hat: In mehr als 70 Jahren durfte Barbie alles sein – Model und Mutter, Ärztin und Astronautin, Physikerin, Pilotin, Nobelpreisträgerin, Prinzessin und Meerjungfrau. Und während die Barbie-Puppe bereits 1992 zum ersten Mal Präsidentin der USA geworden war, hat man in den echten Vereinigten Staaten bis heute noch kein weibliches Staatsoberhaupt gesehen.
Im Film aber gerät sie ins Wanken, die herausragend ausgestattete Plastikwelt (Produktionsdesignerin Sarah Greenwood dürfte sich ebenso auf eine Oscar-Nominierung vorbereiten wie Kostümbildnerin Jacqueline Durran), in der Barbies jeglicher Couleur sämtliche Ämter pinkfarben bekleiden – von der Anwältin über die Richterin am Obersten Gerichtshof bis eben zur Präsidentin.
Die zentrale Barbie-Figur, schön gespielt von Margot Robbie, fühlt sich betrübt, durchlebt Emotionen tiefer Traurigkeit, die in ihrer auf Spiel und Spaß getrimmten Traumvilla keinen Platz haben. Und: Ihr Körper verändert sich. Die eigentlich auf High-Heels ausgelegten Plastikfüßchen mit gehobener Ferse und aufgesetzten Zehenspitzen sinken platt gen Boden; an den straffen Kunststoffschenkeln zeichnet sich – oh Schreck! – beulig Cellulite ab.

Es sind die Vorboten einer echten, einer reellen Welt, in die das Püppchen reisen muss, um ihr Spielzeug-Matriarchat zu retten. Begleitet wird sie auf der Mission von einem treudoofen Ken in offenem Hemd und Bermudahosen, köstlich dargestellt von Ryan Gosling. Für die gänzlich unschuldige, auf Bussis und Bewunderung basierende Beziehung der beiden wird die Reise zur Zerreißprobe.
Der „schrägen Barbie“ wurden die Haare mit der Bastelschere kurz geschnitten
Barbie hatte geglaubt, das durch sie kleinen Mädchen vorgelebte Gesellschaftsmodell ungeteilter weiblicher Macht hätte sich auch in der Realität durchgesetzt – und muss nun erkennen, dass nicht mal in ihrem Mutterschiff, der kalifornischen Firmenzentrale von Mattel, Frauen an der Spitze stehen. Und Ken? Der verliebt sich Hals über Kopf ins Patriarchat, das ihm endlich ein Leben voller Durchsetzungsvermögen und Dosenbier verspricht.
Gekonnt arbeiten Gerwig und Noah Baumbach in ihrem Drehbuch die Ambivalenz einer Spielzeugfigur heraus, die sich in ihren gesellschaftlichen Rollen flexibel – aber in ihrer gnadenlos langbeinigen Erscheinung unveränderlich zeigt. Schön sind sie alle, die Powerfrauen im Barbie-Land, mit langem Haar und pinken Kleidern. Aus der Rolle fällt lediglich „weird Barbie“, die „schräge Barbie“, gespielt von der Komikerin Kate McKinnon.

Angelehnt an jene Barbie-Puppen, die unter dem zupackenden Spiel ihrer kindlichen Besitzerinnen arg gelitten haben, trägt sie mit der Bastelschere kurz geschnittenes Strubbelhaar und Filzstiftkritzeleien im Gesicht. Sie ist es, die die zentrale Barbie des Films vor die Wahl stellt: Plastik-Pumps oder Birkenstock? Auf ewig das betrübte Püppchen bleiben oder zur Sandalen tragenden Heldin werden?
Was entsteht, ist eine überaus kurzweilige, herrlich alberne Gesellschaftskritik – die auch vor dem Medium Film und dem sexistischen Geschäft Hollywoods nicht haltmacht. In einer Szene bricht Margot Robbie alias Barbie in Tränen aus: Ihr Make-up ist aus dem Plastikgesicht gewichen, die Mundwinkel hängen herunter, sie sei nun schal und hässlich, was dem schönen Antlitz der Schauspielerin natürlich ganz und gar nicht entspricht. „Notiz an die Regisseurin“, meldet sich die Erzählerinnenstimme (Helen Mirren) aus dem Off: „Vielleicht ist Margot Robbie eine Fehlbesetzung.“




