Kino

„Don’t Worry Darling“ mit Harry Styles: Über die Schönheit der Kontrolle

Olivia Wildes zweiter Film ist ein grandioses Werk, das künstlerisch vom Drama hinter den Kulissen überschattet wird, aber finanziell davon profitieren könnte.

Szene einer vermeintlich traditionellen Ehe: Harry Styles und Florence Pugh als Jack und Alice
Szene einer vermeintlich traditionellen Ehe: Harry Styles und Florence Pugh als Jack und AliceWarner Bros. Entertainment

Es geschieht nicht mehr oft in diesen Tagen, dass Skandale vom Filmset im großen Stil Aufsehen erregen. Weil Hollywood an Glanz und Mysterium verloren hat, weil die Stars nicht mehr so hell oder in anderen Sphären leuchten und auch weil es weniger Fachpresse gibt. Im Fall von „Don’t Worry Darling“ allerdings fühlte man sich ob der Berichterstattungsdichte und -tonalität fast ins Jahr 2005 zurückversetzt, als sich am Set von „Mr. und Mrs. Smith“ Angelina Jolie und Brad Pitt, zwei der berühmtesten Schauspieler der Welt, einer davon verheiratet, ineinander verliebten. Auch während der Produktion des Films von Regisseurin Olivia Wilde brach die Liebe aus, zum Missfallen einer anderen Frau. Dass der daraus entstandene Konflikt nun ausgerechnet diesen Film überschattet, ist bedauerlich. Weshalb er nun erst einmal ausgeblendet werden soll.

Auch ohne ihr Gebaren hinter der Kamera dürften es vor allem die beiden Hauptdarsteller sein, die das Interesse des Publikums an „Don’t Worry Darling“ wecken: Da ist zum einen Florence Pugh, die mit dem schwedisch-amerikanischen Horrorfilm „Midsomar“ ihren Durchbruch hatte, seit dem in verschieden Marvel-Titeln zu sehen und für ihre Rolle in Greta Gerwigs Neuauflage von „Little Women“ für einen Oscar nominiert war. Ihr gegenüber spielt Harry Styles, britisches Ex-Boygroup-Mitglied und solo mittlerweile einer der größten Popstars überhaupt, seine erste Hauptrolle.

Trinken, tratschen, Dinnerpartys

Die beiden geben ein junges Ehepaar, das die Hände und Zungen nicht voneinander lassen kann, aber oft muss, denn Jack hat einen wichtigen und zeitaufwendigen Job, der das Leben der beiden bestimmt. Für diesen Job ist Alice mit ihm in eine Siedlung mitten in der amerikanischen Wüste gezogen, wo alle Angestellten einer mysteriösen Firma leben, die das sogenannte Victory Project verantwortet. Freunde sind hier ausnahmslos Kollegen und jede private Verfehlung kann sich auf die Karriere auswirken. Frauen sind bei der Firma nicht beschäftigt, und die Männer müssen Stillschweigen darüber bewahren, was ihre Arbeit eigentlich beinhaltet. „Progressive Materialien“ werden angeblich gefördert und manchmal bebt die Erde, mehr wissen die Ehefrauen nicht. Was sie aber wissen, ist, dass ihre Männer morgens gern mit Kuss und Lunchbox an der Autotür verabschiedet werden, bevor sie in einer Kolonne aus knallbunten Fünfzigerjahreschlitten dem Tagwerk entgegenfahren. Wenn die Herren nach Feierabend wieder nach Hause kommen, wartet der Braten im Ofen und die Partnerin im Cocktailkleid an der Tür, mit Drink in der Hand und bereit, die Krawatte zu lockern.

Auch tagsüber führen Alice und die anderen Ehefrauen ein Leben voller Klischees aus der amerikanischen oberen Mittelklasse der Fünfzigerjahre. Sie bringen das Haus auf Vordermann, gehen shoppen, rauchen, trinken und tratschen, nehmen Ballettunterricht, wo sie lernen, dass in Kontrolle Schönheit liegt, bereiten Dinnerpartys vor und versorgen die Kinder. Und offenbar sind sie damit vollends glücklich. „Wenn mein Mann seinen Job verliert, bringe ich mich um. Ich meine es ernst. Ich kann nirgendwo anders leben“, sagt irgendwann eine Frau, die mutmaßt, dass es beim Victory Project um Waffen gehen könnte.

Die Idylle wird gestört, als eine ehemalige Freundin von Alice, die einzige schwarze Frau in der Community, in eine Psychose abzudriften scheint. Margaret (KiKi Layne) hat vor ein paar Wochen die wichtigste Regel von Victory-Project-Chef Frank (Chris Pine) gebrochen, indem sie sich zu weit von der Siedlung entfernte. Seitdem leidet sie unter Angstzuständen. Auch Alice wird schließlich zunehmend von Albträumen geplagt und auch sie macht sich irgendwann auf den Weg in die verbotene Wüste. Jack, der seine Frau sonst in jeder Beziehung auf Händen trägt, will nichts davon hören. Seine Zuneigung und Sorge wirken zwar aufrichtig, doch das „Chaos“, das Alices Ideen in die gemeinsame Ordnung bringen, versucht er um jeden Preis auszumerzen. Dass ihn das schmerzt, glaubt man ihm sogar, auch dank eines überzeugenden Harry Styles, der hier sein Image des schönen Menschenverstehers wirkungsvoll für seine Rolle zu nutzen versteht.

Nach einer medizinischen Behandlung wird Alice wieder zu Hause begrüßt.
Nach einer medizinischen Behandlung wird Alice wieder zu Hause begrüßt.Warner Bros. Entertainment

Schon bald stellt sich die Frage, ob wir uns hier wirklich in den 1950er-Jahren befinden oder in einer Retrotopie, also einer Utopie, die das Ideal in der Vergangenheit sucht („Make America Great Again“). Immer öfter fühlt man sich an die Gegenwart erinnert, etwa wenn der Guru-artige Frank Tag für Tag von der Entfaltung des persönlichen Potenzials faselt. Je mehr sich Alice gegen die totalitäre, von Männern entwickelte und durchgesetzte Ordnung auflehnt, desto härter fällt die Gegenwehr aus.

Das Drama hinter dem Drama

Florence Pugh spielt Alice als Frau im Zwiespalt, die es auf vermeintlich verlorenem Post verweigert, sich für verrückt oder zur lästigen Querdenkerin erklären zu lassen. Für ihre Rolle dürfte ihr die zweite Oscar-Nominierung sicher sein, auf die Filmpremiere in Toronto folgten minutenlange Standing Ovations. Matthew Libatique, der nach seiner jahrelangen Zusammenarbeit mit Regisseur Darren Aronofsky Experte für Filme über Beklemmung und Ausbruch ist, erzeugt mit seinen Bildern von Alices Kampf einen Sog, der „Don’t Worry Darling“ für lange Zeit im Gedächtnis der Zuschauer halten wird, so wie diese seltsame Melodie und die Szene im Bett, die Alice einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen.

Es ist die entscheidende Wendung, die den Film von den zahlreichen anderen emanzipatorischen Geschichten im Mainstream abhebt und ihn so schockierend wie relevant werden lässt. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden.

Nachdem „Don’t Worry Darling“ also eindringlich empfohlen sein will, hier das Drama hinter den Kulissen: Regisseurin Olivia Wilde, verlobt mit Schauspieler Jason Sudeikis und Mutter von zwei gemeinsamen Kindern, begann am Set eine Affäre mit Harry Styles. Daran soll sich Florence Pugh moralisch gerieben haben, auch wenn Wilde später beteuerte, längst von Sudeikis getrennt gewesen zu sein. Zudem seien die frisch Verliebten ständig verschwunden und die Regisseurin für ihre Hauptdarstellerin deshalb zu wenig ansprechbar gewesen sein. Am Ende weigerte sich Florence Pugh, den Film in irgendeiner Form zu bewerben. Nur in Toronto tauchte sie auf, ohne Wilde eines Blickes zu würdigen, oder für ein Foto neben ihr zu posieren.

Regisseurin Olivia Wilde, die im Film eine Nebenrolle spielt, mit ihrer Hauptdarstellerin
Regisseurin Olivia Wilde, die im Film eine Nebenrolle spielt, mit ihrer HauptdarstellerinWarner Bros. Entertainment

Für einen Großteil, zumindest der amerikanischen Zuschauer, wird dieser Film über weibliche Selbstbestimmung nun stets in Verbindung mit Schlagzeilen nicht über eine geniale junge Regisseurin, sondern eine vermeintliche Fremdgängerin stehen, die von einer anderen Frau dafür öffentlich abgestraft wurde. Es ist ein Trauerspiel. Aber vielleicht wenigstens eins, das Menschen ins Kino treibt.

Wertung: 4 von 5 Punkten

„Don’t Worry Darling“, Spielfilm, 122 Minuten, ab 22. September im Kino