Daisy Duck, Minnie Maus, Marge, Lisa und sogar die einjährige Maggie Simpson haben welche; Donald, Micky und Homer haben keine: Härchen an den Augen. Wenn es einem erst einmal aufgefallen ist, zieht es sich durch den gesamten Kanon – von Zeichentrickfilmen über Comics bis zu Kinderbuchillustrationen. So widersinnig es erst einmal erscheint, weil doch auch männliche Augenlider behaart sind: Wimpern markieren die Zugehörigkeit einer Figur zum weiblichen Geschlecht. Es funktioniert, versuchen Sie es ruhig mal selbst: Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist das Männermondgesicht. Und wenn man dann noch Wimpern dazu malt, hat man eine Luna.
Es endet beim Rückenbruch
Es scheint ein Gesetz zu geben, das Illustratoren dazu zwingt, Menschen geschlechtlich binär zu definieren, auch minderjährige Menschen und unbedingt Tiere, ob sie nun sprechen können oder nicht. Diese Unterschiede haben die Tendenz, hervorgehoben zu werden und dann als attraktiv zu gelten. Wohin das führt, zeigt ein flüchtiger Blick in die reich bestückte Bilderbuchbibliothek für Erwachsene. Hier gibt es scharenweise übersexualisierte unterarmdünne Comic-Heldinnen, die sich verrenken, um dem Betrachter Brüste und Hintern gleichzeitig entgegenzurecken – man spricht hier von Broken-Back-Poses, also Rückenbruchposen, auch um der Brutalität von Geschlechterklischees gerecht zu werden.
Doch zurück zur Bewimperung: Man fügt zur neutralen Grundform etwas hinzu, das heißt, man leitet etwas von ihr ab und ordnet es ihr kategorisch unter. Der Mensch ist ein Mann, bis man ihn mit einem Attribut zu einem weiblichen Menschen macht. In unserem Fall eben mit Wimpern. Bei der deutschen Sprache gibt es auch Wimpern – sie zeigen sich in Form der Buchstabenkombination „in“ als weibliche Endung an männlich konnotierten Grundformen. Sie kennen die Diskussion.
In diesem bildlichen und sprachlichen Schmuck spiegelt sich ein offenbar vorhandenes Bedürfnis nach Geschlechterdifferenzierung. Es ist so stark, dass auch politisch durchkorrigierte Menschen ihren über alles geliebten Kindern archaische Geschlechterrollen zuweisen und sie damit – wie man es nimmt –ihrer freien individuellen Entfaltungsmöglichkeit berauben oder Orientierung geben. Was aber ist, wenn man das nicht mitmachen will? Wie soll ein Comic-Zeichner eine Figur erschaffen, mit der sich Mädchen, Jungs und alle anderen identifizieren können? Muss er dann die Wimpern weglassen oder welche hinzufügen? Vielleicht nur an einem Auge? Wenn man einmal hineingetappt ist, kommt man so einfach nicht heraus aus der Geschlechterklischeefalle.




