Kolumne

Verhaltensfrage: Darf ich Verhaltensfragen stellen?

Auf Anregung von Facebook-Kommentatoren schaut der Kolumnist am Jahresende zurück und resümiert sein Tun und Wirken. Lauter Daffke, Humor und gute Laune!

Der Verhaltenskolumnist denkt über seine Relevanz nach. Abbildung ähnlich.
Der Verhaltenskolumnist denkt über seine Relevanz nach. Abbildung ähnlich.imago

Jetzt stehen die Tage der Besinnung bevor, und auch der Verhaltenskolumnist fragt sich, was dieser ganze Blödsinn im vergehenden Jahr nun wieder sollte. Anregung zu den selbstbezogenen Metaebenen-Überlegungen erhält er von den Kommentatoren, die in den sozialen Medien unter den geposteten #Verhaltensfragen ihre Gedanken hinterlassen. Vielen Dank für die Mühe! Man wird wahrgenommen!

Nun muss man aber gleich einräumen, dass viele dieser Reaktionen eigens verfasst werden, um dem Autor und der Zeitung mitzuteilen, dass diese Verhaltensfragen überflüssig sind. Und damit haben sie natürlich recht, zumal sie den Einwand mit dem Argument untermauern können, dass viel Wichtiges in der Welt und in der Stadt passiert, womit man sich beschäftigen müsste. Und nicht mit solchen nebensächlichen Fragen, wie, ob man fremde Kinder trösten oder Geburtstagskuchen in die Kita mitgeben oder als Veganer Feigen essen dürfe.

Das mit der Feige war übrigens der Quotenhit des Jahres! Es meldete sich auch eine Person, die sich mit Feigen und Feigenwespen auskennt und den Text in einer ersten Reaktion in Grund und Boden stampfte, mit einer Emphase, die mich – fachlich und menschlich – neugierig machte und Kontakt aufnehmen ließ. Es war die Leidenschaft für die Sache, die den Ton verrutschen ließ, und die brachte letztlich hochinteressante Details zutage, in denen unsere Sichtweisen voneinander abwichen. Wir klärten die Widersprüche in einem ausführlichen Interview auf, von dem nun leider nichts nach außen dringen darf, denn die Person zog ihre Erlaubnis zur Veröffentlichung kurzfristig zurück. Es war ein bisschen so, als würde ihre Existenz von der Feigenfrage abhängen. Von wegen irrelevant.

Zwei Goldrahmen

N.N., einer der treusten Kommentatoren, der mit verlässlicher Lakonie seinen Hammer auf immer dieselbe Stelle fallen lässt, wenn ich mal wieder eine Verhaltensfrage stelle, ist ein Theaterkritiker, wie ich auch einer bin, wenn meine Tätigkeit als Verhaltenskolumnist mir die Zeit lässt. Ein grimmiger, sehr kompetenter, fleißiger und verdienstvoller Kollege mit der für den Beruf so nötigen Meinungsfreude und Selbstgewissheit.

Blödsinn. Überflüssig. Was soll das? Braucht kein Mensch. So in etwa lautet seine Einschätzung, die er mir in die Kommis schreibt, also ins Gesicht sagt. Ich habe dann immer den Impuls zum Knuddel-Emoji zu greifen, trau mich aber nicht, schon weil ich finde, dass es keinen prinzipiellen Unterschied zwischen der Kommunikation im virtuellen und im wirklichen Raum geben sollte.

Bei der jüngsten Verhaltensfrage, die sich mit dem Popeln beschäftigte, schlug er wieder mal zu: „In welchem Ressort wird denn solch ein Blödsinn veröffentlicht?“ Man möchte ihn sofort knuddeln, zumal der Einwand dazu führte, dass der Theaterdramaturg Carl Hegemann herbeisprang und mir ein Zeugnis ausstellte, das mich so verlegen macht, dass ich es allen zeigen möchte: „Sag mal, warum bist du denn so humorlos, N.N.? Das sind doch alles ernste wichtige Themen, die hier kompetent und erschöpfend behandelt werden, und sie erscheinen auf der durchaus seriösen Debatten-Seite, wo sie auch hingehören. Stellst du dir nie vergleichbare Fragen? Oder denkst du, dass man das nicht darf?“ Das rahme ich mir golden ein. N.N. darauf: „Nö, stell ich mir nicht, auch nicht rhetorisch, und schon gar nicht anderen; lauter Daffke, Humor und gute Laune!“ Daffke, Humor und gute Laune! Das kommt in einen zweiten Rahmen.