Was tut einer, der schwurbelt? Ein geschwurbelter Text oder eine geschwurbelte Rede entbehrt des stichhaltigen Arguments und tarnt diese Leere mit Allgemeinplätzen und rhetorischen Arabesken. So denkt der Miesepeter darüber. Die etymologische Herleitung könnte helfen, das Schwurbeln erst einmal ohne Wertung und mit etwas besserer Laune zu betrachten: Schwurbeln, schwürbeln oder schwirbeln kommt nämlich vom mittelhochdeutschen Wort swerben, das so viel bedeutet wie sich drehen, schwindlig werden und taumeln. Da liegt die Assoziation zum Tanz nahe.
Fliehkräfte des Ringtanzes
Wenn man so will, schickt man einen Gedanken auf die Tanzfläche und lässt ihn um sich selbst kreisen, testet ihn bei ein paar Moves, vielleicht kuppelt man ihn mit einem zweiten aneinander und lässt sie eine dialektische Katze-beißt-Schwanz-Pirouette aufführen. Oder man formiert eine ganze thematisch verbundene Gedankengruppe zur Compagnie, die dann einen Ringtanz aufführt und dabei die Bewegung und ihre Fliehkräfte um ihrer selbst willen genießt, ohne auch nur auf die Idee zu kommen, sich von der Stelle zu rühren, was ja hieße, die Tanzfläche und den Kreis zu verlassen.
Somit steht das Schwurbeln dem Gedankendurchmarsch gegenüber, bei dem man nicht mehr nach links oder rechts guckt, sondern an sein Ziel kommen will. Irgendwo in der Mitte befindet sich der Gedankenspaziergang, was das schönere Wort für Essay ist. Schwurbeln könnte also durchaus helfen, den Denkapparat auszulüften und sich freudvoll seiner Funktionstüchtigkeit zu vergewissern. Ob für ein solches Tänzchen eine Rede im Bundestag, die Verkündung eines Gerichtsurteils oder ein Vortrag über Hygienemaßnahmen die richtige Gelegenheit ist, sei dahingestellt. Wer bei der Formulierung einer Nachricht schwurbelt, muss mit Kritik rechnen – wie ein Sprinter, der nach dem Startschuss in den Walzerschritt verfällt. Aber vielleicht darf man den Leser einer Kolumne mal zum Schwurbeltanz bitten?
Auf ins unbekannte Unterholz!
Das Querdenken war bis vor ein paar Jahren noch positiv konnotiert und fand seine Verwendung in Selbstbeschreibungen von Leuten, die sich etwas auf ihre geistige Unabhängigkeit einbildeten. Der Begriff erinnert an Querwege, die von der Hauptroute abweichen, oder gar an den Querfeldeinmarsch, bei dem man ganz ohne Wege auszukommen versucht und sich mit der Hoffnung, eine Abkürzung – eine Querverbindung – zu finden, ins Unterholz stürzt. Dabei nimmt man das Risiko in Kauf, nicht durchzukommen und sich zu verlaufen.
Es handelt sich dem ursprünglichen Begriff nach um eine kreative Denkmethode, die als laterales Denken bezeichnet wird (von lateinisch latus, „Seite“). Man stellt sich quer zu dem, was von allen anderen gedacht wird, und guckt sich das Ganze mal von dieser Perspektive aus an. Ohne diesen Blickwechsel kann man nicht auf neue Ideen kommen. Das Ziel und die Routinedenker müssten einem Querdenker egal sein. Er würde den bekannten Weg nicht leugnen und schon gar nicht den eigenen, noch unbekannten Weg zum allein zielführenden erklären.




