Gesundheit

Kliniken werden zu Brutkästen, aber statt Klimaanlagen gibt es Hitzeschutzpläne!

Im Winter waren die Häuser überlastet, jetzt wird es heiß. Gesundheitsminister Karl Lauterbach tut nichts gegen Personalmangel, sagt unser Kolumnist.

Eine Assistenzärztin mit einem Patienten auf der Intensivstation des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe
Eine Assistenzärztin mit einem Patienten auf der Intensivstation des Gemeinschaftskrankenhauses HavelhöheChristoph Soeder/dpa

Es ist noch nicht lange her, da geisterten Schlagzeilen wie diese durch die Medien: „Intensivmediziner befürchten Überlastung des Gesundheitssystems“ oder „Triage-Gesetz im Bundestag: Wer bekommt das letzte Intensivbett?“ Die Notaufnahmen meldeten sich damals reihenweise bei der Leitstelle ab, weil ihre Kapazitäten erschöpft waren. Unzählige Operationen wurden abgesagt und drastische Maßnahmen ergriffen, um eine weitere Überlastung der Kliniken zu verhindern.

Und heute? Alles scheint vergessen zu sein! Die Bundesregierung befindet sich in der Sommerpause, die Bevölkerung genießt ihren wohlverdienten Jahresurlaub und schlürft entspannt Cocktails am Strand. Zumindest die, die es sich leisten können. Aber das ist ein anderes Thema.

In den Kliniken dagegen bietet sich dasselbe Bild wie seit Jahren: erschöpftes und völlig ausgebranntes Personal, lange Wartelisten für planbare Operationen und nach wie vor Lieferengpässe bei vielen Medikamenten. Besonders gravierend ist der Mangel an Medikamenten für Kinder. Fieber- und Hustensäfte sind schwer oder gar nicht zu bekommen, aber auch wichtige Krebsmedikamente und Antibiotika für Erwachsene sind betroffen.

Leider ist in all der Zeit nicht viel passiert. Ein Reförmchen hier, leere Versprechungen da – das war’s. Ich erinnere mich noch gut an den Aufschrei während der RSV-Welle im Dezember, als die Kinderkliniken mit dem Rücken zur Wand standen und Mütter mit ihren Kindern auf den Fluren liegen mussten, weil es keine Betten mehr gab. Umso unverständlicher ist es für mich, dass jetzt jede fünfte Klinik vor dem finanziellen Aus steht. Unfassbar!

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Markus Wächter/Berliner Zeitung
Zur Person
Ricardo Lange, 42, wuchs in Berlin-Hellersdorf auf. Um sich gegen Übergriffe behaupten zu können, betrieb er Kampfsport und Bodybuilding. Er arbeitete als Fitnesstrainer und bei der Polizei, bevor er sich zum Intensivpfleger ausbilden ließ und in diesem Beruf seine Berufung fand.

Für eine Zeitarbeitsfirma
springt Lange in Berliner Krankenhäusern ein, in denen die Personalnot am größten ist. 2022 veröffentlichte er ein Buch über den Pflegenotstand: „Intensiv: Wenn der Ausnahmezustand Alltag ist. – Ein Notruf“ (dtv). Ricardo Lange ist Kolumnist der Berliner Zeitung.

Herr Lauterbach betont immer wieder, wir hätten zu viele Betten. Abgesehen davon, dass wir zumindest hier in Berlin im Dezember mehr Intensivbetten gebraucht hätten, halte ich es für falsch, die Kliniken auszuhungern. Wenn Betten abgebaut werden sollen, dann bitte kontrolliert und genau geplant.

Laut der Initiative für eine nachhaltige und generationengerechte Pflegereform könnte es bis 2030 einen zusätzlichen Bedarf von bis zu 99.000 Vollzeitstellen in der Pflege geben. Wo ist der wirksame Ansatz zur Gewinnung neuer Pflegekräfte und zur Wertschätzung derer, die seit Jahren zuverlässig und mit vollem Einsatz ihren Beruf ausüben? Die Arbeitgeberkammer des Saarlandes hat dazu die Studie „Ich pflege wieder, wenn ...“ durchgeführt. Das Ergebnis zeigt, dass mindestens 300.000, optimistisch gerechnet sogar bis zu 660.000 zusätzliche Vollzeitpflegekräfte zur Verfügung stünden, wenn sich unter anderem folgende Parameter positiv entwickeln würden.

Ricardo Lange an Karl Lauterbach: „Die Politik muss endlich handeln!“

Nämlich: Mehr Zeit für die Betreuung der Patienten, eine bessere Bezahlung, verlässliche Arbeitszeiten, fachliche Aufstiegsmöglichkeiten, fairer Umgang unter den Kollegen und mehr Wertschätzung durch Vorgesetzte.

Die Liste macht deutlich, dass nicht nur die Politik endlich handeln, sondern dass auch in den Kliniken und Einrichtungen selbst ein Umdenken stattfinden muss.

Ein neues Lieblingsthema unseres Bundesgesundheitsministers ist der geplante Hitzeschutzplan. Es ist die Rede von Schulungen, von der Sensibilisierung des Pflegepersonals und davon, wie man angesichts des Personalmangels am besten noch Angehörige und Ehrenamtliche mit ins Boot holt. Ich kann mir ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Vor allem eines wäre jetzt wichtig: Es muss investiert werden!

Viele Kliniken und Pflegeeinrichtungen haben seit Jahren einen Sanierungsstau an allen Ecken und Enden, sind schlecht isoliert, haben keine Klimaanlage und werden im Sommer zu Brutkästen, wenn es auf den Stationen über 30 Grad heiß wird. Die Hitze ist manchmal unerträglich, und es kommt vor, dass ich mich während meiner Schicht umziehen muss, weil das Wasser buchstäblich von einer Ritze in die andere läuft. Auch für die Patienten, die ohnehin mit ihrer Krankheit zu kämpfen haben, sind diese Zustände unzumutbar. Deshalb, lieber Herr Lauterbach, sind jetzt Sie am Zug: Wer A sagt, muss auch B sagen!