Gesundheit

Neuköllner Pflegeheim wird Flüchtlingsunterkunft? Jetzt spricht die Betreiberin

Das Diakoniewerk Simeon gibt sein Heim an der Sonnenallee auf. Fast alle der 120 Bewohner haben einen neuen Platz sicher. Dennoch sorgt der Verkauf für Aufregung

Aus diesem Gebäude-Ensemble an der Neuköllner Sonnenallee zieht ein Pflegeheim des Diakoniewerks Simeon aus.
Aus diesem Gebäude-Ensemble an der Neuköllner Sonnenallee zieht ein Pflegeheim des Diakoniewerks Simeon aus.Gerd Engelsmann

Marion Timm hat am Freitagnachmittag einen Artikel per Mail erhalten. Der wurde an sie weitergeleitet von der Presseabteilung beim Diakoniewerk Simeon, dessen Geschäftsführerin sie ist. In dem Artikel ging es um den Verkauf eines Pflegeheims an der Neuköllner Sonnenallee. Es gehörte bislang dem Unternehmen der evangelischen Kirche. Das Gebäude-Ensemble müsste von Grund auf saniert werden.

Jetzt geht es für eine nicht genannte Summe an einen Investor. „Aus dieser Konstellation wurde in Medien die Behauptung: Pflegebedürftige müssen ausziehen, damit Geflüchtete einziehen können“, sagt Marion Timm. „Das aber trifft so nicht zu.“ Werden da zwei Gruppen Hilfsbedürftiger gegeneinander ausgespielt?

Einige Aufregung herrscht seit der vergangenen Woche um das Neuköllner Pflegeheim. Weniger in dem Heim selbst, denn all die, die der Verkauf persönlich betrifft, wissen bereits seit Ende vergangenen Jahres über die geplante Transaktion Bescheid: 120 Menschen leben in der Einrichtung. 115 haben inzwischen einen neuen Platz sicher, zum Teil in einem der vier weiteren Häuser, die das Diakoniewerk Simeon in Berlin betreibt. „Diejenigen, die sich anderweitig orientieren wollten, haben wir dabei unterstützt“, sagt Marion Timm.

Die verbliebenen fünf Klienten benötigen eine aufwendigere Versorgung, sind daher schwieriger zu vermitteln, „doch sollten sie bis zum Tag der Übergabe an den neuen Eigentümer nichts gefunden haben, bringen wir sie in unseren eigenen Einrichtungen unter“, versichert Timm. Die Mitarbeiter würden unterdessen zu den bisherigen Konditionen weiterbeschäftigt, sagt sie. Falls sich diese nicht wegbewerben wollten.

Unterkunft für Geflüchtete als Zwischenlösung?

Das ist die eine Seite: die der Bewohner und Beschäftigten der Neuköllner Einrichtung. Die andere betrifft das Ensemble von Gebäuden selbst. Das sei im derzeitigen Zustand nicht mehr als Pflegeheim zu betreiben, meint Marion Timm. Sie veranschlagt mehrere Millionen Euro, um den Bau zu sanieren. „Die sanitären Anlagen befinden sich auf den Fluren“, sagt die Geschäftsführerin. Die Klienten sind in Doppelzimmern untergebracht. Auch das entspricht längst nicht mehr modernen Anforderungen an ein solches Heim. Wände müssten verschoben oder neu eingezogen werden.

Das macht nun wohl jemand anderes. Die Gebäude an der Sonnenallee sollen jedenfalls einen neuen Zweck erfüllen. „Der zukünftige Eigentümer hat uns mitgeteilt, dass er langfristig eine Mischnutzung aus Wohnen und Gewerbe anstrebt“, sagt Marion Timm. Zuvor könnten Geflüchtete in das Heim einziehen, als Zwischennutzung. Sie hätten sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht, fährt die Geschäftsführerin des Diakoniewerks Simeon fort. Doch das kirchliche Unternehmen kam zu dem Schluss: „Sie werden auf Dauer niemanden finden, der dort wohnen möchte, insbesondere angesichts der Konkurrenz auf dem Pflegemarkt.“

Etwa 300 Pflegeheime gibt es laut Senatsverwaltung in Berlin. Sie bieten Platz für insgesamt 31.000 Menschen. An die 160.000 Pflegebedürftige leben in der Stadt, Tendenz wie im gesamten Bundesgebiet steigend. Die meisten von ihnen werden von Angehörigen oder ambulanten Diensten versorgt. Bei rund 80 Prozent aller Betroffenen ist das der Fall.

Ungefähr 32.000 Plätze bieten wiederum die Unterkünfte für Geflüchtete in der Hauptstadt. Auch hier wächst Bedarf, nicht zuletzt wegen des seit anderthalb Jahren anhaltenden Krieges in der Ukraine und all derer, die davor Schutz suchen. Mehr als 7400 allein in diesem Jahr, dazu nochmals mehr als 6500 aus anderen Ländern. Dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten werden nach eigenen Angaben immer wieder Objekte angeboten, die sich bei genauer Prüfung als ungeeignet erweisen, weil der Sanierungsbedarf zu groß ist. Zumal die Objekte für einige Jahre als Unterkunft angemietet werden sollen.

Das Diakoniewerk Simeon ist in beiden Bereichen aktiv: In der Pflege ebenso wie in der Hilfe für Geflüchtete. „Beim Diakoniewerk Simeon haben wir einen Bereich Soziales/Migration. Wir haben also überhaupt keine Vorbehalte, was die Unterbringung von Geflüchteten betrifft“, sagt die Geschäftsführerin. „Im Gegenteil: Weil wir mit Geflüchteten arbeiten, wissen wir um die Notwendigkeit.“