Ein Bündnis aus Kliniken hat Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen das Land Berlin eingereicht. Die Träger von 29 frei-gemeinnützigen und privaten Krankenhäusern sehen den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt. Nach ihrer Auffassung lassen Sonderzahlungen des Senats an den kommunalen Klinikkonzern Vivantes keinen fairen Wettbewerb zu. Sie stützen ihre Argumentation darauf, dass zwischen 2019 und 2022 insgesamt 515,05 Millionen Euro aus Steuermitteln an Vivantes geflossen seien.
Das Bündnis „Ein gesundes Berlin – nicht ohne uns!“ rechnet zudem vor, dass im Landeshaushalt für 2023 weitere 224,9 Millionen Euro eingestellt wurden, mit denen das Defizit des Konzerns ausgeglichen und Investitionen finanziert werden sollen. Zur Debatte stünden nochmals dreistellige Millionenbeträge in den kommenden zwei Jahren und somit insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro, so die Kläger seit 2019.
„Wir stellen tagtäglich weit mehr als die Hälfte der stationären Gesundheitsversorgung in Berlin sicher, sollen aber bei der Verteilung der Finanzmittel durch das Land weiterhin eklatant benachteiligt werden“, sagt Christian Friese, Geschäftsführer der DRK-Kliniken Berlin. Stellvertretend haben die DRK-Kliniken die Klage beim Landgericht eingereicht.
Gesundheitssenatorin Ina Czyborra verweist auf „konstruktive Gespräche“ mit Vertretern des Bündnisses. Über ihre Medienabteilung teilt die SPD-Politikerin mit: „Wir wollen in unserer Stadt gemeinsam mit privaten, freigemeinnützigen und kommunalen Krankenhäusern die Gesundheitsversorgung flächendeckend sicherstellen, sodass sie für alle Berliner und Berlinerinnen niedrigschwellig zur Verfügung stehen kann.“ Dies gehe nur gemeinsam.
Senatorin Czyborra: „Wir hören die Botschaft genau“
„Wir hören die Botschaft genau, prüfen die Klageschrift – und das im gesamten Senat“, sagt die Senatorin. Das weitere Vorgehen werde nun insbesondere mit dem Finanzsenator abgestimmt, der für die landeseigenen Unternehmen verantwortlich sei. „Wir werden zudem alle Instrumente der Finanzierung prüfen“, so Czyborra. Schon nach der Klageandrohung hatte sie klargestellt, dass die Frist Ende August für eine Einigung zu knapp bemessen sei. Das Abgeordnetenhaus als Gesetzgeber und damit letztlich entscheidend sei erst im September aus der Sommerpause zurück.
Eine erbetene Fristverlängerung um zwei Wochen lehnte das Bündnis jedoch ab. Es kritisiert die Vorschläge der Senatsverwaltung zur Lösung der Probleme als unzureichend. Man wolle aber im Dialog bleiben und die Klage zurückziehen, sobald eine Lösung in Sicht sei.
Ulrike Kostka ist Vorstandsvorsitzende des Caritasverbands für das Erzbistum Berlin. Der frei-gemeinnützige Träger hat sich der Klage angeschlossen, Kostka verbindet damit eine grundsätzliche Frage: „Es geht um Gerechtigkeit“, sagt sie. „Wir beobachten, dass das Land Berlin als Eigentümer auftritt.“ Tatsächlich ist Vivantes kommunales Eigentum, ebenso die Charité als Universitätsklinikum. „Doch es besteht ein Interessenkonflikt, denn Berlin gleicht seit Jahren Defizite seiner Häuser mit Steuergeldern aus.“ Die Kliniken der Caritas müssten dagegen aus eigener Kraft ein ausgeglichenes Betriebsergebnis schaffen: Sie erhielten keine Zuschüsse mehr von anderen Bereichen der katholischen Wohlfahrtsverbands. Aus eigener Kraft habe man sich inzwischen saniert und gehe Investitionen in die Zukunft des Unternehmens an.
Deutschlands Krankenhäuser werden zweigleisig finanziert. Für die Investitionen kommen die Bundesländer auf, also der Steuerzahler. Nicht nur bei den kommunalen Häusern ist das der Fall, sondern auch bei Häusern frei-gemeinnütziger Träger wie der Caritas oder der Diakonie sowie privater Unternehmen wie Helios oder Sana. Die Betriebskosten übernehmen derweil die Krankenkassen, also die Beitragszahler. In Berlin betreiben Vivantes und die Charité zusammen etwa 9100, die übrigen Träger knapp 14.500 Betten.
Je Bett gab das Land 2019, im Jahr vor der Corona-Pandemie, 4828 Euro aus, pro Fall gut 93 Euro. Zum Vergleich: In Schleswig-Holstein waren es je Bett mehr als 10.500 und gut 225 Euro je Fall. Bei der Caritas verweisen sie auf diese Zahlen der Berliner Krankenhausgesellschaft, um ihre Forderung nach mehr Geld zu untermauern, nach einer Gleichbehandlung aller 51 Plankrankenhäuser und Universitätskliniken, die gesetzlich Versicherten in der Stadt zur Verfügung stehen. Jeder zweite Berliner werde von einer nicht-kommunalen Klinik versorgt, sagen sie.
„Die Klage trägt dazu bei, dass die Verzerrungen transparent werden“, sagt Kostka. Allein die Ankündigung, klagen zu wollen, habe Klinikträger in anderen Bundesländern aufhorchen lassen. „Denn es geht auch um einen gesetzlichen Rahmen, der nicht eingehalten wird.“ Neben dem Grundrecht auf gleiche Teilhabe an einem fairen Wettbewerb sieht das Bündnis das EU-Beihilferecht und das deutsche Krankenhaus-Finanzierungsrecht verletzt. Außerdem verstoße die Haushaltsplanung des Senats gegen geltende Gesetze.
Klage der Kliniken: „Es ist an der Zeit, dass sich etwas im System ändert“
Auch wenn die Klage schon seit längerem vorbereitet wird: Ganz aktuell wollen die Klinikträger ihren Gang vors Verwaltungsgericht als Signal gewertet wissen. „Wir sind noch da!“ So formuliert es Kostka. Denn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will zum Beginn des neuen Jahres seine Krankenhausreform in Gang setzen. Vertreter von Bund und Ländern erarbeiten derzeit die rechtlichen Details. Im Kern sehen die Pläne vor, Deutschlands Kliniken in drei Kategorien einzuteilen, abgestuft nach dem Spektrum an Leistungen, die angeboten werden.




