Die Nachricht sorgte international für Aufregung. Wieder dreht sie sich um Donald Trump. Wieder geht es um Entwicklungshilfe, um Arzneimittel für arme Staaten. Betroffen sind diesmal Impfstoffe für Kinder. Der US-Präsident will laut Medienberichten die Organisation Gavi nicht mehr finanziell unterstützen. Gavi beliefert Entwicklungsländer unter anderem mit ebenjenen Impfstoffen.
Donald Trump hat seit seinem Amtsantritt Dekrete wie am Fließband unterzeichnet. Sie besiegeln unter anderem den Austritt der Vereinigten Staaten aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO), den Rückzug aus der Entwicklungshilfe, das Ende des Engagements für globale Gesundheit.
Argentiniens Präsident Javier Milei kündigte ebenfalls an, sein Land werde dem Vorbild der USA folgen. In Italien wird ebenfalls ein solcher Schritt diskutiert. In Deutschland scheint das Interesse der Politik am weltumspannenden Engagement für Gesundheit überschaubar zu sein. Zumindest ließ dies ein Blick in die Parteiprogramme vor der Bundestagswahl am 23. Februar vermuten. Von den Parteien, die für den Einzug ins Parlament infrage kommen, befasst sich allein die AfD mit diesem Thema.
Sie fordert eine Reform der WHO, „um die eklatante Abhängigkeit von privaten Geldgebern zu beseitigen und deren direkte Einflussnahme auszuschließen“. Sollte dies nicht möglich sein, spreche sie sich für einen Austritt aus der Organisation aus, heißt es im AfD-Programm. Wie eine solche Abkehr von Sponsoren ohne größere finanzielle Einschnitte gelingen könnte, zumal unter den sich jetzt abzeichnenden Bedingungen, bleibt offen. Allein die USA haben zuletzt etwa 20 Prozent zum WHO-Etat beigetragen. Das macht mehr als eine Milliarde Dollar jährlich. Uganda erhielt 2024 gut 470 Millionen. Das Land kann nur 36 Prozent der Ausgaben für Gesundheit selbst aufbringen.
„Die Europäische Union wird insgesamt eine größere Rolle spielen müssen“, sagt Beate Kampmann, Direktorin des Centres for Global Health in Berlin. „Auch die Brics-Staaten wie China oder Indien und die arabischen Länder sollten mehr Geld geben.“ Es geht auch um personelle Ressourcen. Allein die US-Behörde „Zentrum für Seuchenkontrolle“ (CDC) kommt auf mehr als 100 Mitarbeiter, die weltweit tätig sind.
Die jüngsten Entwicklungen in ihrem Arbeitsbereich erfüllen die Professorin mit tiefer Sorge. „Es ist bestürzend, dass einige politische Entscheidungsträger die globalen Zusammenhänge nicht begreifen.“ Als hätte es die Corona-Pandemie nie gegeben, mit all ihren Konsequenzen, die teilweise bis heute spürbar sind.
Deutsche Wissenschaftler fordern: Globale Gesundheit muss Thema im Wahlkampf sein
Unlängst haben sich Kampmann und weitere Wissenschaftler in einem Brief an deutsche Parlamentarier gewandt. Sie wollen, dass das internationale Gesundheitssystem und seine Herausforderungen im Wahlkampf die nötige Aufmerksamkeit erhalten. Die Welt ist stark ineinander verzahnt. Krisen beschränken sich nicht mehr auf einzelne Länder und Regionen. Klimawandel, Hunger, Kriege, Gewalt und Zerstörung setzen Wanderungsbewegungen in Gang. Insgesamt befinden sich derzeit rund 120 Millionen Personen auf der Flucht.
Neben der Migration bringt auch der Tourismus Menschen aus unterschiedlichen Teilen der Welt zusammen. Europa kam im vergangenen Jahr auf mehr als 700 Millionen Reiseankünfte, was im globalen Vergleich etwa die Hälfte des gesamten Aufkommens ausmachte. Und die Erreger reisen mit.
Für Aufsehen sorgte im Oktober der Fall eines Medizinstudenten, der nach einem Aufenthalt in Ruanda nach Deutschland zurückkehrte und Symptome zeigte, die beim Marburg-Virus auftreten. Der Verdacht bestätigte sich nicht, führte den Menschen hierzulande jedoch vor Augen, dass gesundheitliche Vorsorge eine globale Aufgabe ist. Allerdings hielt die Aufregung nur kurz an.
Eine Impfung gegen das Marburg-Virus existiert bisher nicht, gegen andere übertragbare Krankheiten dagegen schon. Doch: „Wenn die USA ihre Beiträge an die Global Vaccine Alliance (GAVI) für Impfungen gegen Lungenentzündung oder Meningitis einstellen, werden auch wir mehr Erkrankungen durch diese Erreger sehen“, sagt Beate Kampmann. Die Rechnung, durch die Konzentration auf nationale Belange Geld zu sparen, geht nicht auf.

Kann die EU den Ausstieg der USA aus der WHO kompensieren?
Verstärkt wird der Effekt durch einen erschwerten Austausch von Informationen. „Wir werden nicht mehr so schnell auf Datensätze zurückgreifen können“, sagt Kampmann. „Krankheiten können uns schneller erreichen, weil wir schlechter informiert sind. Es sei denn, der EU gelingt es, auf diesem Gebiet den Ausstieg der USA zu kompensieren.“ Auf Berlin könnte dabei eine Schlüsselrolle zukommen. In Kreuzberg ist der WHO-Hub beheimatet. Er fungiert als eine Art Netzwerkknoten im weltumspannenden Gesundheitssystem und soll die Regionalbüros der WHO und nationale Agenturen miteinander verbinden, Wissenschaft, staatliche sowie nicht staatliche Akteure zusammenführen und ein Frühwarnsystem etablieren. Daten werden erfasst, freier Zugang dazu gewährt. „Für Influenza gibt es ein vergleichbares System bereits“, sagt Beate Kampmann.
Die Medizinerin hat mehr als 30 Jahre lang in Afrika und Großbritannien gearbeitet, hat unter anderem zu Infektionen und Immunität bei Kindern geforscht und ebenjenen Blick über nationale Grenzen hinaus, der nötig ist, um die Pandemien der Zukunft zu bewältigen. Sie arbeitete in London, als die Corona-Pandemie ihren Höhepunkt erreichte. Sie hat dort die Vorzüge eines Systems kennengelernt, mit dem Gesundheitsdaten erfasst und anonymisiert verarbeitet werden. Es ist – anders als in der föderal organisierten Bundesrepublik – zentralisiert.


