Spricht man mit mittelalten Rechtsanwälten, Unternehmensberatern oder Vertriebsleitern, dann geht es meist nicht mehr – wie vor einigen Jahren – um den neuesten BMW M3 oder Audi Quattro, sondern um die „Küche“. Denn das Statussymbol des erfolgreichen Mannes ist nicht mehr die dicke Karre oder der Weber-Grill, sondern die sündhaft teure Edelküche. Ganz gleich, ob der Mann jetzt wirklich kochen kann oder nicht.
Wer richtig kocht, der weiß: Viel Equipment und Zutaten braucht es nicht. Ein guter Koch kann auch auf einem Gaskocher und mit zwei Elektroplatten in der WG-Küche zaubern. Es gibt aber Dinge, die dürfen in der Küche nicht fehlen. Essenzielle Lebensmittel und Werkzeuge. Dinge, die man braucht, wenn schnell improvisiert werden muss. Grundsätzliches eben. Oder um einen Anglizismus der Jugendsprache zu benutzen: Essentials.
Wir präsentieren Ihnen in dieser Woche also unsere zehn Kitchen Essentials in Form von Lebensmitteln, die immer vorrätig sein sollten – und was man mit ihnen macht. Nächste Woche kommen wir dann zu den Tools, also den zehn essenziellen Werkzeugen. Kleiner Spoiler: Eine Kitchenaid oder einen Thermomix werden Sie vergeblich suchen. Los geht’s mit unseren Food-Essentials. Ich weiß, ein paar Sachen sind ziemlich abgedroschen, aber Sie müssen die Liste als Gesamtschau betrachten.
1. Tabasco – heißer Klassiker aus Louisiana
Ein absolutes Muss für mich. Die säuerlich scharfe Soße gibt es in mehreren Varianten. Das Original ist legendär! Doch der Familienbetrieb ist innovativ. Zwar werden noch heute alle Soßen, die weltweit verkauft werden, auf Avery Island (Louisiana, USA) hergestellt, doch gibt es eine beeindruckende Produktpalette. Besonders beliebt sind bei mir die Family Reserve (extra lang fermentiert). Sie kostet für 150 Milliliter 17,99 statt 9,99 Euro. Der satte Preisunterschied lohnt sich.

Ich verfeinere damit Tomaten oder Avocado, träufele die Soße auf gegrillten Halloumi oder gebe ein paar Spritzer in die Bolognese. Und dann gibt es die milde grüne Variante. Sie verfeinert Salatsaucen, würzt von der Pizza hin zu edlen Fischgerichten und Austern und ist beispielsweise ein essenzieller Teil vieler Steak-Tatar-Soßen. Ohne geht einfach nicht!
2. Dijon-Senf – scharfer König aus Frankreich
Senf muss man immer im Haus haben. Wir sind uns bewusst, dass es unzählige Varianten gibt: Bautz’ner Senf, Löwensenf, Schwerter Senf, ABB (mein Lieblingssenf aus Düsseldorf!) oder Händlmeier Weißwurstsenf, um nur ein paar zu nennen. Es kommt eben darauf an, wo und was man is(s)t.

Wer jedoch einmal die feinen Nuancen eines guten Dijon-Senfs kennengelernt hat, der gibt gerne zu, dass es sich hier um etwas Besonderes handelt. Mit etwas Öl, Honig, Pfeffer und Salz hat man schnell eine ganz einfache Vinaigrette. Und die schmeckt dank des französischen Allrounders genial. Und auch die guten alten deutschen Bock- und Mettwürste kann man in den französischen Senf tunken. Ein echter Kosmopolit also.
3. Mayonnaise von Thomy – besser geht’s nicht
Von dieser Wundercreme braucht man immer ein Glas oder eine Tube im Kühlschrank. Jetzt werden die Gourmets sagen: Ich esse nur selbst gemachte Mayonnaise, schlage meine immer mit einem frischen Ei auf. Wir sagen: Unsinn! Wenn Sie Gäste spontan zum Abendessen eingeladen haben, dann müssen Sie ohne Tennisarm Eindruck machen.

Sie braten also ein Entrecôte, schneiden es in schöne rosa Tranchen und servieren es mit Brot und grünem Salat. Dazu können Sie keinen Ketchup servieren. Also mischen Sie einen Teil Dijon-Senf und zwei Teile Thomy-Mayonnaise. Schon haben Sie eine Soße zum Fleisch. Wer die noch verfeinern will, gibt Cayennepfeffer oder Piment d’Espelette und einen Spritzer Zitronensaft, gehackte Kapern oder Schalotten dazu.
Und warum Thomy? Weil das die beste gekaufte Mayonnaise der Welt ist. Nicht nur wegen der Geschichte vom Thomy-Erpresser. Googeln Sie das mal! Ich weiß, jetzt kaufen bei Edeka alle Hellman’s, die Originale von McDonald’s oder die japanische Kewpie Mayonnaise. Das ist zwar ein Fehler, aber nicht so schlimm wie der Verzehr von Miracel Whip. Dieses Produkt ist nun wirklich würdelos.
4. Werder Ketchup – natürlich aus dem Osten
Was nun folgt, ist ja wohl klar: Ketchup! Der darf nun wirklich nicht fehlen. Wie soll man denn sonst eine gute Cocktailsoße machen? Ketchup und Mayo, zu gleichen Teilen gemischt, ergeben ja schon die einfachste Variante eben dieser Spezialität. Bei uns gab es das immer zu Fischstäbchen. Profis geben noch Zitronensaft, einen Schuss Cognac, Worcestersoße sowie etwas Meerrettich dazu und heben frisch aufgeschlagene Sahne unter.

Dazu gibt es dann natürlich Shrimps oder Krabben. Und eben diese Shrimps vertilgt der Ostküstenamerikaner mit einer ganz einfachen Soße aus drei Teilen Ketchup, einem Teil Sahnemeerrettich und Zitronensaft. Köstlich! Nicht zuletzt wird auch ein Steak Tatar hiermit angemacht, und auch beim Grillen oder einem Schweizer Fleischfondue geht es kaum ohne diese Soße. Ketchup-Anwendungen gibt es viele, Marken auch. Wir empfehlen nicht den von Heinz, sondern den von Werder Feinkost aus Werder an der Havel. Ein wahrhaftig regionales (DDR-)Produkt. Mehrfach prämiert, teilweise in Bio-Qualität und ohne Zuckerzusatz. Das dürfte auch Gesundheitsfanatiker überzeugen. Gekauft!
5. Meersalzflocken von Maldon – fragiler Crunch aus UK
Der Koch Thomas Keller hatte es schnell begriffen: Ein paar Flocken Meersalz machen nicht nur optisch viel her, nein auch geschmacklich verleihen sie vielen Speisen diesen fragilen Crunch, den wir alle so sehr mögen. Mit seiner „French Laundry“ hat er es bis in der Olymp der Köche geschafft: drei Michelin-Sterne. Neben ihm haben es nur eine Handvoll weiterer Autodidakten geschafft, wie etwa Sergio Herman, Nikito Romito oder der weltweit berühmte Massimo Bottura.

In allen Küchen finden sich Meersalzflocken. Für Kochwasser oder Salatsoßen sind sie zu schade. Die Flocken sind aber sozusagen das letzte Prozent an Perfektionismus. Das beste (in Pyramidenform) wird heute noch in Handarbeit an der englischen Küste hergestellt. Früher gab’s die Maldon-Flocken nur im Feinkostgeschäft, heute findet man sie sogar beim Rewe. Aber Vorsicht: Nur die weiße Variante kaufen. Die (beigen) geräucherten Flocken der gleichen Firma schmecken scheußlich.
6. Sojasoße von Kikkoman – Klischee pur
Kaum ein anderes Produkt verbinden die Deutschen derart mit „asiatischer Küche“. Bei all den Nachrichten über kulturelle Aneignung muss ich Angst haben, ob ich einen Shitstorm auslöse, wenn ich zugebe, mit Sojasoße zu kochen. Aber im Ernst, mittlerweile ist der Großteil der europäischen Bevölkerung erfahren genug, um zwischen chinesischer, japanischer, vietnamesischer, indischer und Thaiküche zu unterscheiden. Sogar die regionalen Landesküchen sind einigen schon bekannt.

Asien ist nun mal ein gewaltiger Kontinent, seine Küchen sind vielfältig. Sojasoße allerdings gibt es fast überall in Asien. Die beste aus dem Supermarkt kommt aus Japan und heißt Kikkoman. Um einer Hühnerbrust mit Gemüse und Nudeln aber den „asiatischen“ Anstrich zu geben, ist diese Soße unabdingbar. Was wäre Sushi ohne diese fermentierte Soße? Tomaten mit einigen Spritzern Sojasoße und gehacktem Koriander … Wir sagen: oberste Leckerstufe.
7. Sardellen & Ölsardinen – Umami aus der Büchse
Kleine salzige Sardellenfilets (italienische sind meist besser als spanische!) haben eine geschmackliche Tiefe, die ihresgleichen sucht. Und sie finden sich auch wieder in der komplexen Soße für ein Tatar. Und natürlich in vielen Pastarezepten. Meine einfachste Pastasoße besteht nur aus Sardellen, Knoblauch, Tomaten und Basilikum. Einfacher geht’s nicht, so viel Geschmack so schnell zu erzeugen.

Auf Instagram sind Sardellen aktuell besonders beliebt als Begleiter zu Burrata, angerichtet auf einem getoasteten Sauerteigbrot mit etwas Olivenöl und Zitronenabrieb. Was will man mehr? Nun ja, Pizza eben, dort dürfen Anchovis (wie sie auch gerne genannt werden) einfach nicht fehlen. Gekochte Eier mit Sardellen und etwas gehackter Petersilie. Knaller! Schauen Sie doch auf Instagram mal bei Julius Roberts rein, der kocht gerne mit den kleinen Fischlis.
Und Sardinen in Olivenöl? Die sind sowieso der Klassiker. Sie passen pur mit Zitrone beträufelt zur Brotzeit. Oder man kann damit die schnellste und einfachste Blechbüchsen-Pasta machen. Ich liebe die Ölsardinen von Ortiz aus Spanien. Es müssen nicht Jahrgangs-Sardinen aus der Bretagne für 10 Euro und mehr sein. Es gibt wirklich gute und günstige aus Portugal. Probieren Sie alle durch und wählen Sie Ihre Lieblinge!
8. Gute Öle – die heilige Dreifaltigkeit
Ein gutes Olivenöl, ein gutes Rapsöl und ein geröstetes Sesamöl, das habe ich immer da. Ohne diese Stars geht es in meiner Küche nicht. Olivenöl stößt alles in eine mediterrane Richtung, gutes Rapsöl schmeckt nach Norden. Ob Mozzarella, Pan con Tomate oder Ajoblanco – Olivenöl trägt immer zum Mittelmeergeschmack bei. Eine Salatsoße aus Rapsöl, Honig, Senf und viel Dill lässt uns gedanklich nach Schweden reisen. Dazu gibt’s Räucherfisch und Knäckebrot.
Und das intensive Öl aus geröstetem Sesam kann man wieder grob unter „Asien“ speichern. Dort findet es in vielen Landesküchen Anwendung, verzeihen Sie wieder die Verallgemeinerung. Mir schmecken Udonnudeln mit Gemüse und Hühnchen dann besonders gut, wenn ein Spritzer geröstetes Sesamöl, Limettenabrieb und Koriander dran sind. Das ist zwar eine asiatische Fantasieküche, schmeckt aber ganz ausgezeichnet.
9. Piment d’Espelette – der Allrounder
An seinem Geburtsort wird das Gewürz auch Ezpeletako Biperra genannt. Viele unserer Gerichte enthalten das rote Wunderpulver. Es stammt aus dem Baskenland, wo die für die Produktion notwendige Chilisorte Gorria kultiviert wird. Die Pflanzen haben ihren Ursprung wohl in Mexiko, wurden vor gut 500 Jahren nach Europa eingeführt. Streng kontrolliert wird das Gewürz hauptsächlich in der historischen Region Labourd hergestellt.

Es bereichert die Küche ungemein. Zwar ist das handwerkliche Produkt verhältnismäßig teuer, doch geschmacklich ist es unverwechselbar. Leicht scharf und dabei zugleich frisch und ein bisschen süß. Vor allem nicht so rauchig wie der weniger edle Cayennepfeffer. Baskenpfeffer verleiht so mancher Eierspeise das gewisse Etwas, passt ausgezeichnet zu Fisch und Meeresfrüchten und allem anderen oder findet Anwendung in Bayonnaise. Ja, Sie lesen richtig, das ist eine Art Mayo aus Bayonne im Baskenland.
10. Worcestersoße – die Unaussprechliche aus Dresden
Leider wird diese traditionelle Soße heute im Alltag nur noch wenig beachtet. Der Legende nach hat ein englischer Gouverneur die Soße einst aus Bengalen mitgebracht. Der kräftige und komplexe Geschmack lässt die meisten – noch so schlechten – Gerichte jedenfalls glaubwürdig erscheinen. Lea & Perrins, die Traditionsfirma für Worcester(shire)soße schlechthin, gab jedoch zu: Bei der Geschichte mit dem Gouverneur handelte es sich um einen PR-Gag. Die Soße wird dennoch nach wie vor nach dem ursprünglichen Rezept hergestellt.

Sie passt ebenso gut zu gebratenem Gemüse wie eine Sojasoße, verleiht vielen Wildsoßen ihre bestimmte Charakteristik. Sie kommt in eine Bloody Mary und in ein klassisches Caesar Dressing und gehört natürlich in Steak Tatar. Beliebt ist die Soße weltweit. Sie müssen nicht zum Original aus England greifen. Die Kopie aus der ehemaligen DDR schmeckt mindestens genauso gut: „Exzellent Worcester Sauce Dresdner Art“ wird noch heute produziert. Für uns ein Essential!

Haben Sie Fragen zu unseren Rezepten, Ideen und Wünsche für Geschichten oder einen Restauranttipp für uns? Dann schreiben Sie unserem Food-Chef Jesko zu Dohna auf Instagram oder per E-Mail: briefe@berliner-zeitung.de




