Berlin-Der Frühling ist nun fast da, und wie versprochen zeigen wir Ihnen, wie die ersten Naturprodukte des neuen Jahres jetzt zum Einsatz kommen. Der März ist nämlich der Monat der Lauchgewächse. Bärlauch, Knoblauch, Schnittlauch, Frühlingslauch, Porree und die absolute Königin in dieser Reihe: die nicht nur von den Franzosen so heiß geliebte Schalotte. Streng riechende Knollen und schnöder Lauch. Klingt erstmal nicht sonderlich verlockend, aber warten Sie mal ab, was gleich kommt.
Die Lauchgewächse, auch Zwiebelgewächse genannt, sind uns allen bekannt. Ihr strenger und scharfer Geschmack mit dem leicht schwefeligen Aroma ist nicht jedermanns Sache. Aber mit etwas Geduld, Wissen und Geschick kann man aus den Pflanzen einiges herausholen. Das wissen Sie ja spätestens, nachdem Sie eine Bolognese oder ein Gulasch eingekocht haben. Schließlich besteht ein echtes Wiener Saftgulasch aus genauso viel Zwiebeln wie Rindfleisch. Am Anfang denkt man: Oh Gott, wer soll denn die ganzen Zwiebelringe essen? Und wenn Sie dann nach sechs Stunden den schweren Deckel anheben? Oh Wunder! Alle Zwiebelringe haben sich in Luft aufgelöst, und es riecht nicht mehr scharf, sondern duftet wunderbar süßlich.
Auch die geschmackliche Vielfalt der Lauchgewächse wird Sie überraschen. Hat sie mich in der Kochlehre auch und tut das heute noch. Aber nicht nur als Nahrung dienen uns diese Pflanzen aus der Ordnung der Spargelartigen, sondern auch als Zierpflanzen. Vor allem zu Ostern schmücken Sie unsere Gärten. Und die Grenze zwischen Nahrungs- und Zierpflanze verschwimmt hie und da sogar. Beispielsweise beim Bärlauch, unserem ersten Protagonisten.
Gerade jetzt Mitte März taucht er als erster Frühlingsbote auf und ist bei vielen Gourmets sehr beliebt. Man sieht jetzt überall ältere Damen in den Parks, wie sie die quietschgrünen Pflanzen sammeln oder mit vollen Körben nach Hause radeln. Und man riecht es auch: Überall duftet es nach Spaghetti aglio e olio. Denn typischerweise für diese Jahreszeit macht man aus dem Bärlauch natürlich ein Pesto. Man kann einfach das Basilikum, das ja im Hochsommer bei uns reif ist, durch Bärlauch ersetzen, und schon hat man die frühe Variante.
Bärlauch-Pesto aus dem Tiergarten
Zutaten: Bärlauch, Haselnüsse oder Bucheckern, deutscher Hartkäse, Raps- oder Traubenkernöl, 800g Kartoffeln, 200g Mehl (doppelgriffig oder Farina de Grano Duro), 3 Eigelb, Salz & Pfeffer, Muskatnuss (ruhig ordentlich), Mehl für die Teigverarbeitung
Zubereitung: Substituieren Sie für das Bärlauch-Pesto doch mal anstelle von Pinienkernen, Parmesan und Olivenöl heimische Zutaten. Das spart sogar Geld, obwohl Haselnüsse ja 2019 auch mal ein Vermögen gekostet haben. Benutzen Sie also Haselnüsse, Bucheckern (erinnern Sie sich an die Rezepte aus der vergangenen Woche!), einen heimischen Hartkäse (Suchen Sie auf den Märkten, Sie werden was finden: Belper Knolle heißt einer) und ein frisches Raps- oder Traubenkernöl. Sie werden feststellen, dass das manchmal viel spannender schmeckt. Zumal auch Rapsöle inzwischen oftmals eine viel bessere Qualität haben als die Verwandten vom Appennin.
Und servieren Sie das Pesto dann mit Kartoffelnocken, auch Gnocchi genannt (wie die gehen, habe ich Ihnen in einem meiner ersten Rezepte verraten), dann hat man ein wunderbar regionales und saisonales Gericht. Aber auch einfach Bärlauch-Pesto mit jungen Kartoffeln und etwas Quark ist schon ein tolles Gericht. Und förderlich für die Strandfigur.
Eingelegte Bärlauch-Kapernäpfel
Nun aber zurück zu den verschwimmenden Nahrungs- und Zierpflanzen. Passen Sie den richtigen Augenblick ab, den nämlich, wenn der Bärlauch bereits Knospen hat, aber noch nicht blüht. Dann haben Sie die Möglichkeit, eine Art heimische Kapern zu machen.
Zutaten: Bärlauch-Knospen, weißer Essig (Weißweinessig), Salz, Zucker.
Zubereitung: Pflücken Sie die kleinen Knollen ab und rein in ein kleines Weckglas. Darüber kommt eine heiße Mischung aus Wasser, weißem Essig, etwas Salz und Zucker. Hier heißt es wieder abschmecken. Verschließen Sie das Glas, und dann drei, vier Tage einfach vergessen, dass Sie das gemacht haben. Dann sollte es Ihnen wieder einfallen. Und schon haben Sie einen kleinen, würzigen Ersatz für Kapernäpfel! Die können Sie sich auf Schinkenbrot oder auf einen Strammen Max legen oder so.
Bärlauch-Öl selbst gemacht
Zutaten: Bärlauch-Blätter, Traubenkernöl.
Zubereitung: Der Profi macht aus den Blättern des Bärlauchs ein frisches Öl. Dazu wird Öl (am besten ein Traubenkernöl) auf 65-70 Grad erhitzt, Blätter rein und pürieren. Anschließend schnell herunterkühlen, zum Beispiel in einem Eisbad. Durch ein feines Sieb oder Passiertuch geben, und schon hat man ein kräftiges Öl, welches wunderbar zu einem gedämpften Kabeljau mit etwas türkischem Ayran schmeckt. Ein simples Gericht, aber Weltklasse! Das esse ich regelmäßig.
Ein weiterer Bote aus der Familie der Lauchgewächse ist der Frühlingslauch, oder auf Rewe-Edeka-Deutsch Frühlingszwiebeln genannt. Diese dünnen, zwiebeligen Stangen lassen jedes gebratene Huhn oder Tofu mit Honig, Ingwer, Sojasauce und etwas Sesam zum Highlight werden. Einfach ein paar dünn geschnittene Röhrchen vom Frühlingslauch hinzugeben und fertig.
Udon-Nudeln mit Frühlingszwiebeln und Chili
Zutaten: Tiefgekühlte Udon-Nudeln aus dem Asiashop, Lao Gan Ma, Sesam, Frühlingszwiebeln, Öl.
Zubereitung: Ein einfaches Gericht aus meinem Repertoire sind in Öl gebratene Udon-Nudeln mit meinem legendären Lao Gan Ma-Chilicrunch, ein wenig buntem Sesam und Frühlingslauch. (Alle Zutaten findet man in besseren Asia Shops – die Udon am besten TK). Alles zusammen in der heißen Pfanne vermengt, ist wunderbar deftige und schnelle Küche. Und auch eher etwas für einen Katertag, wenn der schwarze Hund ums Haus läuft.
Gegrillte Frühlingszwiebeln
Auch bei Salaten oder zu einem gebackenem Feta mit etwas dünnen Gurkenscheiben zeigt der Frühlauch sich schon wieder von seiner leichten Seite. Auch später, in der Grillsaison, kann der Frühlingslauch den Speiseplan bereichern.
Zutaten: Frühlingszwiebeln, Olivenöl, Salz, Paprikapulver (am besten Piment d'Espelette).
Zubereitung: Gegrillt, anschließend mit etwas Öl, Salz und rauchigem Paprikapulver garniert eine willkommene Beilage. In Spanien hat das Tradition, in Katalonien gibt es im Frühling Volksfeste, bei denen der gegrillte Frühlauch in rauen Mengen über Holzkohle gegrillt und dann aus der Hand gegessen wird. Dazu gibt es Salvitxada oder Romesco, zwei klassische spanische Saucen auf Paprikabasis, die ein bisschen an Aivar erinnern. Man sieht, die Menschen wissen die Boten des Frühlings teilweise noch zu schätzen und zelebrieren sie regelrecht. Ich bitte Sie, das auch zu tun!
Nun aber weiter. Es kommt der Porree:
Gegrillte Porree-Herzen vom Feuer
Zutaten: Porree, Öl, Essig, Zucker, Honig, Salz, weißer Pfeffer
Zubereitung: Porree kann man ebenfalls wunderbar grillen oder in der Pfanne kontrolliert verkokeln lassen. Lassen Sie ihn auskühlen und dann schälen Sie die verkohlten Schichten ab. Wir wollen nur die rauchigen Herzen. Die schneiden wir mundgerecht, marinieren sie mit einem guten Öl, etwas Essig, ein wenig süß (Zucker, Honig, whatever), Salz und viel weißem Pfeffer aus der Mühle. Lassen Sie alles 2-3 Stunden ziehen (noch besser über Nacht) und servieren Sie den Porree-Salat dann lauwarm. Er ist köstlich zu einer deftigen Kalbszunge, aber auch wunderbar auf einem Sandwich mit Ei oder Dosenfisch.
Noch heiß ist Porree eine wunderbare Einlage zu einer schaumigen Suppe aus Kieler Sprotten. Sie erinnern sich, mein erstes Rezept! Aber auch pur ist dieser Salat einfach klasse.
Porree-Suppe für Dummys
Zutaten: Porree, Wachteleier oder Graupen oder Räucherforelle, Salz, Pfeffer und was man sonst so braucht für eine Suppe.
Zubereitung: In einer guten Brühe kann man den Porree auch einfach richtig garkochen. Püriert man dann alles, hat man eine schmackhafte Suppe. Als Einlage dazu gehen zum Beispiel gekochte Wachteleier. Oder gekochte Graupen und Stücke von geräucherter Forelle.
Und jetzt, endlich, kommt sie, die Schalotte. Die Königin unter den Lauchgewächsen. Die französische Küche kommt ohne sie kaum aus. Fast undenkbar.
Pissaladière oder Flammkuchen mit Schalotten
Zutaten: Schalotten, Butter, Thymian (frisch), Blätterteig kaufen oder Hefeteig selbst machen, Sardellen, schwarze Oliven
Zubereitung: Wer sich besondere Mühe macht, der schält ordentlich davon und schneidet feine Julienne. Diese werden mit reichlich Butter (viel Butter, viel lecker!) und Thymian geschmort, bis sie glasig werden und recht süßlich. Anschließend kommt diese „Pampe“ auf einen Blätterteig oder dünnen Hefeteig (ganz nach Ihrem Gusto). Garniert mit Sardellen und schwarzen Oliven wird dann alles im Ofen bei 180 Grad gebacken. In der Provence nennt man das Pissaladière.
In Baden ginge es mit Speck und Schmand einfach als Flammkuchen durch (natürlich hauchdünn), in der Pfalz als deftiger Zwiebelkuchen. Dazu ein Glas süße Spätlese oder Trockenbeerenauslese, wenn Sie das Geld haben. Was will man mehr. Sie sehen, das Konzept dieses Rezepts ist einfach. Und dem Kreativen fällt da sicherlich noch etwas ein. Wie wäre es beispielsweise mit einem Blätterteigstrudel, gefüllt mit Schalottenpampe, Kalbshack und frischem Oregano? Damit bekommt man auch eine Großfamilie schnell satt und glücklich. Und mit einem knackigen Salat als Beilage (beispielsweise einem Bittersalat) ist es sogar eine ausgewogene Mahlzeit.
Schalotten aka Röstzwiebeln
Zutaten: Schalotten, Mehl, Öl.
Zubereitung: Sie kennen ja vielleicht diese industriell hergestellten dänischen Röstzwiebeln aus dem Supermarkt. Wir alle haben sie heimlich im Schrank. Aber der Weisheit letzter Schluss sind diese Dinger nie gewesen. Daher: Machen Sie doch einfach selbst Zwiebelringe. Und zwar jetzt im Frühling nicht die dicken von der weißen Zwiebel, die schön braun gebraten mit Äpfeln auf Omas Kalbsleber oder Blutwurst lagen, sondern die edle Variante aus der Schalotte.
Schneiden Sie also die Schalotten einfach in hauchdünne Ringe und wälzen sie kurz in Mehl. Dann werden sie kurz bei 160 Grad in Pflanzenöl ausgebacken. Nur leicht bräunlich sollen sie sein. Und lassen Sie das Ganze auf Küchenpapier abtropfen. Und wozu werden diese edlen Ringe gegessen? Naja, sie sind so leicht und edel, da wird Ihnen bestimmt was einfallen.
Schnittlauch, der Allrounder der Deutschen
Abschließend noch zu einem sehr simplen Zeitgenossen: dem Schnittlauch. Der Schnittlauch verfeinert so manches einfache Gericht. Ein Rührei mit frischem Schnittlauch ist ja schon ein Hochgenuss für sich. Doch der kleine Alltagsbruder der Lauchgewächse hat mehr zu bieten. Wie oben mit dem Bärlauch beschrieben, kann man daraus ein wunderbares Öl machen. Macht man es richtig, hat man ein leuchtend grünes und echt rassiges, schmackhaftes Öl zum Dippen. Man könnte damit auch Nordseekrabben garnieren, oder später im Jahr ein paar Spritzer davon in eine Spargelsuppe geben. Sieht gut aus und schmeckt. Aber dazu kommen wir, wenn es soweit ist. Denn auch heute muss ich es leider wieder schreiben: Noch haben wir technisch gesehen Winter.
Felix Hanika war zunächst Investmentbanker, dann absolvierte er im Hotel & Restaurant Bareiss im Schwarzwald eine Kochlehre. Acht Jahre lang kochte er in den besten Restaurants der Welt. In der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung schreibt er regelmäßig über seine Lieblingsrezepte.
