In meiner Kindheit hing in der Küche immer ein Jutebeutel mit altem Brot. Es war auch noch in den 1990ern bei uns völlig normal, Brotreste, insofern sie gut getrocknet waren, denn sonst schimmeln sie, dort zu verstauen. Unsere Nachbarn und meine Schulkameraden schauten immer etwas verwundert.
Mein Vater, böhmischen Ursprungs und aufgewachsen in der bayerischen Oberpfalz, machte aus dem altbackenen Brot und den harten Sonntagsbrötchen dann gelegentlich Semmelknödel als Beilage für sein Szegediner Gulasch.

Von Hause aus wusste er noch mehr damit anzufangen. Gelegentlich gab es also auch Käse- oder Speckknödel mit „Schwammerln“, so nennen die Bajuwaren ja Pilze im Allgemeinen und Pfifferlinge, die sogenannten Eierschwammerln, im Besonderen. Mit der Zeit fanden immer mehr Kreationen ihren Weg auf unseren Tisch.
Breznknödel und Co.
Etwa sogenannte Breznknödel (aus Laugengebäck) mit Paprikarahm, Spinatknödel mit brauner Butter und ganz viel Parmesan oder Rote-Bete-Knödel mit pochierten Eiern. Alles wohlgemerkt hauptsächlich aus Brotresten.
In meiner Heimat, der nördlichen Lüneburger Heide, war das schon recht ungewöhnlich, denn dort verfüttert man altes Brot in der Regel in die allgegenwärtigen Pferde. Wegen der vielen Pferde allerdings gibt es auch viele lästige Fliegen in diesem Landstrich. Aber das ist ein anderes Thema.
Ich wuchs also damit auf, dass altes Brot noch eine weitere Verwendung hat und empfand das immer als recht normal, für Freunde und allerlei Besucher waren Semmelknödel jedoch ziemlich exotisch, aber immer eine große Freude. Und vor allem: sehr billig und super einfach zuzubereiten.

Wohl kein Essen ist günstiger als Semmelknödel
Später, dann, bereits als armer Student, bemerkte ich in Süddeutschland, dass Bäcker die Semmeln vom Vortag günstig verkauften oder als Paniermehl offerierten. In Norddeutschland sah man das, zumindest damals und auf dem Land, genauso selten wie Laugengebäck. Mir erschloss sich also anfänglich nicht ganz, warum man alte Semmeln kaufen sollte, es sei wohl für die Sparfüchse unter uns, glaubte ich naiv.
Erst als ich die Welt des heimischen Kochens für mich wiederentdeckte und „meines Vaters Knödel“ kochen wollte, verstand ich es.
Unter Knödeln oder Klößen – übrigens sind italienische Gnocchi auch kleine Kartoffelklößchen – versteht man meist eine aus Teig hergestellte, oftmals kugelförmige Speise, die in Salzwasser pochiert wird. Darauf können wir uns wohl einigen. Je nach Ausgangsmaterial unterscheidet man zwischen Kartoffelklößen, Grießklößen, Mehlklößen oder eben Semmelklößen.

Klöße oder Knödel ist die Frage
Aber warum unterscheidet man eigentlich zwischen Klößen und Knödeln? Der „Unterschied“ ist wohl rein etymologischen Ursprungs, also auf die jeweilige regionale Wortherkunft zurückzuführen. Grob könnte man sagen: Im Norden heißt es Kloß und im Süden eben Knödel. Dahinter steckt natürlich deutlich mehr, aber belassen wir es an dieser Stelle doch einfach dabei.
Im Hinblick auf Nachhaltigkeitsthematiken wie Food Waste und energie- sowie kosteneffizientes Kochen sind Semmelknödel übrigens echt spitze. Ungeschlagen eigentlich. Man kann zu Knödeln wunderbar gekochtes Gemüse essen; im Kochwasser des Gemüses, jetzt zum Beispiel grüner und weißer Spargel, einfach die Knödel aus altem Brot pochieren, und alles ist dann auch noch vegetarisch oder sogar vegan.
Dafür muss nicht einmal der Backofen angeheizt werden, und Sie brauchen nur eine Herdplatte und Topf für alles. Heureka! Dazu noch ein Bier von Knärzje, der ersten Zero-Waste-Brauerei Deutschlands, die nur aus altem Brot braut. Das klingt nach Biergarten 2.0 und schreit nach einem Rezept. Hier also meine Ideen für Sie.
Beginnen wir mit einem Grundteig und dann mit ein paar Ideen für tolle Abwandlungen. Wenn Sie einmal im Knödelfieber sind, fallen Ihnen bestimmt viele Varianten ein. Ob asiatisch, italienisch oder indisch. Alles geht. Schreiben Sie mir, welche Ideen funktioniert haben.

Semmelknödel Grundteig
Zutaten: 200 g altbackene Semmeln (in Berlin Schrippen), 150 ml Milch, 1 Ei (L), 1 Schalotte, 1 EL sehr fein gehackte Petersilie, Salz, Pfeffer, Muskat, 1 EL Butter
Zubereitung: Alles ordentlich vorbereiten, also die Schalotte in sehr feine Würfel schneiden und die Semmeln in dünne Scheiben, zwei bis drei Millimeter. Dann schwitzen wir die Schalotten in der Butter glasig an, löschen mit der Milch ab, kochen alles einmal kurz auf und würzen bereits mit Muskat und etwas Salz.

Die Semmelscheiben geben wir in eine Schüssel, darüber kommt dann die heiße Zwiebelmilch. Einmal schnell durchmischen, damit alles feucht ist, aber schnell abdecken und heiß ziehen lassen. Für gut 10 Minuten. Der Dampf der heißen Milch sorgt für eine gute Konsistenz der Teigmasse.
Wenn alles noch warm ist, das Ei und die Petersilie dazu geben und erneut mit etwas Salz und Pfeffer abschmecken. Dann die Knödel formen, etwas kleiner als eine Faust.
Kleiner Tipp hier: Sie müssen nasse Hände haben beim Knödelformen, so wird die Oberfläche schön glatt. Die Stärke aus dem Brot verschließt die Knödel von außen und schafft Stabilität.
Nun werden die Knödel in Salzwasser pochiert, auch hier ein Tipp: Das Wasser muss heiß sein, soll aber nicht kochen. Kochen Sie das Wasser also aus, dann den Herd abstellen, und sobald die Blasen verschwinden, kommen die Knödel rein. So ist die Temperatur gut. Anschließend den Herd wieder anschalten, um das Wasser nahe am Siedepunkt zu halten. Die Knödel müssen nur etwa zehn bis zwölf Minuten gar ziehen.
Spinatknödel, Speckknödel, Kasknödel
Nun der spannende Teil, also die Abwandlungen. Auf den Bildern sehen Sie meine Spinatknödel aus dieser Woche. Geben Sie dafür einfach ein bisschen gekochten oder sautierten Spinat in den Teig. Wie viel, entscheiden Sie! Gibt man der Masse gebratene Speckwürfel zu, hat man Speckknödel, würziger Alpenkäse ergibt Käseknödel.

Knödel mit Räucherlachs und Dill
Klassische Rezepte finden sich extrem viele. Aber was halten Sie denn von Räucherlachs und Dill? Ganz einfach, wir lassen den Muskat weg und würzen dafür mit dem Abrieb einer Zitrone. Die Petersilie substituieren wir durch ordentlich gehackten Dill und statt Speck geben wir drei bis vier Esslöffel Räucherlachswürfel hinzu.
Dazu gibt es Schmand mit Dill und Zitrone, wer mag, gibt noch etwas Lachskaviar hinzu. Als Beilage einen Salat mit Honig-Senf-Dressing. So nordisch gab es Knödel noch nie.
Blutwurstknödel
Wer es deftig und süß-säuerlich mag, gibt drei bis vier Esslöffel feine Blutwurstwürfel in die Knödelmasse und reicht dazu leicht marinierten Feldsalat mit Birne und Haselnüssen. Und vegetarisch? Drei bis vier Esslöffel angeschwitzter Lauch in der Knödelmasse, und dazu ein Pilzragout mit Bärlauchpesto. Alles eigentlich ganz einfach, und ich bin mir sicher, Ihnen fallen noch viele andere Varianten ein.
Haben Sie Fragen zu unseren Rezepten, Ideen und Wünsche für Geschichten oder einen Restauranttipp für uns? Dann schreiben Sie uns per E-Mail: briefe@berliner-zeitung.de






