Rezept der Woche

Stoppt die Optimierung! Alle wollen sich gesund ernähren. Die Rahmsoße ist trotzdem Trumpf

Nur 35 Prozent der Menschheit vertragen Laktose. Das sollten wir feiern: mit diesen Rezepten für Sahne und Rahm. Nur Mut zum Waschbärbauch.

Zürcher Geschnetzeltes mit Rahmsauce
Zürcher Geschnetzeltes mit RahmsauceIMAGO / Shotshop

Aber bitte mit Sahne! Udo Jürgens hat es schon 1976 gewusst: Sahne ist geil! Genau wie Butter übrigens, denn Fett ist, das würde auch Johann Lafer so sagen, ein Geschmacksträger. Udo Jürgens jedenfalls hat dem Lebensmittel gleich einen ganzen Song gewidmet.

Naja fast, denn eigentlich handelt das Lied davon, wie verfressen so mache Menschen ein Sahnetorten-Buffet stürmen und dass Fettleibigkeit wohl ein gesellschaftliches Problem ist. Da liegt der Udo Jürgens der 70er nicht weit vom derzeitigen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Letzterer mag ja auch keine dicken Kinder. Die Berliner Zeitung allerdings steht für body-positivity, wir sagen: Body-shaming geht gar nicht! Um es mal in der Sprache junger Neuköllner auszudrücken.

Jede Woche schreibt unser Koch Felix Hanika für uns die Rezepte der Stunde auf.
Jede Woche schreibt unser Koch Felix Hanika für uns die Rezepte der Stunde auf.Cachete Jack für die Berliner Zeitung

Also schaufeln oder löffeln Sie ihn in sich hinein, den Zaubertrank, welchen wir Menschen seit einigen Jahrtausenden dank der Viehzucht gewinnen. Denn richtig eingesetzt sind Sahne, Schmand und Crème fraîche einfach zu köstlich. Der Song „Aber bitte mit Sahne“ von Udo Jürgens schaffte es übrigens in die Top 5 der deutschen Charts und hielt sich dort ganze 23 Wochen.

Udo Jürgens gegen Cem Özdemir

2004, als der Begriff plant based alternatives wohl kaum schon geboren war, machte die Marke Rama gemeinsam mit Jürgens schon Werbung für einen pflanzlichen Sahneersatz. Jürgens sang damals also: „Aber bitte mit Rama“. Der scheidende hessische Ministerpräsident Roland Koch ließ das Lied übrigens 2010 auf seinem Großen Zapfenstreich spielen. Ob der Verteidigungsminister Boris Pistorius das heute noch bei Christine Lambrecht zulassen würde?

Der Song ist also bereits ein Evergreen, begleitet quasi jeden von uns irgendwie, aber im Vergleich zur Historie des Lebensmittels Sahne ist seine Lebensdauer lächerlich. Der amerikanische Journalist und Sachbuchautor Mark Kurlansky hat auf über 300 Seiten die Geschichte der Milch zusammengetragen, und diese ist eng mit der der Sahne verbunden.

Seit einigen Jahrtausenden verarbeiten wir Milch und damit auch die dazugehörige Sahne. Spannend in diesem Buch ist vor allem, dass die Bevölkerung Europas, Nordafrikas und des Mittleren Ostens wohl erst vor  gut 20.000 Jahren anfing, eine Laktose-Toleranz zu entwickeln. Vorher war es eigentlich nur während der Stillzeit, also als Säugling, möglich, Milch ohne Probleme zu verdauen.

Nur 35 Prozent der Menschheit können Sahne essen

Erwachsene produzierten später einfach keine Laktase mehr und konnten die Laktose, also den Milchzucker, der Rohmilch daher nicht mehr verarbeiten. Im übrigen können das heute auch nur gerade einmal 35 Prozent der Weltbevölkerung problemlos und das nur aufgrund eines Gendefekts, den alle Abkömmlinge der oben genannten Regionen zu haben scheinen. Schon irre!

Das hatte natürlich auch Einfluss auf die Lebensmittel und Produkte, die sich aus der Rohmilch über Generationen hinweg entwickelt haben, so Kurlansky. Für einige Asiaten ist es völlig undenkbar, vergorene Milch mit Schimmel zu essen, für uns ist das hingegen ziemlich normal – logisch, denn wir haben geringere Probleme mit Milch und uns nach und nach an die eigenartig erscheinenden Produkte gewöhnt. Wer liebt ihn nicht, einen richtig stinkenden französischen Stinkekäse.

Über die Jahrhunderte haben wir Europäer daraus sogar eine gewaltige Industrie gemacht, und Sahne ist ein großes Subsegment davon. Sie findet den Weg in allerlei Gerichte, teilweise ganz einfache. Kennen Sie Pappardelle alla Panna? Ursprünglich waren das Nudeln mit dicker Sahne, vielleicht mit einem Löffel Parmesan, einfacher geht es kaum.

Tortellini alla Panna, ein italienischer Klassiker

Oder Tortellini alla Panna? Fast genauso simpel. Panna cotta ist ein uraltes Rezept und einer der Küchenklassiker überhaupt. Heute gelegentlich abgewandelt, indem man die Sahne aromatisiert, etwa mit Kaffeebohnen oder Basilikum. Die berühmten römischen Maritozzi. Und natürlich gibt es kein Tiramisu oder Muckimisu ohne Sahne! Rahm verfeinert allerlei Suppen, bald ist es wieder soweit, und die Spargelzeit mit allerlei Spargelcremesuppen und Erdbeeren mit geschlagener Sahne kommt.

Tortellini alla panna
Tortellini alla pannaIMAGO / United Archives

Blaubeeren mit flüssiger Sahne und einem Löffel Zucker – es soll knirschen, soll meine Urgroßmutter gesagt haben – steht auch an, die Wälder sind voll mit den Beerensträuchern. Alles wunderbar einfache Genüsse! Komplexer wird es bei Gerichten wie Semmelknödeln mit Rahmpilzen oder Geschnetzeltem. Aber auch das ist eigentlich alles ganz einfach.

Man nehme also eine Grundsoße wie Kalbsjus oder Pilzfond und montiere die Sahne hinein. Geht auch mit Fischsoßen. Je besser die Grundsoße, umso besser die Rahmsoße. Das ist eine ganz einfache Gleichung. Denken Sie doch einfach mal an einen französischen Bistroklassiker, das Steak au poivre, das sind doch ein paar Basics, die da zusammenkommen. Steak mit Jus, Rahm und gestoßenem Pfeffer. Das beste Steak au poivre gibt es übrigens in der Paris Bar. Bestellen Sie bitte Pommes statt Gratin dazu!

Das beste Steak mit Pfeffersoße gibt es in der Paris Bar

Natürlich haben die Franzosen das Ganze wieder auf die Spitze getrieben und uns allerlei Rezepte mit der göttlichen Crème geschenkt. Hummerschaumsüppchen und Geflügelrahmsauce mit Morcheln, Sauce Albufera oder Sauce Cardinal, Blanquette, Profiteroles und so weiter.

Steak mit Pfeffersoße
Steak mit PfeffersoßeIMAGO / Shotshop

Weltweit bekannt natürlich die Schwarzwälder Kirschtorte (im übrigen sogar von den Franzosen als hinnehmbare deutsche Speise anerkannt, ob es wohl an all der Sahne liegt?), aber auch die Lübecker Nusstorte oder Friesentorte, die spanische Cardinal-de-Lloseta-Schnitte, welche der Erzherzog Ludwig Salvator von Österreich im Gepäck hatte, als er von der Balearen zurückkehrte.

Heute ist sie als Kardinalschnitte berühmt und gilt als österreichische Spezialität. Hinzu kommen allerlei Parfaits und sogar Cocktails wie Piña Colada, Brandy Alexander oder der durch den Film „The Big Lebowski“ berühmt gewordene White Russian.

Schwarzwälder Kirschtorte: ein deutscher Klassiker

Also, wer da nicht irgendwo einknickt und das „Sahnetortenbuffet“ stürmt, den will ich sehen!

Klar ist doch, Sahne ist eine essenzielle Zutat der klassischen Küche und auch heute ein Hochgenuss. Da wir uns hier nicht mit Gesundheit und Nachhaltigkeit beschäftigen, sondern mit Genuss, beleuchten wir heute mal nicht die Nährwerte und den CO2-Fußabdruck. Es sei aber erwähnt, dass es gute pflanzliche Alternativen gibt.

Schwarzwälder Kirschtorte
Schwarzwälder Kirschtorte

Für Sie nun zwei Klassiker. Der erste aufgrund der anstehenden Osterzeit, wobei der Name nur nach Ostern klingt, tatsächlich aber nichts mit Ostern zu tun hat. Es passt dennoch irgendwie.

Eine Esterhazy-Soße passt wunderbar zu Fleischgerichten wie Kalbsmedaillons oder Rindersteak. Abgewandelt mit Gemüsefond und Sahneersatz passt sie aber auch zu einem gebackenen Sellerie oder gebratenen Pilzen. Oder zu Nudeln.

Esterhazy-Soße

Zutaten (für 3-4 Personen): 100 ml Kalbsjus, 100 ml Rahm, 1 kleine Karotte, 1/8 Knollensellerie, 1/4 Lauch, 1 Spritzer Worcestershire-Soße, 1/2 TL Paprikapulver, Salz

Zubereitung: Wir waschen und schälen das Gemüse, stellen Bretter, Töpfe und so weiter bereit. Das Gemüse schneiden wir jetzt in feine Julienne, also dünne Streifen, circa fünf Zentimeter lang und einen Millimeter breit. Dann schwitzen wir sie in einer Pfanne mit ein wenig Butter und etwas Salz an. Bei geringer Hitze, das Gemüse soll bissfest garen, aber keine Farbe nehmen.

Parallel dazu schlagen wir etwa die Hälfte der Sahne steif. Die Jus erwärmen wir dann gemeinsam mit der restlichen Sahne und schmecken schon einmal mit der Worcestershire-Soße und dem Paprikapulver ab, ruhig kräftig, denn die geschlagene Sahne und das Gemüse kommen ja noch dazu. Ist das Gemüse gar, geben wir es zur Soße und ziehen abschließend die geschlagene Sahne darunter. Sie macht die Soße luftig und schaumig, das sieht ganz wunderbar aus und schmeckt himmlisch.

Tonkabohnen-Parfait

Zutaten (für 4-6 Personen): 4 Eier (M), 100 g Puderzucker, 1 Löffel Honig, 2 ganze Tonkabohnen, 400 g Sahne, 1 TL Öl oder ein wenig Butter

Zubereitung: Wir benötigen hier eine kleine Kastenform (etwa 20 Zentimeter lang). Wir fetten die Form aus, legen sie vorsichtig mit Frischhaltefolie aus und stellen sie dann erst einmal beiseite. Nun schlagen wir die Sahne steif und stellen auch diese zur Seite.

Die Tonkabohnen zerreiben wir in ein feines Pulver, zum Beispiel mit einer Mikroplane. Die Eigelb und den Puderzucker schlagen wir nun über einem heißen Wasserbad schaumig. Das klingt nach viel Arbeit, ist aber wirklich ganz einfach. Achten Sie nur darauf, dass das Wasser nicht kocht, denn sonst gerinnt die Masse.

Ist die Eimasse also schön schaumig geschlagen und gut warm (etwa 70 Grad), nehmen wir sie vom heißen Bad herunter, geben das Tonkabohnenpulver hinzu und schlagen sie kalt: also weiterrühren, bis die Masse kühl ist. Dann heben wir die Sahne darunter. Nun in die Kastenform abfüllen und ab in den Tiefkühler. Nach vier, fünf Stunden haben Sie ein wunderbares Parfait.

Felix Hanika: Koch aus Leidenschaft und Wahl-Mallorquiner, für den ein Pfund Butter sein Ein und Alles ist
Felix Hanika: Koch aus Leidenschaft und Wahl-Mallorquiner, für den ein Pfund Butter sein Ein und Alles istFelix Hanika

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Felix Hanika war zunächst Investmentbanker, dann absolvierte er im Hotel & Restaurant Bareiss im Schwarzwald eine Kochlehre. Acht Jahre lang kochte er in den besten Restaurants der Welt. In der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung veröffentlicht er regelmäßig seine Lieblingsrezepte.