Alle wollen in Berlin jetzt ein Katsu-Sandwich essen. Im Asia-Deli Dashi in Mitte gibt es das mit krossem Hähnchen, feinen Möhrenstiftchen und einer braunen Majo. Im angesagten Brunchlokal Sorrel in Kreuzberg gibt es Katsu als saftiges Schweineschnitzel. Klar, dass auch das November in der Husemannstraße, derzeit eines der aufregendsten neuen Berliner Lokale, auch ein solches Schnitzelchen als Sandwich auf der Karte hat. Dort bekommt man es mit einer japanischen Gochujang-Glasur. Was auch immer das ist, es klingt nicht nur fancy, sondern ist auch lecker.
Dabei ist das japanische Schnitzel in Berlin doch gar nichts Neues. Man kann das knusprig ausgebackene Vergnügen in Schöneberg sogar seit 1968 essen. Im Tori-Katsu in der Winterfeldtstraße frittierte ein gewisser Kaiza Murata schon Hähnchenschnitzel, das gab es in der Gegend sogar noch den Sportpalast (wo Joseph Goebbels nach Stalingrad 1943 seine Totaler-Krieg-Rede hielt), und die Berliner Polizei trug noch grün-kamelfarbene Uniformen. Der Wirt Herr Murata war ausgebildeter Koch und verkaufte 2018 seinen Laden – nach genau 50 Jahren.

Zum Glück gibt es das Tori-Katsu auch ohne den alten Japaner immer noch. Und die Einrichtung, etwas anderes konnte man den vielen Stammkunden nicht antun, ist immer noch so geblieben. Überall hängen die vielen handgeschriebenen Zettel des Schnitzel-Großmeisters an den Wänden, die sich lesen wie ein uraltes Rätsel oder doch nur aus Zeiten stammen, als man mit Google Translate noch nicht einmal einzelne Worte korrekt übersetzen konnte.
Die laminierten Sprüche stamme aus einer Zeit vor Google Translate
„Wundersuppe Kochmeisterin kochen schaff. geheimnis voll würzig Ausgewogen“ oder „So ist, einfach Wings of Tori-Katsu, bequem, außerdem so, lecker, Ich werde meinen Freunden zu erzählen. Wenn Sie nicht wissen, es ist Sünde. Praktisch einhandlich schmausen“ oder „Hausgemachte Kochkunst, sehr gutes Wohlbefinden 33 Minuten nach dem Essen.“ Aha, verstanden.



Und auch sonst ist immer noch die etwas putzige Liebe zum Detail im Geschäft zu spüren. Denn neben japanischen Prints von Katsushika Hokusai (1760 bis 1849) ist auch ein kleiner japanischer Schrein an einer der Wände zu bestaunen: Defekte Winkekatzen treffen auf tanzende Plastikblumen, Porzellanhähne und deutsche Bierhumpen aus Zinn. Auch die Tischdeko ist mit Liebe arrangiert. An jedem Platz flackert ein kleiner Papplampion in Form des Berliner Fernsehturms, mit einem Sockel aus einem Standard-Schnapsglas und einem Origami-Kranich oben drauf.
Doch die Gäste kamen und kommen ins Tori-Katsu nicht wegen der Inneneinrichtung, sondern einzig und allein wegen des Hähnchenschnitzels mit Reis, Krautsalat und Soße zum wirklich sehr kleinen Preis zwischen 6 und 8,80 Euro. Da ist sogar Kochen zu Hause teurer. Und so stehen mittags an einem Wochentag nicht Hipster aus Mitte und Friedrichshain hier Schlange, sondern Taxifahrer, Polizisten und die meist armen Bewohner der Sozialwohnungen des Pallasseums.

Das Schnitzel mit Bratensoße und Krautsalat für 7,60 Euro
Und die Hähnchenschnitzel des japanischen Imbiss sind in Form und angebotener Varianten perfekt auf die deutsche Kundschaft zugeschnitten. Die Schnitzel sind durch einen durch Herrn Murata patentierten Schnitt nicht nur besonders groß, man kann das Gericht neben der obligatorischen Sättigungsbeilage Reis und einem deutschen Krautsalat auch mit Bratensoße (7,60 Euro) oder mit Käse überbacken (8,80 Euro) bestellen. Wer lieber bei der klassischen japanischen Variante bleiben will bestellt das Ganze mit Soja-, Curry- oder Tarutaru-Soße (je 8,30 Euro).
Zwar gibt es beim Tori-Katsu auch noch andere Gerichte wie etwa japanische Suppen, Wan-Tan-Garnelen, Karaage, Leber-Curry oder Ente, der Kenner aber bestellt hier außer dem Katsu höchstens noch die riesige hausgemachte Frühlingsrolle (140 Gramm für 5,60 Euro) und verlässt den Laden zufrieden und ein paar hundert Gramm schwerer. Was will man mehr?

Die Frage ist nur noch: Wie uneingeschränkt kann man den kleinen Japan-Imbiss in der Winterfeldtstraße empfehlen? Ein Kollege etwa geht dort eigentlich immer nachts nach oder vor dem Exzess hin. Entweder um den Hunger nach dem Rauchen zu stillen oder um für die Grundlage davor zu sorgen. Und laut seiner Aussage kann man das nirgends in der Hauptstadt besser. Für ein Lunch unter der Woche ist das Tori-Katsu für Büromitarbeiter allerdings nur bedingt zu empfehlen: Es droht unmittelbares Food-Koma. Arbeiten Sie allerdings auf dem Bau oder verfolgen zu Fuß Strolche und Dealer, ist ein Katsu von Tori-Katsu die beste Wahl im Westen.
Bewertung: wohlwollende 4 von 5 Punkten!
Tori-Katsu, Winterfeldtstraße 7, 10781 Berlin, geöffnet täglich 11 bis 23 Uhr.
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