Food & Drink

Endlich eine Muschelbar um die Ecke – aber kann Berlin auch Moules Frites?

Miesmuscheln sind leicht zuzubereiten, doch die Grundzutaten müssen von hoher Qualität sein. Daran hapert es leider in einem neuen Laden in Prenzlauer Berg.

Moules Frites in rotem Sud mit Fenchelknolle, Sellerie, Weißwein, Pastis, Knoblauch und Tomaten.
Moules Frites in rotem Sud mit Fenchelknolle, Sellerie, Weißwein, Pastis, Knoblauch und Tomaten.Viktoriia Vanina/ Berliner Zeitung am Wochenende

Ähnlich wie Kapern, Koriander oder Harzer Käse sind Miesmuscheln nicht jedermanns Sache. Mehr noch, in der Frage „Muscheln essen – ja/nein“ teilt sich die Menschheit in drei Gruppen: solche, die sie nie anrühren würden, solche, die einmal schlechte Erfahrungen gemacht haben und sie seitdem nicht mehr anrühren, und solche, die sie lieben. Ein bisschen mögen gibt es hier meiner Erfahrung nach kaum.

Meine Mutter beispielsweise schüttelt es noch 60 Jahre später beim bloßen Geruch von Miesmuscheln, nachdem sie sich als 15-Jährige einmal nach einem Muschelessen übergeben musste. Ein Freund von mir könnte allein schon wegen der Konsistenz nie in diese beige-orangefarbenen Weichtiere beißen, ohne zu würgen.

Eine Muschelbar um die Ecke zu haben, wie sie kürzlich bei mir am Prenzlauer Berg eröffnete, ruft also nicht bei jedem Euphorie hervor. Bei mir schon.

Miesmuscheln sind die Helden unter den Meeresfrüchten

Was für eine grandiose Idee dachte ich, als ich von dem Konzept hörte. Denn in der Muschelbar gibt es, nun ja, was sonst bei dem Namen: Muscheln. Genauer Moules Frites, also Miesmuscheln mit Pommes, was in Belgien als Nationalgericht gilt und in Frankreich mal ein traditionelles Arbeiteressen war und nun ein einfacher Imbiss ist.

Wie andere Burger, so könnte ich Moules Frites mindestens einmal die Woche essen. Ich liebe Muscheln. Falls mir jemals eine verdorbene untergekommen sein sollte, habe ich es verdrängt. Für mich sind Miesmuscheln die Helden unter den Meeresfrüchten.

Südfranzösisches Bistro-Flair: die Muschelbar in Prenzlauer Berg
Südfranzösisches Bistro-Flair: die Muschelbar in Prenzlauer BergViktoriia Vanina/Berliner Zeitung

Es gibt Belege, dass sie schon seit Hunderttausenden Jahren von Menschen als Nahrungsquelle verwendet wurden. Seit dem 13. Jahrhundert werden sie – das ist urkundlich festgehalten – in unseren Breiten sogar gezielt kultiviert und in Muschelbänken gezüchtet. Dies geschieht meist an im Meer hängenden Seilen, wo sie sich mit ihren aus Muschelseide gebildeten Fäden anheften und von aus dem Wasser gefiltertem Kleinstplankton und Algen ernähren.

Ich kenne noch die Regel, dass man Muscheln nur in Monaten mit „R“ essen sollte. Damit ist die kältere Jahreszeit von September bis April gemeint, weil dort eine bestimmte Algenart nicht blüht, die sonst das Muschelfleisch vergiften würde.

Inzwischen ist diese Regel offensichtlich obsolet, was man an der ganzjährig geöffneten Muschelbar sieht. Ich habe gelesen, dass Muscheln heute nach der Ernte für einen gewissen Zeitraum in sauberem Wasser gelagert werden, damit sie eventuell vorhandene Algengifte ausscheiden. Das Ganze wird streng kontrolliert.

An einem wunderschönen Maitag sitze ich also in der Muschelbar, die leider erst um 17 Uhr öffnet. Für mich wären Muscheln auch das perfekte Mittagessen. Momentan wird dieser Ort überrannt, auf der Website steht der freundliche Hinweis, dass man derzeit an einem Reservierungssystem arbeite, weil man die Anrufe kaum bewältige. Daher schlage ich Punkt 17 Uhr hier auf, denn allzu viele Plätze hat dieser kleine Laden nicht, der zuletzt ein Israeli namens Pink Camel war.

Unverzichtbare Begleiter auch in der Muschelbar: Champagner und Weine
Unverzichtbare Begleiter auch in der Muschelbar: Champagner und WeineViktoriia Vanina/Berliner Zeitung

Moules Frites in vielen Variationen: Mit Weißwein oder als Thai-Version

Mit ein paar Handgriffen wurde umdekoriert. Die reproduzierte historische Judäa-Landkarte als Fototapete ziert zwar immer noch die Stuckdecke, doch am Boden sind nun südfranzösisch anmutende Fliesen verlegt und in den Wandregalen stapeln sich schwarze Muscheltöpfe. Alles wirkt ein bisschen improvisiert und daher gemütlich. Ich sitze an einem der Hochtische mit Blick in die Küche, durch die man übrigens auch geht, wenn man zur Toilette muss.

Die Karte ist schnell überflogen. Es gibt Moules Frites in fünf Variationen: Einmal „klassisch provençalisch“ mit Fenchel, Sellerie und Tomate in Weißwein und einem Schuss Pastis. Dann in „weißem Sud“ ohne Tomate und Pastis, dafür aber mit einer Weißwein-Wermut-Velouté und etwas Dill oder „à la maison“ mit Blauschimmel und jungen Erbsen.

Etwas experimenteller sind dagegen die Optionen „Riesenbohnen mit Muscheln in rotem Sud“ sowie eine thai-inspirierte Version mit Salbei, Koriander, Limette und Kokosmilch. Dazu gereicht werden jeweils Pommes oder extra auch eine Poutine. Das ist dieser Snack aus Kanada, bei dem über die frittierten Pommes noch Soße gegossen und Käse geschmolzen wird.

Frites und Muscheln: Eine Verbindung aus dem kulinarischen Paradies.
Frites und Muscheln: Eine Verbindung aus dem kulinarischen Paradies.Viktoriia Vanina/Berliner Zeitung

Der Service ist bei vollem Betrieb und in der Enge leicht überfordert, dafür aber ansteckend gut gelaunt. Der Drink, ein „Sellerie Sprizzz“ auf Eis mit Sekt, bei dem der Aperol durch einen mit Kombucha vergorenen Selleriesaft sowie einen Schuss Pastis ersetzt wird, schmeckt grandios. Bestimmt passt er auch perfekt zu meinen Muscheln. Ich habe mich für die im weißen Sud sowie die im Thai-Style entschieden, um sie zu vergleichen.

Viele denken, dass Muscheln irre kompliziert zuzubereiten sind. Mitnichten. Abgesehen vom Waschen der Miesmuscheln und Schnippeln der Zutaten, die dann alle mehr oder weniger zeitgleich in den Topf kommen, kann eigentlich nicht viel schiefgehen. Doch je einfacher das Gericht, umso besser müssen die Produkte sein – so lautet die unumstößliche Regel.

Leider hapert es daran in der Muschelbar. Die Bouchot-Muscheln aus Frankreich, die man gegen vier Euro Aufpreis bestellen kann, sind bei meinem Besuch aus. Die regulär verwendeten, sehr kleinen, fast fleischlosen Miesmuscheln sind jedoch von minderer Qualität und schmecken nach sehr wenig. Daher können sie auch kaum Muschel- und Meeresaroma abgeben, der weiße Sud schmeckt vor allem wässrig und nach Wein mit Wermut. Auch dem Gemüse darin fehlt es an Eigenaromen. Die Pommes, gefrorene Tütenware, sind vollkommen okay, können die Defizite der Muscheln aber nicht wettmachen.

Besser ist der Thai-Sud mit seinen leicht scharfen, grünen Currynoten, auch kriegt der Sud durch gehackte Erdnuss, Koriander, Salbei und Limette, die ich darüber ausquetsche, Kraft. Nur verschwindet dadurch der ohnehin sanfte Muschelgeschmack vollends.

Viktoriia Vanina/Berliner Zeitung

Trotzdem, ich bleibe dabei: Das Konzept der Muschelbar ist grandios, weil Muscheln so ein unkompliziertes, leckeres und geselliges Essen sind. Nur wünschte ich, man würde hier mehr auf die Produktqualität achten. Vielleicht sollte man doch auf die R-Monate warten für einen Besuch.

Denn es gibt noch einen zweiten Grund für die alte Regel: Miesmuscheln produzieren in den Sommermonaten Eier und Sperma. Das kostet die Muscheln viel Energie, weshalb sie im Mai, Juni, Juli, August einfach nicht besonders gut schmecken. Im Spätsommer ist diese Zeit vorbei, die Weichtiere sind wieder fleischig und rund, und die Muschelbar hat bis dahin bestimmt ein Reservierungssystem.


Preise: Moules-Frites-Variationen 16–18,50 Euro. Pommes, Poutine 4,50–9 Euro. Dessert 3,50 Euro

Muschelbar. Dunckerstraße 10, 10437 Berlin. Mittwoch bis Sonntag 17–22 Uhr, Tel. für Reservierungen: 030/634 12 066, www.muschelbar.com