Food & Drink

Restaurant Trio: Schluss mit Schnickschnack

Das Trio steht für einen Wendepunkt in der Berliner Gastronomie: Vorbei die Zeiten des prätentiösen Theaters um das Essen, die Lebensfreude steht wieder im Vordergrund.

In der Gaststätte Trio: So sieht sieht sie aus, die neue Lust an der Einfachheit.
In der Gaststätte Trio: So sieht sieht sie aus, die neue Lust an der Einfachheit.Robert Rieger

Es ist nicht übertrieben, wenn ich schreibe, dass ich wochenlang Jagd auf einen Platz im Trio gemacht habe. Dabei handelt es sich keinesfalls um eine Lokalität auf der World's 50-Best-Restaurants-Liste. Auch gibt es hier keine Michelin-Stern-prämierte Küche. Vielmehr stehen Eiersalat, Backhendl und Milchreis auf der Karte dieses ziemlich schmucklosen Lokals, das sich als zeitgemäßes Wirtshaus versteht.

Doch seit das Trio Anfang März eröffnet hatte, guckte ich täglich auf die Reservierungsseite, wo man einen Monat im Voraus buchen kann. Ich war flexibel: Ob 18, 18.45, 20 oder spätestens 21.45 Uhr – egal welche Uhrzeit –, im März und April war an den Öffnungstagen Freitag bis Montag nie etwas frei. Dutzende Male trug ich mich auf der Warteliste ein, nur um dann, wenn eine E-Mail meldete, dass ein Tisch frei geworden sei, unter dem angehängten Link zu erfahren: Leider sei der Platz schon wieder vergeben.

Keine Michelin-Stern-prämierte Küche, sondern Eiersalat, Gurken und Co.
Keine Michelin-Stern-prämierte Küche, sondern Eiersalat, Gurken und Co.Robert Rieger

Am Ende mailte ich die PR-Agentur an, die dieses so begehrte Wirtshaus hinter der Volksbühne vertritt. Ich schrieb, ich zahle selbstverständlich selbst, würde nur um etwas Hilfe bei der Tischreservierung bitten. Danach ging es schnell, und ich saß vergangene Woche endlich im Trio.

Schluss mit fermentiertem Quatsch!

Gefühlt war ich die letzte Gastrokritikerin in dieser Stadt, die noch nicht im Trio gegessen hatte. Sie können nun zu Recht fragen, warum ich Ihnen unbedingt von diesem Wirtshaus erzählen möchte, in dem man keinen Tisch kriegt und das offenbar keine Gäste mehr braucht. Nun, es gibt mehrere Gründe. Der wichtigste: Das Trio steht für eine neue Entwicklung, die Berlin gerade durchmacht. Womöglich sogar einen Wendepunkt, von dessen Existenz ich mich selbst überzeugen wollte.

Denn ich glaube, die immer weitere Verfeinerung und ans Obsessive grenzende Beschäftigung mit Essen und seinen Ausgangsprodukten hat ihren Zenit erreicht. Jahrelang haben sich die gastronomischen Neueröffnungen in dieser Stadt vor allem an ihren Tellern messen lassen wollen. Wir Gäste wurden oft zugetextet, von welchem Acker dieses oder jenes Stückchen Fleisch und Gemüse stammt. Auf sehr aufwendigen Tellern bekamen wir Brandenburger Rübchen fermentiert, geräuchert, in Aschemantel oder in Salzkruste veredelt. Uns wurde genau erklärt, wie das Dashi, der nachhaltige Zucht- oder handgeangelte Meeresfisch verarbeitet werde.

Auch wenn das Trio als „Wirtshaus“ bezeichnet wird – dunkelbraun-bierselig ist hier nichts.
Auch wenn das Trio als „Wirtshaus“ bezeichnet wird – dunkelbraun-bierselig ist hier nichts.Robert Rieger

Nun scheint Schluss damit. Die Lebensfreude beim Essen und nicht das Essen selbst wird im Restaurant neuen Typus wieder in den Mittelpunkt gerückt. Im Nobelhart & Schmutzig ist jetzt jede Woche Fettschnitzelmittwoch. Andere Neueröffnungen wie etwa das Frederick's und Bertha setzen von Vornherein mehr auf die Stimmung als auf perfekte Inszenierung.

Auch das Trio steht meiner Meinung nach für diese neue Lust an der Einfachheit. Zu fairen Preisen gibt es die laute, quirlige Umgebung gratis dazu. Bei meinem Besuch rennen gleich mehrere Kinder um die zentrale Holztheke in der Mitte des Raumes.

Auch wenn das Trio gern als „Wirtshaus“ bezeichnet wird, rustikal gemütlich ist an dem in Grün-Grau gestalteten Laden mit freiliegenden Rohren und großer Fensterfront nichts. Nur die Speisekarte rechtfertigt den Vergleich, denn die muss niemand groß erklären. Höchstens der Handkäs – ein ziemlich fettarmer, mit Zwiebeln, Essig und Kümmel servierter Käse aus Magerquark – ist jüngeren Gästen eventuell kein Begriff. Ansonsten ist klar, was man sich unter Eier-, Matjes- oder Wurstsalat, einer Frittaten-Brühe, Senfeiern, einem Gulasch oder Backhendl vorstellen kann. Dass die Produkte allesamt von ordentlichen Erzeugern stammen, wird als selbstverständlich gesehen und nicht eigens erwähnt. Ebenso fehlt eine Aufzählung jedes einzelnen Kräuterblättchens als Zutat.

Dreiklang aus Apfel, Sauerrahm und Salzhering

Ich beginne meine Erkundungstour, wie diese neue Reduktion aufs Wesentliche schmeckt, mit Brot und Essiggurke. Danach hoffe ich, dass es nicht ganz so durchschnittlich weitergeht und wünsche mir schon die verfeinerten Teller zurück. Die zwei daumendicken Roggenbrot-Stücke lagen schon ein wenig und sind, um in der Wirtshaussprache zu bleiben, furztrocken. Der Meerrettich zur sauren Essiggurke ist nicht flockig, sondern eine holzige, zähe Scheibe von der Wurzel. Meine Enttäuschung währt indes nicht lange.

Danach kommen der bestellte Matjes- und Eiersalat. Letzterer ist zwar etwas salzig, aber geschmacklich so rein in seinen Aromen nach Ei, Mayo, Senf und Schnittlauch, wie ich ihn von meiner Oma kannte, bevor sie in hohem Alter mit Fertigprodukten schummelte. Ohne Chi-Chi und jegliche Neu-Interpretation ist auch der Matjessalat umgesetzt, mit einem perfekt austarierten Süß-sauer-salzig-Dreiklang aus Apfel, Sauerrahm und Salzhering.

Klassisch: Zartes Fleisch, aber keine knusprige Haut: die Forelle Müllerin
Klassisch: Zartes Fleisch, aber keine knusprige Haut: die Forelle MüllerinRobert Rieger

Normalerweise macht man hier bei maximal zwei Tellern Schluss, weil man satt ist. Ich probiere aus Berufsgründen jedoch noch die Forelle Müllerin Art und das Szegediner Pilzgulasch. Die junge, eher kleine Forelle hat maximal kurz gebratenes, zart süßlich schmeckendes Fleisch. Ich vermisse aber die knusprige Haut, die ich an dem Gericht so liebe. Hier scheint der Fisch nicht vorher durchs Mehl gezogen und kräftig in Butter gebräunt. Braune Butter allerdings gibt es reichlich – pur als Soße mit ganzen Haselnüsse darin, was für meinen Geschmack etwas zu grob ist. Wünschenswert neben den Salzkartoffeln wäre auch ein grüner Salat oder etwas Frisches.

Im Hinblick auf die wärmere Jahreszeit ist dies generell meine Kritik: Die Karte ist winterlich schwer. Statt Pilzgulasch mit Knödeln, obwohl geschmacklich sehr gut, wünschte ich mir jetzt auch in einem Wirtshaus leichtere Kost, etwa Saisonales wie Spargel.

Interessant scheint mir auch, dass hier Tierisches klar im Mittelpunkt steht. Man könnte auch sagen: Das Team vom Trio bringt das Fleisch zurück, obwohl hinter dem Restaurant einer steht, der die Entwicklung hin zur oft fleischlosen Produktküche für Berlin mächtig vorangetrieben hat: Teil des Inhabertrios ist nämlich Vadim Otto Ursus, dessen weiteres Restaurant Otto für naturnahe, saisonale Teller mit viel Gemüse, oft veredelt durch Fermentationstechniken, steht.

Dessert bedeutet hier: Apfelstrudel
Dessert bedeutet hier: ApfelstrudelRobert Rieger

Doch was auch immer dieser Koch mit seinem Team anfasst, ist der neue Zeitgeist. Bei nur vier Posts hat das Trio bereits fast 7000 Follower auf Instagram. Kein Wunder, dass man hier keinen Platz bekommt. Ich habe gerade geguckt: Für Mai sieht es etwas besser aus. Auch weiß ich jetzt: Die 15 Plätze an der Theke bleiben für spontane Gäste frei. Vielleicht haben Sie ja Glück oder Zeit, auf Platzjagd zu gehen.


Vorspeisen und Suppen 3–10 Euro, Hauptspeisen 11,70–29 Euro, Nachtisch 5,20–8,60 Euro

Trio. Linienstraße 13, 10178 Berlin, Fr–Mo 18–23 Uhr, www.trioberlin.net, info@trioberlin.net