Food & Drink

Restaurant Volk: Meeresfrüchte und Gastfreundlichkeit in Mitte

Meeresfrüchte in allen Variationen, Hummer, Fisch und Muscheln - das Restaurant Volk setzt Standards, auch dank der Herzlichkeit seiner Betreiber.

„Plateau De Fruits De Mer“

im Restaurant Volk - kann es besser werden? Wir finden nicht.
„Plateau De Fruits De Mer“im Restaurant Volk - kann es besser werden? Wir finden nicht.Volk Restaurant

Kurz nach der Jahrtausendwende bezog ich eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, in dem bereits zwei befreundete Paare wohnten. Wir mochten uns gerne, hatten uns früher oft gegenseitig eingeladen, dabei viel getrunken, gelacht und zusammen gekocht. Komischerweise entspann sich, sobald wir so nah unter einem Dach wohnten, ein seltsamer Wettbewerb zwischen uns. Er bezog sich vor allem auf unsere Küchen. Irgendwie wollte jeder die individuellste und schönste Ausstattung haben.

Der französische Partner meiner Freundin mauerte die Küchenunterschränke selbst und schliff eine Platte aus Bankirai-Holz, der Engländer im Freundeskreis importierte einen Ascot, diesen sauteuren und sauschweren Landhaus-Ofen. Und wir alle schafften uns jede Menge Küchengeräte an. Es war uns ernst damit, voreinander jedoch scherzten wir darüber. Eine Zeitlang etwa schenkten wir uns gegenseitig immer abstrusere Küchenutensilien zu Weihnachten und kürten das überflüssigste dann an Silvester.

Austern, Ceviche und Steak

Ich weiß noch, dass einmal, es muss etwa im Jahr 2004/05 gewesen sein, ein Austernöffner gewann. Ein seltsames, kurzes Messer mit Griffschutz und extrem dicker Klinge, damit diese beim Aufhebeln der Schalen nicht bricht. Keiner von uns aß damals regelmäßig Austern. Wie auch? Man hätte extra bis ins KaDeWe oder auch in die Galeries Lafayette fahren müssen.

Das alles ist lange her. Austern sowie andere Meeresfrüchte gehören zwar nicht zur Alltagsverpflegung der Prenzlauer Berg-Bewohner, so versnobt ist es dann doch nicht. Aber es gibt inzwischen genügend Anlaufstellen, wo man das Zeug bekommen kann – sei es im Mitte Meer, dem Fischhandel Fish No.1 und natürlich einigen Restaurants.

Hedonistisch wie ich bin, freut mich das.

Einer der ersten Orte im Osten war das 2011 eröffnete und längst wieder geschlossene Bebe Rebozo auf der Heidestraße, in dem es nur Austern, Ceviche und Steak zur Auswahl gab. Im Jahr 2019 machte das Restaurant Volk auf der Brunnenstraße auf, das französische Austern und Champagner servierte. Damals war das letzte besetzte Haus neben dieser kleinen Austernbar gerade von 600 Polizisten geräumt und am gegenüberliegenden Weinbergspark das runtergeranzte Dönerbüdchen geschlossenen worden. Die letzten Eruptionen einer Straße, die endgültig in der neuen Zeit angekommen war.

Ich verteidigte das Volk in meinem damaligen Text. Erstens was die Wahl des für uns geschichtlich schwierigen Namens angeht: Er war von einer Französin, Tochter einer zweifachen Pariser Sterneköchin, sowie einem New Yorker DJ gewählt worden. Beide dachten sich nichts dabei. Außer dass er kurz, einprägsam und irgendwie sehr deutsch klang.

Zweitens aber verteidigte ich das Volk gegen den Vorwurf, ein Luxusrestaurant zu sein: Margaux Arabian, so heißt die Tochter der Sterneköchin, hatte das Volk aus Liebe aufgemacht. Aus Liebe zu dem DJ Oliver Chesler, der bereits in Berlin lebte. Das winzige Restaurant fühlte sich wie das Wohnzimmer des Paares an, das scheinbar eine Riesenfreude daran hat, Gäste einzuladen und sie zu bewirten. Die Preise waren angesichts des hohen Wareneinsatzes sehr fair, ich fragte mich damals, wie sich das für die beiden rechnen kann. Auch sie glaubten nicht daran, dass das Volk langfristig funktionieren kann, verriet Chesler kürzlich.

Doof aber hier einfach treffend: „lukullisch“

Doch das tat es. Seit letztem September hat das Volk, das vormals nur ein paar Quadratmeter Gastraum hatte, erweitert und den Laden daneben angemietet. Dieser stand leer, und ehrlich gesagt tut er das im Grunde immer noch.

Natürlich stehen jetzt Tische und Stühle drin, eine Jukebox nebst Bar, ein paar knallbunte Lichtquellen und Kerzen, aber ansonsten ist er vor allem weiß, was ihm den Flair eines New Yorker Lofts aus den 70er-Jahren verleiht. Leider ist der Gastraum aber auch etwas zugig, denn die Küche ist nach wie vor in der kleinen Volk-Austernbar nebenan geblieben. Für jeden Teller muss der Service rein und raus.

Schnecken - die 80er Jahre lassen schön grüßen!
Schnecken - die 80er Jahre lassen schön grüßen!Viktoriia Vanina

Bei meinem ersten Besuch in der neuen Location bediente Oliver Chesler selbst. An diesem Sonntagabend ist er ausgebombt, was am neuen Brunch liegt, der jetzt immer sonntags im Volk stattfinde. Kein Fitzelchen Brot sei mehr übrig, erklärte er. Very sorry. Und von der auf Fisch, Meerestiere und Muscheln sowie eine Handvoll französischer Gerichte spezialisierten Karte sei auch nicht mehr alles erhältlich.

Immerhin waren die Moules de Bouchot, eine kleine Miesmuschelart aus der Bretagne in Weißweinsud, noch zu haben. Ebenso eine Auswahl an Käsen, für die er irgendwie noch ein letztes Croissant auftreiben konnte. Leider sind mir die Namen dieser sehr französischen Weich-, Rotschmier- und Hartkäse entfallen. Unvergesslich bleibt jedoch deren Geschmack, der gerade noch so rassig war, dass er als genussvoll durchgeht.

Es wurde eine Mahlzeit, für die der doofe Zusatz „lukullisch“ einfach zutrifft. Ein Fest der Sinne, so erlesen wie unerwartet: Die kleinen, eher festeren Miesmuscheln waren unglaublich intensiv im Geschmack, der Wein-Muschel-Sud mit feinst gewürfeltem Gemüse ein Meer zum Auslöffeln. Ich wusste, dass das Volk inzwischen auch andere Restaurants mit seinen verschiedenen Austernarten und Muscheln, Fisch und Meeresgetier beliefert, da die beiden Gastronomen in Frankreich hervorragende Quellen haben und sie mit einem restauranteigenen Bus direkt von dort importieren.

Daher kam ich einige Wochen darauf erneut, um eine der berühmten Meeresfrüchte-Etageren zu probieren. In Paris beinahe Standard, in Berlin sehr selten im Angebot: Auf zwei Etagen und Eis angerichtet versammeln sich die frischesten verschiedenen Austern, Langusten, Wellhorn- und Strandschnecken, Shrimps, ein halber Hummer sowie – eigentlich unüblich – etwas Lachs-Ceviche, geräucherter Hering sowie ein extra Schälchen mit frittiertem Fish and Chips. Herrlich, wie viel man hier pulen und popeln kann, um das hart erarbeitete Meeresfleisch entweder mit hauseigener Mayo, etwas Zitronen-Mignonette oder einfach Baguette mit Rohmilchbutter zu essen.

Mir ist jetzt klar, was in meiner eigenen Küche noch fehlt: Eine dieser dünnen Gabeln, die wie Spieße aussehen und vorne zwei winzige Zinken haben. Auch Hummergabel genannt.


Speisen: Kleine Gerichte, Käseplatte 10–16 Euro, Hauptgerichte 24–27 Euro, Seafood-Platters for 2 zw. 105–160 Euro, Austern pro Stück 2–5 Euro, Desserts 12 Euro

Volk. Brunnenstraße 182, 10119 Berlin, täglich ab 17 Uhr, Samstag und Sonntag ab 10 Uhr, Tel.: 0173 6863883, info@volkmitte.de, volkmitte.de