Rezept der Woche

Zarter Maibock: Warum Wildfleisch im Frühling und Sommer ein echtes Superfood ist

Bei vielen Deutschen sind Rehrücken, Damwild-Schnitzel oder Wildschwein-Frikadellen verpönt. Zu Unrecht, denn richtig zubereitet ist Wild nicht nur gesund, sondern auch sehr edel.

Wildfleisch ist aus der Mode, dabei schmecken Hirsch, Reh und Wildschwein oft besser als Rind und Hausschwein. Probieren Sie es vor allem im Sommer!
Wildfleisch ist aus der Mode, dabei schmecken Hirsch, Reh und Wildschwein oft besser als Rind und Hausschwein. Probieren Sie es vor allem im Sommer!imgao

Wildfleisch mag nicht jeder. Galt es früher mal als edelstes Fleisch überhaupt, steht es seit Jahrzehnten im Ruf, einen strengen Geschmack zu haben oder sogar muffig zu schmecken. Auch die Hygiene bei der Verarbeitung wird regelmäßig hinterfragt, und ob das Fleisch nicht eigentlich mit Schadstoffen und radioaktiv belastet sei.

Und muss man heute auf wilder Flur noch Tiere mit dem Gewehr erschießen? Ist das nicht grausam? Und stimmt es, dass Wildfleisch klimaneutral ist?

Jede Woche schreibt unser Koch Felix Hanika für uns seine Rezepte der Woche auf.
Jede Woche schreibt unser Koch Felix Hanika für uns seine Rezepte der Woche auf.Cachete Jack für die Berliner Zeitung

Zum Glück herrscht in unserem Land Meinungspluralität und das ist auch gut so, doch gibt es auch weitestgehend einen Konsens darüber, dass wir sorgsamer mit der Natur und mit unserem Planeten umgehen müssen. Wildfleisch kann da schon einen kleinen Beitrag leisten, denn es ist eine natürlich nachwachsende Ressource.

Es gibt so viele Rehe und Wildschweine in Deutschland wie wohl nie zuvor

Und in Zeiten von intensiver Landwirtschaft gibt es derzeit in Deutschland wegen des Nahrungsangebotes so viel Wild wie gefühlt noch nie in der Geschichte. Und weil Rot-, Dam- und vor allem das süße Rehwild auch gerne im Wald Knospen anknabbert, fordern Naturschützer und Förster seit Jahren (um den durch den Klimawandel und den Borkenkäfer arg dezimierten Wald zu schützen), das Wild straff zu bejagen. 

Und wo sollte dieses feine Fleisch, das gut abgehangen so viel Aroma hat und nach dunkler Waldlichtung oder frisch gemähter Wiese schmeckt, landen? Natürlich auf Ihrem und meinem Teller. Denn gut und modern zubereitet, ist ein schöner Rehrücken oder ein Damwildsteak das Beste, was Sie Ihrem Gaumen und Ihrem Körper antun können.

Welches Tier hatte schon ein besseres und entspannteres Leben als eine richtig dicke und glückliche Wildsau?
Welches Tier hatte schon ein besseres und entspannteres Leben als eine richtig dicke und glückliche Wildsau?imago

Das meiste Fleisch wird regional vermarktet und landet auf dem heimischen Tisch, bei Freunden oder in nahegelegenen Restaurants oder Metzgereien. In Berlins Biomärkten gibt es inzwischen eine große Auswahl. Die Tiere wachsen bei uns in ihrem natürlichen Habitat auf, der stressige Weg zum Schlachthof bleibt ihnen erspart.

Am besten schmeckt Wildfleisch im Sommer

Besser als Massentierhaltung und Schlachtung am Fließband ist das allemal. Am besten schmeckt Wild im Sommer, weil es dann nicht auf Gesellschaftsjagden getrieben und geschossen wurde. Generell gilt bei Wild: No stress, viel lecker! Seit rund einem Monat dürfen wieder Rehe geschossen werden. Das Fleisch ist also von dieser Saison, jetzt ist die beste Zeit, es zu essen. Auch weil man jetzt besonders den Frühling und das frische Grün im Fleisch schmeckt.

Eine Sache sollten Sie beachten: Kaufen Sie heimisches Wildfleisch. Es gibt im Großhandel zwar oft Hirsch- und Hasenfleisch aus Neuseeland für umgerechnet die Hälfte zu kaufen. Das schmeckt allerdings weniger gut, weil es in Neuseeland für Hirsche eigentlich zu warm ist. Das Fleisch ist zu weich und schmeckt langweilig. Außerdem wollen wir ja die hiesigen Produzenten unterstützen.

Mittelalterliche Buchmalerei: Französische Jagdszene aus dem 14. Jahrhundert.
Mittelalterliche Buchmalerei: Französische Jagdszene aus dem 14. Jahrhundert.imago

Und das Fleisch ist gesund, was total nachvollziehbar ist, denn die Tiere wachsen in der Natur auf, leben in der Regel länger als die turboschnell hochgezüchteten Masttiere. Unsere Kulturlandschaft ist für viele Arten ein Paradies, andere Arten finden Unterschlupf in unseren weitläufigen Wäldern und Naturschutzparks.

Wildfleisch ist reich an Vitaminen und Omega 3

Wildfleisch ist grundsätzlich sehr eiweißreich, mager und liefert viel Eisen, Selen und Zink, was förderlich für unser Immunsystem ist. Wildschwein zum Beispiel hat viel Vitamin B12 bei nur etwa der Hälfte des Fettgehalts eines normalen Hausschweins. Reh-, Dam- und Rotwild hat nur rund ein Drittel des Fettgehalts im Vergleich zum Rind. Diese Fette sind dann sogar besonders gut und in einem besonders förderlichen Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren.

Und was ist mit der Hygiene und Belastung? Jäger sind gut geschult, deutlich besser, als man glaubt. Wildschweine müssen veterinärmedizinisch auf Trichinen untersucht werden, und es gelten bestimmte Hygienevorschriften wie beispielsweise getrennte Kühlräume und separate Verarbeitung, um nur die offensichtlichsten zu nennen. Es sind also ausgebildete Profis am Werk, nicht umsonst nennt man den Jagdschein auch „das grüne Abitur“.

Und reguliert ist das Ganze auch noch. Unter „Bio“ darf Wildfleisch allerdings nicht vermarktet werden, denn die Tiere könnten theoretisch in einem frisch gespritzten Getreidefeld äsen. Wir nehmen es ihnen nicht übel. Sie machen schließlich, was sie wollen, die süßen kleinen Bambis.

Jan Fyt, Still Life of Abundant Game.
Jan Fyt, Still Life of Abundant Game.imago

Seit Tschernobyl essen die Deutschen wenig Wildfleisch

Andere Belastungen, vor allem die durch Cäsium-137 nach dem Reaktorunglück im April 1986 in Tschernobyl, sind doch recht gering und eigentlich nur noch regional in uralten Pilzen in der Erde enthalten. Alle paar Jahre wird mal ein Wildschwein geschossen, das eine hohe Belastung hat. Besonders betroffen war von dem Unfall ja das südliche Bayern, die nördliche Republik ist recht unbedenklich.

Und selbst das Bundesamt für Strahlenschutz schreibt heute, dass bei normalem Verzehr von belastetem Wildfleisch oder Pilzen „die zusätzliche Strahlenbelastung vergleichsweise gering ist“. Der EU-Grenzwert für eine radioaktive Belastung liegt bei 600 Becquerel (Bq/kg), in Rahmen des bundesweiten Messprogramms der Jahre 2019 bis 2021 wurden bei Wildfleisch jedoch deutlich niedrige Werte festgestellt.

Wie bei den meisten Lebensmitteln kann man also auch hier, in Maßen, bedenkenlos zuschlagen. Leider hält sich die Abneigung gegen Wildfleisch ziemlich hartnäckig. Ich habe vergangene Woche mit einem Großhändler gesprochen. Er sagte mir, dass sich die Nachfrage nach Wildfleisch seit Tschernobyl nur sehr schleppend wieder erholt hat. Dabei war Wild bis dahin immer das beliebteste Fleisch in deutschen Restaurants. 

Im Auftrag von Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1904 geschaffene Jagdskulpturen, links die Hasenhetze um 1750 von Max Baumbach und rechts die Fuchsjagd um 1900 von Wilhelm Haverkamp.
Im Auftrag von Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1904 geschaffene Jagdskulpturen, links die Hasenhetze um 1750 von Max Baumbach und rechts die Fuchsjagd um 1900 von Wilhelm Haverkamp.imago

Heute schmeckt es nicht mehr muffig nach haut goût

Und was ist nun mit dem Geschmack? Wildfanatiker schwärmen heute noch vom legendären „haut goût“. Dieser eigentümliche Geschmack entwickelte sich vor allem in der Vergangenheit, als die Tiere nach der Jagd oft in der Decke, also im Fell, und ungekühlt zur Fleischreifung abgehangen wurden.

Vor allem entwickelte sich der Geschmack aber aufgrund fehlender Kühlung und mangelnden Verständnisses von Hygiene. Daher auch das obige Vorurteil. Richtig versorgt, also je nach Art bis zu 14 Tage nah am Gefrierpunkt gekühlt abgehangen, hat Wildfleisch zwar einen feinen Eigengeschmack, dieser ist aber nicht prägnanter als der anderer Fleischsorten.

Man muss sich freimachen von altbackenen Schubladendenken. Mit Wild funktioniert alles: Von Burgern und Tacos über Stroganoff und Schnitzel bis hin zu Thai-Curry und nordafrikanischer Tajine. Alles ist möglich. In Form von Frikadellen, grober und feiner Bratwurst, allerlei Rillettes und Pasteten, Mettwurst und Schinken hat es schon lange seinen Weg aus heimischen Küchen in die Spitzengastronomie gefunden.

Wildschwein wird durchgebraten, Reh bleibt schön rosa

Wildmanufakturen offerieren online und in ausgewählten Supermärkten auch schon wilde (Königsberger) Klöpse, Wild-Currywurst und getrüffelte Wild-Bolognese, alles handwerklich als „Natural Convenience Food“ hergestellt, gänzlich frei von artifiziellen Zusatzstoffen und nachhaltig im Einmach-Mehrwegglas. Da tut sich einiges!

Abschließend: Es ist empfehlenswert, Wildschwein durchzugaren, denn die Tiere sind Allesfresser. Bei den Vegetariern, also Reh und Vergleichbarem, ist es aber durchaus in Ordnung, es rosa zu garen. Und probieren Sie doch mal Damwildleber oder kleine Hirschnierchen. Auch das ist gut gemacht etwas Feines. Aber wir wollen trotzdem erst mal beim Fleisch bleiben.

Ein schön rosig gebratenes Hirsch-Steak mit Kartoffeln, Pilzen und Rotwein-Velouté.
Ein schön rosig gebratenes Hirsch-Steak mit Kartoffeln, Pilzen und Rotwein-Velouté.Jesko zu Dohna

Geschmortes Rehblatt mit Wacholder-Joghurt & Kapuzinerkresse-Salat

Zutaten (für 3-4 Personen) für das Rehblatt: 1 Rehblatt (Vorderlauf), 2 Gemüsezwiebeln, 1 Bund Suppengemüse, 1/2 l Weißwein, 1/2 Wasser, 1 EL Salz, 1 TL Pfefferkörner, 4-5 Lorbeerblätter, 4-5 Knoblauchzehen, etwas Öl

Zubereitung: Scheiden Sie die Zwiebel und das Suppengemüse in grobe Würfel, etwa walnussgroß. Die Knoblauchzehen andrücken. Mit dem Pfeffer und dem Lorbeer alles in einen Bräter geben. Das Rehblatt mit dem Öl einreiben, dann salzen und auf das Gemüsebett geben. Den Wein und das Wasser gemeinsam aufkochen und in den Bräter füllen. Nun Deckel drauf oder mit Alufolie und Backpapier verschließen. Im vorgeheizten Ofen bei 160 Grad 2,5 bis 3 Stunden garen. Nach dem Ofen zugedeckt gut 20 bis 30 Minuten runterkühlen lassen.

Zutaten für den Wacholder-Joghurt: 250 g Joghurt, 1 TL Wacholderbeeren, 1/2 Knoblauchzehe, Salz & Pfeffer

Zubereitung: Den Wacholder in einem Mörser gemeinsam mit dem Knoblauch und etwas Salz zu einer feinen Paste verarbeiten, alternativ mit einem Messer sehr fein hacken. Mit dem Joghurt vermengen.

Der Salat soll aus saisonalen Salaten bestehen, gern mit etwas frischer Salatgurke, der Großteil sollte aber die scharf-würzige Kapuzinerkresse sein. Etwas Essig und Öl reichen zum Anmachen.

Man kann alles gemeinsam mit etwas Fladenbrot essen, so entsteht der Eindruck, man esse ein griechisch inspiriertes Mahl.

In Butterschmalz goldbraun ausgebackenes Wildschwein-Schnitzel: ein Genuß!
In Butterschmalz goldbraun ausgebackenes Wildschwein-Schnitzel: ein Genuß!Jesko zu Dohna

Wildschweinschnitzelchen mit einem schnellen Waldorfsalat

Zuletzt berichteten wir vom Fettschnitzel im Nobelhart & Schmutzig, hier unsere Wildvariante. Übrigens: Mein Kollege Jesko zu Dohna macht auch gerne panierte Rehschnitzel. Die sind noch zarter und schmecken noch besser, sagt er. Auch mit Damwild oder Rotwild geht das.

Zutaten für die Schnitzel (für 4 Personen): 8 kleine Schnitzelchen vom Wildschwein (aus der Keule, je circa 70 bis 80g), Salz und Pfeffer, Mehl, 2 Eier, 2 EL Wasser, Paniermehl oder Pankobrösel, Butterschmalz oder neutrales Öl zum Ausbacken

Zubereitung: Zu Beginn die Schnitzelchen salzen und pfeffern, dann im Mehl wenden. Die Eier mit dem Wasser verquirlen und dann die Schnitzel darin wenden, danach ab in das Paniermehl. Die Schnitzel anschließend in reichlich Fett in einer Pfanne ausbacken. Wenn sie goldbraun sind, dann auf einem Küchenpapier abtropfen lassen, um das überschüssige Fett aus der Panade zu ziehen.

Rehschnitzelchen mit sommerlichem Salat: Auch das eine Kombination, die unser Koch liebt.
Rehschnitzelchen mit sommerlichem Salat: Auch das eine Kombination, die unser Koch liebt.Alexander Fritzemeyer

Zutaten für den Waldorfsalat: 1 Apfel, 1/2 Knollensellerie, 1 EL Mayo, 2 EL Pflanzenöl, 50 ml Sahne, 3 EL gehackte Walnusskerne, 1 EL Zitronensaft, Salz, Pfeffer

Zubereitung: Aus dem Pflanzenöl, der Mayo, der Sahne und dem Zitronensaft machen wir eine dickflüssige Soße. Die gut mit Salz und Pfeffer abschmecken. Den Apfel und den Knollensellerie schneiden wir dann in feine, mundgerechte Streifen, Julienne. Es lohnt sich, die Streifen fein zu schneiden, also Messer schärfen und Mühe geben.

Alle Streifen nun zur Soße geben, die gehackten Walnüsse dazu, noch mal salzen und pfeffern. Vermengen und fertig. Am besten mariniert man den Salat ein paar Stunden vor dem Essen, dann kann er gut durchziehen.

Felix Hanika: Koch aus Leidenschaft und Wahl-Mallorquiner, für den ein Pfund Butter sein Ein und Alles ist.
Felix Hanika: Koch aus Leidenschaft und Wahl-Mallorquiner, für den ein Pfund Butter sein Ein und Alles ist.Felix Hanika

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Felix Hanika war zunächst Investmentbanker, dann absolvierte er im Hotel & Restaurant Bareiss im Schwarzwald eine Kochlehre. Acht Jahre lang kochte er in den besten Restaurants der Welt. In der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung veröffentlicht er regelmäßig seine Lieblingsrezepte.