Rezept der Woche

Warum Napoleon ganz wild auf ein Brandenburger Gemüse war

Mairübchen, Navetten, Radieschen und vor allem die berühmten, aber schrumpeligen Teltower Rübchen. Hommage an ein legendäres Gemüse, das jetzt reif ist.

Napoleon Bonaparte liebte sie: Mairübchen und Radieschen. Wenn Sie wissen, wie man sie zubereitet, sind Sie gesegnet.
Napoleon Bonaparte liebte sie: Mairübchen und Radieschen. Wenn Sie wissen, wie man sie zubereitet, sind Sie gesegnet.imago

Die kleinen weißen und manchmal sanft-rosigen, runden oder kegelförmigen Rüben haben jetzt, wo alles draußen wieder langsam grün wird, ihren Weg auf die Märkte und sogar schon in einige Supermärkte gefunden. Die Rede ist von Mairübchen, auch Navetten genannt. Oder die damit eng verwandten brandenburgischen Teltower Rübchen und Eiszapfen. Allesamt gehören sie zu den Speiserüben. Wie beispielsweise auch die durchaus beliebten Radieschen oder der in Bayern als „Radi“ beliebte Rettich.

Letztere sind allem zur Brotzeit beliebt. Radieschen und Radi werden dann roh als frische Begleiter zu den oft sehr deftigen Jausen (Specksaiten, Landjäger) serviert. Geschmorte Navetten und Rübstiel, also das Grün der Rüben, sind weniger alltäglich bei uns im Norden. Allerdings ändert das sich gerade und sie erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Und das ist gut so, denn heute sind sie unser Star.

Jede Woche schreibt unser Koch Felix Hanika für uns seine Rezepte der Woche auf.
Jede Woche schreibt unser Koch Felix Hanika für uns seine Rezepte der Woche auf.Cachete Jack für die Berliner Zeitung

Grundsätzlich steigt die Nachfrage nach alten Gemüsesorten ja, was sicherlich eine Konsequenz daraus ist, dass immer mehr Menschen in Deutschland vegetarisch oder vegan leben. Das was die Wochenmärkte und gut sortierten Supermärkte bisher hergaben, reicht da einfach nicht für eine abwechslungsreiche Ernährung. Zum Glück wächst die Auswahl rasant. Man sieht immer eigentümlichere Sorten, wie die italienischen Puntarelle oder die Ringelbeete.

Puntarelle, Löwenzahn, Ringelbeete oder Topinambur

In der gehobenen Gastronomie sind alte Gemüsesorten schon lange beliebt, denn für viele Gäste strahlen Navetten, Topinambur und Ringelbeete doch etwas Exotisches aus. Mit der Faszination spielen vor allem Sterneköche. Dabei landeten viele dieser alten Sorten in der Vergangenheit, je nach Region und Saison, ganz selbstverständlich auf dem Tisch.

Turnip Brassica rapa: Auch die Japaner lieben Speiserüben. Besonders ihren Rettich.
Turnip Brassica rapa: Auch die Japaner lieben Speiserüben. Besonders ihren Rettich.imago

Die landwirtschaftliche Industrialisierung hat dazu beigetragen, dass sich vor allem das behauptete, was einfach angebaut und geerntet werden und womit man Geld verdienen kann. Die Rübchen waren die Verlierer. EU-Politiker und ihr Normwahn haben den alten Sorten dann fast den Rest gegeben. Eine Gurke lässt sich eben deutlich besser normieren als etwa eine schrumpelige Topinambur oder ein Teltower Rübchen.

Die kleinen kegelförmigen, ocker- bis braunfarbigen Knollen sind schon recht unregelmäßig, haben jede Menge Haar- und gelegentlich zwei oder drei Hauptwurzeln. Neben den geraden und schneeweißen Spargelstangen aus Beelitz verblassen sie total. Aber Obacht, das gemüsige Mauerblümchen durchschreitet beim Kochen eine regelrechte Transformation und hat es verdient, auch als Edelgemüse tituliert zu werden.

Klein und etwas schrumpelig, aber ein Hochgenuss: die berühmten Teltower Rübchen.
Klein und etwas schrumpelig, aber ein Hochgenuss: die berühmten Teltower Rübchen.imago

Goethe, Kant und Napoleon waren Fans der Teltower Rübchen

Das fanden übrigens auch Goethe und Kant. Sie sollen sich das Gemüse via Eilboten haben bringen lassen. Und auch Napoleon war regelrecht begeistert von den Navets de Teltow und förderte den Anbau auch in Frankreich. Angebaut werden können die kleinen Wurzeln überall, aber ihren urtypischen Geschmack verleiht ihnen die Teltower Platte, ein Anbaugebiet in Brandenburg. Teltower Rübchen sind seit 1993 als Marke geschützt.

Alles wird streng vom Förderverein Teltower Rübchen e.V. von 1998 überwacht. Sicherlich hätte die Mitglieder keine Angst, sich auch mit Napoleon (oder dessen Nachfahren) anzulegen. Man muss solchen Fördervereinen danken, denn sie haben entgegen dem lange anhaltenden Trend der Industrialisierung und Normierung alte Sorte am Leben erhalten und sich für Diversität eingesetzt.

Jetzt auf den Wochenmärkten erhältlich und besonders gut: Speiserüben.
Jetzt auf den Wochenmärkten erhältlich und besonders gut: Speiserüben.imago

Heute fördern Vereine und gelegentlich auch Länder und Kommunen das Pflanzen alter Obstarten, Landwirte lassen Blüh- und Schonstreifen stehen. Konsumenten fragen regionale alte Sorten nach, und pflanzenbasierte Ernährung erlebt einen Boom. Es passiert also auch viel Gutes.

Sterneköche wie Joachim Wissler schätze das Gemüse

Gutes machen auch erfahrene Köche aus dem Rübenallerlei. Der kongeniale Gemüsefanatiker und hochgepriesene Sternekoch Alain Passard schmort die Rüben vorsichtig in der Pfanne, gibt die gehackten Stiele und Blätter hinzu und würzt dezent mit Madras-Currypulver. Oder er reicht sie fein gehobelt mit allerlei Gartenkräutern als Salat zu seinem berühmten Tatar aus Rote Bete.

Noch mal mit Erde dran: die legendäre Teltower Rübe, auch <em>Navets de Teltow</em> genannt
Noch mal mit Erde dran: die legendäre Teltower Rübe, auch Navets de Teltow genanntimago

Der Sylter Sternekoch Johannes King serviert geschmorte Mairübchen oder Eiszapfen zu Rehrücken, dazu Portweinkirschen und Selleriepüree. Beim vormals dreifach besternten Joachim Wissler in Bensberg bei Köln gab es zum Reh Rübstiel, also die wie Spinat verarbeiteten Blätter und Stile der Rüben. Was die können, dass können wir schon lange. Also, hier zwei Rezepte für Sie:

1. Gepickelte Rüben aus dem Einmachglas

Zutaten: 1 Einmachglas (ca. 2 Liter), 5-6 Mairübchen, ca. 10 Teltower Rübchen, 1 Bund Radieschen, 0,3 Liter Weißweinessig, 0,3 Liter Wasser, 150 g Zucker, 2 EL Salz, 1 EL Senfkörner, 1 EL Koriandersamen, 2-3 Lorbeerblätter, 1 Schalotte.

Zubereitung: Zu Beginn reinigen wir das Glas ordentlich mit heißem Wasser und waschen das Gemüse gründlich. Die Mairübchen vierteln wir, die Teltower Rübchen je nach Form und Größe halbieren oder ebenfalls vierteln. Die Radieschen halbieren, die Schalotte schälen und dann einfach längs halbieren.

Nun die Senfkörner, Koriandersaat und Lorbeer in das Einmachglas und dann das Glas mit dem Gemüse füllen. Aus dem Essig, dem Wasser, Zucker und Salz kochen wir einen Sud, mit dem heißen Sud füllen wir nun das Glas auf.

Achtung: Erstens, stellen Sie das Glas dabei ins Waschbecken, die Gläser könnten platzen. Zweitens, das Gemüse muss beim Pickeln immer vollends vom Sud bedeckt sein, sonst kann Schimmel entstehen. 

Füllen Sie das Glas bis oben auf, dann verschließen Sie es, solange der Sud noch heiß ist. So entsteht ein Vakuum. Anschließend in der Küche auskühlen lassen und erst bei Zimmertemperatur in den Kühlschrank stellen. Dort mindestens zwei Wochen ziehen lassen. Anschließend haben Sie wunderbar knackige Rüben für einen bunten Salat.

Époisses: Dieser französische Stinkekäse ist besonders aromatisch und deshalb der Lieblingsfromage unseres Autors Felix Hanika. Und die zweite Hauptzutat unseres Rezeptes des Woche.
Époisses: Dieser französische Stinkekäse ist besonders aromatisch und deshalb der Lieblingsfromage unseres Autors Felix Hanika. Und die zweite Hauptzutat unseres Rezeptes des Woche.imago

2. Rübstiel-Schnitte mit Rotschmierkäse

Wenn Sie das obige Rezept machen, dann haben sie eine ganze Menge Blätter übrig, und diese verarbeiten wir zu etwas ziemlich Köstlichem. Das geht ganz einfach:

Zutaten (für 2 Personen): 300 g Rübenblätter, 200 g Rotschmierkäse, 1 Schalotte, 1 Knoblauchzehe, Salz, Pfeffer, Muskat, 1 Spritzer Weißweinessig, Pflanzenöl oder Butter, 1/2 TL Kümmel, 2 Scheiben Sauerteigbrot.

Zubereitung: Zu Beginn waschen wir die Blätter und trennen die Stiele ab. Die Stiele, die Schalotte und etwa drei Viertel des Knoblauchs hacken wir in feine Würfel, die Blätter schneiden wir in mundgerechte Stücke. In dem Fett schwitzen wir dann Stiele, Schalotten und Knoblauch gemeinsam an, dann kommen die Blätter dazu. Wir löschen mit einem Schuss Weißweinessig ab, lassen diesen verkochen und würzen dann mit Salz, Pfeffer und reichlich Muskat.

Das Sauerteigbrot toasten wir, entweder in der Pfanne oder im Toaster. Mit dem restlichen Knoblauch reiben wir es dann ein, geben noch etwas Öl oder Butter drauf. Dann kommen der lauwarme Rübstiel und der Rotschmierkäse und zuletzt etwas Kümmel darauf. Wer mag, kann das Ganze im Ofen noch überbacken.

Tipp: Rotschmierkäse haben eine rote äußere, oft leicht schmierige Schicht. Beispiele sind: Limburger, Romadur, Munster, Époisses (mein Lieblingskäse!), Schlierbacher, Weinkäse, Taleggio oder der brandenburgische CreMeer vom Backenscholzer Hof.

Haben Sie Fragen zu unseren Rezepten, Ideen und Wünsche für Geschichten oder einen Restauranttipp für uns? Dann schreiben Sie uns per E-Mail: briefe@berliner-zeitung.de

Felix Hanika: Koch aus Leidenschaft und Wahl-Mallorquiner, für den ein Pfund Butter sein Ein und Alles ist.
Felix Hanika: Koch aus Leidenschaft und Wahl-Mallorquiner, für den ein Pfund Butter sein Ein und Alles ist.Felix Hanika

Felix Hanika war zunächst Investmentbanker, dann absolvierte er im Hotel & Restaurant Bareiss im Schwarzwald eine Kochlehre. Acht Jahre lang kochte er in den besten Restaurants der Welt. In der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung veröffentlicht er regelmäßig seine Lieblingsrezepte.