Heinrich Mann soll brennen. Auf dem Berliner Opernplatz, heute Bebelplatz, wartet ein Scheiterhaufen auf ihn. Auch Alfred Döblin, Erich Maria Remarque, Bertolt Brecht, Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky sollen ins Feuer gehen. Tausende Menschen – Schaulustige, Studenten und Professoren sowie Männer der SA – haben sich am Abend des 10. Mai 1033 hier versammelt, um sich an einem Spektakel zu ergötzen, das nicht zufällig einer mittelalterlichen Hinrichtung gleicht. Die Bücher aller Autoren, die „wider den deutschen Geist“ geschrieben haben und schreiben, sollen in Flammen aufgehen.
Reichspropagandaminister Joseph Goebbels stimmt die Menschenmenge ein. Der studierte Germanist Goebbels (seine Doktorarbeit schrieb er bei einem jüdischen Professor) erklärt das „Zeitalter eines überspitzten jüdischen Intellektualismus“ für beendet.
„Jüdisch“ war ein Synonym für „Passt uns nicht“
Die vom Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund organisierten Bücherverbrennungen in Berlin und anderen deutschen Universitätsstädten bilden den Höhepunkt der vierwöchigen Aktion „Wider den undeutschen Geist“, die am 12. April mit der Veröffentlichung von zwölf Thesen der Deutschen Studentenschaft begann. Unter Punkt 7 fordert sie: „Der undeutsche Geist wird aus öffentlichen Büchereien ausgemerzt.“ Die Aktion zielt darauf ab, nicht nur die Werke jüdischer, sondern dem NS-Regime generell unliebsamer Lyriker und Romanciers, Philosophen und Wissenschaftler zu vernichten.
„Schwarze Listen“ werden erstellt und die zu verbrennenden Bücher in Bibliotheken und Buchhandlungen des Landes ausgesondert. Rund 10.000 Zentner Literatur sollen allein in Berlin bis Ende Mai 1933 beschlagnahmt worden sein.
Sogenannte Feuersprüche verdammen so manchen Autor. „Gegen Klassenkampf und Materialismus, für Volksgemeinschaft und idealistische Lebensauffassung“, ruft ein Berliner Student. „Ich übergebe dem Feuer die Schriften von Karl Max und Kautsky.“

Erich Kästner, dessen Bücher mit Ausnahme von „Emil und die Detektive“ ebenfalls auf den Schwarzen Listen stehen, wird Zeuge der Bücherverbrennung. „Ich stand vor der Universität, eingekeilt zwischen Studenten in SA-Uniform, den Blüten der Nation, sah unsere Bücher in die zuckenden Flammen fliegen und hörte die schmalzigen Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners (Goebbels, Anm. d. Red.)“, erzählt er später. „Begräbniswetter hing über der Stadt. Der Kopf einer zerschlagenen Büste Magnus Hirschfelds stak auf einer langen Stange, die, hoch über der stummen Menschenmenge, hin und her schwankte. Es war widerlich.“




