Energie

Mit KI gegen Putins Krieg

Die Energiepreise steigen, und mit jedem Liter Benzin oder Gas füllt man Putins Kriegskasse. Wie also Energie sparen? Eine Lösung: künstliche Intelligenz.

Mit Smarthome-Technologien können sich Energie und Geld einsparen lassen.
Mit Smarthome-Technologien können sich Energie und Geld einsparen lassen.imago/Andriy Popov

Undichte Fenster, brennendes Licht, Elektrogeräte im Stand-by-Modus – Jahr für Jahr verschwenden Privathaushalte, Unternehmen und Behörden Unmengen an Energie. Das war schon immer ein ökologischer Frevel, doch im Zuge des Ukraine-Kriegs bekommt die Energieverschwendung auch eine geopolitische Dimension. Die Energiepreise steigen immer weiter, und mit jedem Liter Benzin, Heizöl oder Gas füllt man Putins Kriegskasse. Was also tun? Im Dunkeln sitzen und die Heizung runterdrehen? Nur noch kalt duschen? Frieren für den Frieden?

Es gibt mittlerweile eine Reihe von Smarthome-Lösungen, mit denen sich Energie und Geld einsparen lässt. Mit vernetzten LED-Lampen etwa lässt sich die Beleuchtung zu Hause bequem per Smartphone steuern: Über eine App kann der Nutzer festlegen, dass sich die Stehlampe im Wohnzimmer nach Sonnenuntergang ein- und die Lichterkette im Garten um 23 Uhr automatisch ausschaltet. Die smarten Lampen (etwa des Herstellers Philips Hue), die über den Funkstandard ZigBee mit einer in der Steckdose installierten Schaltzentrale kommunizieren, sind mittlerweile in jedem Baumarkt und Möbelhaus erhältlich.

Technologien denken für den Nutzer mit

Klar, Zeitschaltuhren sind nicht der neueste Schrei. Der beste Timer hilft nichts, wenn man vergisst, ihn zu aktivieren. Doch das Neue an Smarthome-Technologien ist, dass sie nicht mehr manuell programmiert werden müssen, sondern für den Nutzer mitdenken. So lernt der smarte Thermostat Nest die Gewohnheiten des Bewohners und steuert automatisch die Zimmertemperatur. Mithilfe von Sensoren, die feststellen, ob man gerade zu Hause ist oder nicht, führt der Algorithmus eine Art Protokoll (schedule) und leitet daraus Routinen des Bewohners ab. Lernt das System, dass man jeden Morgen um acht Uhr das Haus verlässt und um 17 Uhr zurückkehrt, heizt oder kühlt es die Wohnung entsprechend vor. Auch das spart Energie – allerdings um den Preis der Privatsphäre.

Auch im Industriebereich gibt es jede Menge Einsparpotenzial: In voll vernetzten Fabriken liefern Anlagen und Sensoren im Livebetrieb Daten, mit denen ein sogenannter digitaler Zwilling gespeist wird. Anhand des digitalen Abbilds lassen sich mithilfe einer cloudbasierten Software Prozessabläufe simulieren und Verschleißerscheinungen vorhersagen. Eine Maschine, die im Leeren läuft und Produktionsketten stört, kann ein mittelständisches Unternehmen viel Geld kosten. Wenn man allerdings weiß, dass ein bestimmtes Bauteil in wenigen Wochen abgenutzt sein wird, kann der Werksleiter die betroffene Anlage proaktiv warten und reparieren lassen – oder die Maschine herunterfahren.

Künstliche Intelligenz in der Logistik

Auch an anderer Stelle kann KI die Energieeffizienz erhöhen – zum Beispiel in der Logistik. Jeden Tag sind auf den Straßen Hunderttausende Lieferwagen unterwegs. Häufig sind die Transporter aber nicht voll beladen oder werden über Umwege ins Ausland geschickt, weil dort die Löhne niedriger sind. Um die Routenplanung zu optimieren, setzt der Paketdienstleister UPS daher auf eine KI-gestützte Plattform.

Mithilfe eines Algorithmus, der aus Fahrdaten lernt, errechnet die Software anhand von Variablen wie Verkehrsaufkommen und Auftragsvolumen für jeden Fahrer eine individuelle Lieferstrecke und zeigt zudem Abladepunkte an, die von der Straße nicht einsehbar sind. Die Kuriere müssen pro Tag bis zu 135 Stopps einlegen – jeder Stau verzögert die Lieferung und verursacht unnötige Spritkosten. Nach Angaben von UPS spart die dynamische Navigationssoftware pro Jahr 100 Millionen Meilen (ca. 161 Millionen Kilometer), das entspreche knapp 38 Millionen Litern Treibstoff. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto nachhaltiger lassen sich die Kreisläufe der Wirtschaft organisieren.

Auch bei der Stromproduktion selbst lassen sich durch KI Effizienzgewinne erzielen. Kurzfristig auftretende Wetterphänomene wie etwa Hochnebelfelder, die die Leistung von Solaranlagen einschränken, können zu Schwankungen im Stromnetz führen, die etwa durch Batteriespeicher ausgeglichen werden müssen. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, benötigen Netzbetreiber daher möglichst genaue und hochauflösende Daten.

Deep Learning ist extrem rechen- und energieintensiv

Es gibt einige vielversprechende Ansätze: So hat IBM im Rahmen der SunShot Initiative in Kooperation mit dem US-Energieministerium eine KI-Software entwickelt, die Prognosemodelle mit historischen Daten und Echtzeitinformationen von Wetterstationen sowie Satellitenaufnahmen kombiniert und präzisere Vorhersagen im Bereich des Nowcasting, also innerhalb der nächsten Stunden, erlaubt.

Gleichwohl: Die Rechenzentren, in denen Daten verarbeitet werden, verbrauchen jede Menge Strom – schätzungsweise ein Prozent des globalen Strombedarfs. Und auch das sogenannte Deep Learning – ein Teilgebiet von maschinellem Lernen, welches sich auf künstliche neuronale Netze und große Datenmengen fokussiert – ist extrem rechen- und energieintensiv. Wissenschaftler der University of Massachusetts haben ausgerechnet, dass das Training eines KI-Modells so viele CO₂-Emissionen erzeugt wie fünf Autos in ihrem gesamten Lebenszyklus.

Die Energie- und CO₂-Bilanz hängt letztlich davon ab, mit welchem Energiemix die Rechner betrieben werden. Amazon will die Rechenzentren seiner Cloudsparte AWS bis 2025 vollständig mit erneuerbaren Energien versorgen und hat in diverse Wind- und Solarprojekte (unter anderem in Andalusien) investiert, Apples Datenzentren laufen bereits vollständig mit Ökostrom. Bevor man nun Apples Sprachassistentin Siri zur Klimabotschafterin erklärt, sollte man aber wissen, dass der Strom fürs Smartphone aus der Steckdose kommt.

Stromfresser im Haushalt
Herd, Gefrierschrank, Trockner – im Haushalt gibt es jede Menge Stromschlucker. Doch schon mit einfachen Tricks lässt sich Energie sparen. Zum Beispiel beim Kochen den Deckel auf den Topf tun oder Wäsche an der frischen Luft trocknen. Sonnenenergie ist gratis. Weiterer Stromfresser: Elektrogeräte im Stand-by-Modus. Laut dem Vergleichsportal Verivox verbraucht ein LCD-Fernseher im Stand-by-Betrieb jährlich 103 Kilowattstunden. Bei einem Strompreis von 29 Cent je Kilowattstunde kommt man hier auf rund 30 Euro im Jahr. Mit WLAN-Steckdosen lassen sich energieintensive Elektrogeräte wie Kaffeemaschinen oder Fernseher per App an- und ausschalten, ohne die Geräte manuell vom Netz trennen zu müssen.