Berlin-In dieser Kolumne muss ich mich von Ihnen, meine sehr verehrten Leserinnen und Leser, verabschieden, denn ich verlasse die Berliner Zeitung. Ich bin allerdings nicht gut im Abschiednehmen, ich mag es kurz und schmerzlos, aber eine weiße Stelle soll nun hier auch nicht stehen. Also erlauben Sie mir, ein wenig auszuholen.
Mein erster Arbeitstag bei der Berliner Zeitung war ein verschneiter Tag im Februar 2001. Es fing nicht gut an. Mein damaliger Chef empfing mich im Verlagsgebäude am Alexanderplatz, und als Erstes rügte er mich, ich sei zu spät. Fünf Minuten! Ich schämte mich auch, denn ich war sonst nie zu spät. Zu meiner eigenen Überraschung überstand ich die Probezeit.
2003 habe ich dann das erste Mal Abschied von der Redaktion der Berliner Zeitung gefeiert. Damals zog ich nach London, als Korrespondentin des Blattes. Ich war 28, sprach Schulenglisch und hatte vom englischen Fußball, der wichtigsten Liga der Welt, keine Ahnung.
Ich feierte ein richtiges Abschiedsfest, im 14. Stock im Verlagshaus am Alexanderplatz mit Blick über Berlin, einer Rede des Chefredakteurs und einer Abschiedszeitung. Sie hatten meine Stelle zwar weggekürzt, aber ich kam trotzdem wieder. Mit einem Fan-Shirt des FC Arsenal, den ich lieben gelernt hatte. Selbst Paul Gascoigne hatte ich interviewt.
Damals war auch viel los, wie so oft spiegelte sich in unserer kleinen Berliner Zeitungswelt die große. Es war die Zeit der Finanzinvestoren, die damals Heuschrecken genannt wurden. Ein britischer Investor hatte die Zeitung gekauft, die Redaktion kämpfte so lange, bis er wieder ging. Danach wurde es noch mal toll und ich durfte viele Jahre mit wunderbaren Kolleginnen und Kollegen arbeiten.
Dank an die Leserinnen und Leser
20 Jahre sind eine lange Zeit, eine gute Zeit, um Abschied zu nehmen, um etwas Neues auszuprobieren. Ich werde als freie Autorin arbeiten und als Nächstes ein, zwei Bücher schreiben. Und ich denke, ich habe mir für meinen Neuanfang auch einen besonders historischen Zeitpunkt ausgesucht: Angela Merkel geht als Bundeskanzlerin, ich gehe als Redakteurin der Berliner Zeitung.
Wahrscheinlich halten Sie mich für größenwahnsinnig, wenn Sie denken, dass ich mich mit der mächtigsten und erfolgreichsten Politikerin der letzten Jahrzehnte vergleiche. Und das ist ja auch so. Als Journalistin, zumal als Autorin einer wöchentlichen Kolumne, muss man größenwahnsinnig sein und sich selbst etwas zu wichtig nehmen. Wie würde man sonst darauf kommen, dass die eigenen Gedanken, Beobachtungen und Bewertungen bedeutsam genug sind, gedruckt zu werden.
Angela Merkel ist jemand, die ihren Abschied immer im Blick hatte. „Ich möchte irgendwann den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der Politik finden. Dann will ich kein halbtotes Wrack sein“, sagte sie einmal. Das war 2010, da hat sie also schon über ihren Ausstieg nachgedacht, vor elf Jahren. So viel Vorausschau haben die wenigsten.
Nun habe ich vor lauter Anekdoten fast den Zweck dieser Kolumne vergessen: mich bei Ihnen zu bedanken, verehrte Leserinnen und Leser. Sie haben mich in all diesen Jahren begleitet, ermutigt, gerügt. Sie haben mir handgeschriebene Briefe gesendet, oft so warmherzig und ermutigend, dass mir die Tränen kamen. Ich kann ehrlich sagen: Ohne Sie hätte es meine Texte in der Berliner nicht gegeben. Ihnen gilt der Schlussapplaus, danke und auf Wiedersehen!



