Viele Menschen denken nicht darüber nach, wann sie ihre Waschmaschine einschalten. Dabei unterscheiden sich die Strompreise an der Börse je nach Tageszeit enorm: Kostete eine Kilowattstunde am 22. Mai um 14 Uhr nur 6,7 Cent (inklusive Umsatzsteuer), waren es um 20 Uhr schon 18,4 Cent.
Die meisten Verbraucher betreffen diese Schwankungen nicht, weil sie je nach Vertrag einen festen Preis pro Kilowattstunde zahlen. Doch in Zukunft könnte sich das ändern: durch dynamische Stromtarife zum Beispiel. Einige Stromlieferanten bieten sie bereits an.
Der monatliche Pauschalabschlag fällt dabei weg; stattdessen wird ein Teil der Kosten an den Strompreis an der Börse gekoppelt. Zusätzlich müssen Steuern, Netzentgelte und meist ein Grundpreis gezahlt werden. Die stündlichen Strompreise werden dem Verbraucher bereits einen Tag im Voraus zugeschickt – so können elektrische Geräte erst dann eingeschaltet werden, wenn der Strom günstiger ist. Jeden Monat bekommt der Verbraucher eine Rechnung auf der Grundlage des tatsächlichen Stromverbrauchs.
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Dynamische Stromtarife: „Richtig interessant wird es mit einem Elektroauto“
„Man kann sich überlegen, wann man die Waschmaschine oder den Geschirrspüler anstellt oder auch kocht oder staubsaugt“, sagt ein Vertreter des Berliner Grundversorgers Vattenfall dazu. Wählt man die richtige Zeit für seine 60-Grad-Wäsche, können laut Vattenfall beispielsweise pro Waschgang bis zu dreizehn Cent gespart werden. Bei anderen Geräten, wie etwa Kühlschränken, sei das Einsparpotenzial jedoch gering, da sie immer laufen.
Rund 34 Prozent des Stromverbrauchs können demnach in Durchschnittshaushalten mit einem Stromverbrauch von ca. 2500 Kilowattstunden im Jahr in Zeiten verlagert werden, in denen der Strom günstiger ist. „Richtig interessant wird es erst mit einem Elektroauto“, betont der Vattenfall-Sprecher. In solchen Fällen können bis zu 70 Prozent des Stromverbrauchs eines Haushalts in kostengünstige Zeiten gelegt werden.
Auch der ADAC bietet in Kooperation mit dem Stromanbieter Tibber einen eigenen Tarif für Elektroautos an. Auf seiner Website können die aktuellen Strompreise für die eigene Postleitzahl eingesehen werden. Der beste Zeitpunkt, um ein Elektroauto zu laden, ist nachts. Am 22. Mai lag der Strompreis bei Tibber zwischen drei und vier Uhr inklusive Steuern und Abgaben pro Kilowattstunde bei 26,85 Cent, zwischen 20 und 21 Uhr bei 38,84 Cent, also deutlich höher.
Zeitweise kann es passieren, dass so viel grüner Strom verfügbar ist, dass die Preise an der Börse in den negativen Bereich fallen. „Hiervon profitiert der Endkunde eines dynamischen Tarifs direkt, wenn er genau in dieser Zeit Strom aus dem Netz verbraucht“, heißt es vom Berliner Energieunternehmen Gasag, das ebenfalls einen dynamischen Stromtarif anbietet. Das wirke sich „positiv auf die Energierechnung“ der Kunden aus, heißt es. Die fällt im besten Fall niedriger aus als bei einem Pauschalbetrag. Genau vergleichen lässt sich das jedoch nicht, da die genauen Kosten eines dynamischen Stromtarifs von dem individuellen Verhalten des Verbrauchers abhängen.

Berliner Stromnetz: Effekt hängt von der Uhrzeit ab
Einen positiven Effekt können dynamische Stromtarife auch auf die Stromnetze haben. Ist viel Strom verfügbar, etwa durch Solar- oder Windenergie, gehen die Strompreise tendenziell nach unten. So werden Verbraucher ermutigt, Strom dann zu nutzen, wenn besonders viel vorhanden ist – und die Netze werden entlastet. Dynamische Stromtarife werden auch deshalb „im zukünftigen Energiemarkt eine wichtige Rolle spielen“, sagt die Sprecherin von Gasag, Ursula Luchner.
Wie sieht es im Berliner Stromnetz aus? Immerhin muss sich die Kapazität des Stromnetzes in den nächsten zehn Jahren verdoppeln, um Energie- und Wärmewende zu stemmen. Erst vergangene Woche plädierte Erik Landeck, Geschäftsleiter des landeseigenen Netzbetreibers Stromnetz Berlin, dafür, den Verbrauch von Strom besser zu planen.
Dynamische Stromtarife sind „eine sinnvolle Ergänzung zum weiter notwendigen Netzausbau“, sagt der Sprecher von Stromnetz Berlin, Henrik Beuster, auf Anfrage. Besonders Verteilnetze mit viel Einspeisung aus den erneuerbaren Energien könnten tendenziell entlastet werden. In Berlin werde jedoch mehr Strom bezogen als erzeugt, sodass der Effekt von der Uhrzeit abhänge.
„Durch hohe Windenergie-Einspeisung treten niedrige Strompreise zum Beispiel häufig nachts auf“, sagt Henrik Beuster, und weiter: „Nachts ist das Berliner Verteilnetz weniger ausgelastet als tagsüber.“ Würden die Berliner also nachts mehr Strom nutzen, weil er dann günstiger ist, könne das „vorteilhaft für die Netzauslastung“ sein.
Laut Vattenfall wird es jedoch noch einige Zeit dauern, bis sich dynamische Stromtarife durchsetzen. „Es ist derzeit noch ein Nischenprodukt“, heißt es. Das liegt vor allem an technischen Voraussetzungen, denn damit sich ein dynamischer Stromtarif wirklich lohnt, braucht der Kunde einen sogenannten SmartMeter – also ein intelligentes Messsystem, dass den Stromverbrauch bis zu viermal stündlich übermittelt. Die sind noch nicht weit verbreitet und erst ab nächstem Jahr für Verbraucher mit einem jährlichen Stromverbrauch von mehr als 6000 Kilowattstunden Pflicht.
Ab dem Jahr 2025 müssen Stromanbieter dynamische Strompreistarife im Angebot haben. Diese Tarife sind jedoch nicht für alle vorteilhaft, denn Verbraucher mit einem dynamischen Stromtarif sind stark von Schwankungen an der Börse abhängig. Gehen die Preise hoch, wie etwa während der Energiekrise nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, müssen die Kunden mit höheren Preisen rechnen.


