Geopolitik

Worüber hat Olaf Scholz eigentlich mit Li Qiang gesprochen?

China und Deutschland wollen weiter kooperieren, auch wenn das zunehmend schwierig wird.

Berlin, 20. Juni 2023: Li Qiang und Olaf Scholz bei der Pressekonferenz zu den 7. Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen unter dem Titel „Gemeinsam nachhaltig handeln“ im Bundeskanzleramt.
Berlin, 20. Juni 2023: Li Qiang und Olaf Scholz bei der Pressekonferenz zu den 7. Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen unter dem Titel „Gemeinsam nachhaltig handeln“ im Bundeskanzleramt.imago images

Die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen haben zwar keine konkreten Ergebnisse gebracht. Allerdings haben sowohl China als auch Deutschland gezeigt, dass sie sich um die Aufrechterhaltung einer belastbaren Kommunikation bemühen. Dies ist nicht einfach: Denn beide Länder müssen sich in einem Dreieck positionieren, das die USA einschließt. Washington will das aufstrebende Peking in die Schranken weisen, allerdings gleichzeitig mit China kooperieren – es ist der größte Markt der Welt. Daher machten auch amerikanische Wirtschaftsgrößen wie Bill Gates, Elon Musk und Jamie Dimon den Chinesischen ihre Aufwartung. Die Regierung der USA sieht China aber auch als Sicherheitsrisiko und möchte seine Verbündeten davon abhalten, mit China zu kooperieren. Im Falle Deutschlands haben die Amerikaner außerdem das Interesse, ihre Produkte in China zu positionieren und die Deutschen zu verdrängen. Daher war der Besuch des chinesischen Premiers, Li Qiang, bei BMW und Siemens ein wichtiges Zeichen. Allerdings werden sich vor allem die deutschen Hersteller in China anstrengen müssen: Sowohl Tesla als auch die chinesischen Marken selbst dürfen nicht unterschätzt werden. Im Falle von Siemens wartet General Electric (GE) als Konkurrent. Die US-Regierung hat keine Hemmungen, ihre Unternehmen mit allen Mitteln auf den internationalen Märkten zu forcieren. Immer wieder hat sich gezeigt, dass sich nach Sanktionen gegen US-Gegner Firmen zurückziehen mussten und GE die Märkte übernahm. So übernahm GE, als sich Siemens aus Russland zurückzog, von Siemens Energy die Aufträge zur Wartung von Kraftwerken in Russland. Siemens stecken heute noch die 800-Millionen-Dollar-Strafe an die Amerikaner wegen Schmiergeldzahlungen sowie die Probleme wegen der Iran-Sanktionen in den Knochen.

Wegen des US-Dollar als Weltleitwährung haben die Amerikaner Werkzeuge in ihrem Arsenal, mit denen sie Geschäfte der Verbündeten mit anderen Staaten wirksam blockieren können. Eine Entkoppelung Deutschlands von China würde die deutsche Wirtschaft in einer schwere Krise stürzen, weshalb Bundeskanzler Olaf Scholz im Umgang mit Peking offensichtlich eine doppelte Strategie fährt: Er erweckt, vor allem in Richtung der US-Regierung und der Anti-China-Lobby, den Eindruck, als würde er kritische Themen mutig ansprechen. Tatsächlich handelt es sich dabei nur um Phrasen, mit denen Peking aber kein Problem hat. Es ist Li gelungen, das einzig wirklich „heiße“ Thema – Taiwan – aus den Regierungskonsultationen völlig auszublenden. Scholz wiederum lenkte die Öffentlichkeit mit einem scheinbaren Appell an Li, Russland nicht unterstützen, ab; eine reine Pflichtübung des Kanzlers, denn Li ging auf Russland mit keinem Wort ein.

Inhaltlich konzentrierten sich die Konsultationen auf die Vertiefung der bestehenden Zusammenarbeit. So betonte Scholz mit Blick auf die Corona-Pandemie die Bedeutung der Zusammenarbeit bei den internationalen Handelsbeziehungen, vor allem aber auch im Gesundheitsbereich. Diese müssten multilateral im Rahmen der WHO, aber auch bilateral fortgesetzt werden. Scholz sagte: „Wichtig ist es, dass nun auch wieder gesellschaftliche Kontakte stattfinden. Das gilt ebenso für Wissenschaft und Forschung und für den Austausch zwischen Thinktanks.“ Denn ein offener Austausch gebe Missverständnissen weniger Raum. Scholz will also mit China vermeiden, was mit Russland geschehen ist: dass nämlich Kontakte auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene abgebrochen, Zuwiderhandelnde diffamiert und russische Institutionen aus den offiziellen Formaten ausgeschlossen werden.

Der Kanzler hob weiters die engere Zusammenarbeit beim Kampf gegen den Klimawandel hervor. Deutschland und China vereinbarten bei den Konsultationen die Einrichtung eines Klima- und Transformationsdialogs, der die Transformation pragmatisch durch Dialog und konkrete Zusammenarbeit beschleunigen soll. Scholz erklärte, man habe sich über den Ausbau von Windkraft und Solarenergie, den Einsatz von erneuerbaren Energien und die Erfahrungen mit dem Kohleausstieg ausgetauscht. Anfang November soll das deutsch-chinesische Umweltforum auf Ebene der Ministerinnen und Minister stattfinden. Außerdem wurde ein deutsch-chinesisches Memorandum of Understanding zu Elektro- und Wasserstoffmobilität unterzeichnet, um in den Bereichen Sicherheit, Regulierung und Standardisierung den gegenseitigen fachlichen Austausch fortzusetzen.

Deutschland will mit China bei der Frage der Ernährungssicherheit und der Unterstützung für stark verschuldete Staaten enger zusammenarbeiten. Man werde gemeinsam nach Lösungen suchen und Staaten helfen, bei denen Hunger, Hyperinflation und hohe Staatsverschuldung zu gefährlicher Instabilität, Konflikten und Flucht führen. Die Themen sollen beim dritten deutsch-chinesischen Finanzdialog angesprochen werden, der noch in diesem Jahr in Berlin stattfinden wird.

Der Kanzler lobte die dynamischen Wirtschaftsbeziehungen als wichtigen und konstitutiven Teil der bilateralen Beziehungen. Der Zugang zum chinesischen Markt und faire Wettbewerbsbedingungen seien für deutsche und andere ausländische Unternehmen in China aber weiterhin Herausforderungen, bei denen Deutschland konkrete Verbesserungen erwarte. In diesem Zusammenhang hob er auch das deutsche Lieferketten-Gesetz hervor, das weltweit greift und der besseren Achtung der Menschenrechte dienen werde.