Geopolitik

Umfrage: Europäer wollen bei US-Konflikt mit China neutral bleiben

Das European Council on Foreign Relations sagt, dass die Europäer keinen Konflikt mit China wollen. Das würde sich ändern, wenn Peking Russland Waffen liefert.

Menschen auf Rolltreppen auf einem Bahnhof in Hongkong
Menschen auf Rolltreppen auf einem Bahnhof in HongkongAFP

Die Europäer wollen in einem Konflikt der Vereinigten Staaten von Amerika mit China grundsätzlich neutral bleiben. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage, die das European Council on Foreign Relations (ECFR) am Mittwoch in Stockholm vorgestellt hat. Die Umfrage zeige, dass die Europäer „im Falle einer militärischen Eskalation zwischen den Supermächten nicht gewillt sind, die Vereinigten Staaten in einem Konflikt mit China zu unterstützen“, so das ECFR.

Die Ergebnisse aus den elf befragten EU-Mitgliedstaaten zeigten, dass 43 Prozent der Befragten China als „notwendigen Partner“ sehen“, mit dem Europa „strategisch kooperieren“ solle. Drei Prozent sehen China gar als „Verbündeten, der unsere Werte und Interessen teilt“. Allerdings sind die Skeptiker nicht unerheblich: 24 Prozent sehen laut ECFR China als „Rivalen, mit dem wir den Wettbewerb führen müssen“. Elf Prozent sehen China als „Gegner, mit dem wir uns im Konflikt befinden“. Die Zahl der Unentschlossenen liegt bei 18 Prozent.

Das ECFR sieht in der Umfrage „mit Blick auf China und dessen mutmaßlichen Ambitionen eine Diskrepanz zwischen der harten politischen Haltung der Regierenden in Brüssel und der breiten europäischen Öffentlichkeit“. Die Autoren Jana Puglierin und Pawel Zerka schreiben: „Mit Blick auf China legen die Ergebnisse des Berichts nahe, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die europäische Öffentlichkeit noch von der Notwendigkeit überzeugen muss, Risiken in den EU-Beziehungen zu Peking zu verringern.“ Die Daten ließen „darauf schließen, dass Emmanuel Macrons Vision, China als ,strategischen und globalen Partner‘ zu sehen, den aktuellen Stand der öffentlichen Meinung in Europa in dieser Frage besser wiedergibt“.

Ändern könnte sich die Sicht der Europäer auf China, sollte Peking Russland im Krieg gegen die Ukraine aktiv unterstützen. Für 41 Prozent der Befragten wären, so das ECFR, „chinesische Waffenlieferungen an Russland eine rote Linie und ein Grund für Sanktionen gegen China – selbst wenn dies eine Belastung für die westlichen Wirtschaftsräume zur Folge hätte“. Bei den deutschen Befragten wären 38 Prozent selbst in diesem Fall gegen Sanktionen gegen China, 37 Prozent wären für die Verhängung von Sanktionen. Dagegen ist die Ablehnung der Deutschen gegenüber chinesischen Infrastrukturbeteiligungen wie Häfen, Unternehmen oder Zeitungen stärker als in anderen europäischen Ländern.

Fünfzehn Monate nach seinem Einmarsch in der Ukraine wird Russland überwiegend als „Gegner“ oder „Konkurrent“ Europas eingestuft. Der ECFR stellt fest, dass 64 Prozent der Befragten in den elf untersuchten Ländern Russland als „Gegner“ (55 Prozent) oder „Konkurrenten“ (9 Prozent) Europas betrachten. In Dänemark (74 Prozent), Polen (71 Prozent), Schweden (70 Prozent), den Niederlanden (67 Prozent), Deutschland (62 Prozent) und Spanien (55 Prozent) sieht eine Mehrheit Russland als „Gegner“ Europas, während dies in Italien nur 37 Prozent und in Bulgarien 17 Prozent der Befragten tun.

Die Haltung der Befragten zu den „Nachkriegs-Beziehungen“ ihrer Länder zu Russland stellt sich wie folgt dar: Im EU-Durchschnitt sagen 48 Prozent, es solle „eine eingeschränkte Beziehung“ zu Russland geben. 21 Prozent sagen, es solle eine „volle Kooperation“ geben. 18 Prozent wollen den völligen Abbruch aller Beziehungen zu Russland, 13 Prozent enthalten sich einer Aussage. Auch auf Länderebene ist jeweils die Mehrheit für eingeschränkte Beziehungen. Das einzige Land, in dem eine Mehrheit von 51 Prozent die Ansicht äußert, dass es „voll kooperationsbereit“ sein sollte, ist Bulgarien.

Die Umfrage ist jedoch nur ein Schlaglicht, wie der frühere schwedische Ministerpräsident Carl Bildt bei der ECFR-Jahrestagung in Stockholm sagte: „Außenpolitik wird nicht von Umfragen gemacht.“ Co-Autor Pawel Zerka sagte: „Um Europa an eine zunehmend wettbewerbsorientierte Welt anzupassen, brauchen die europäischen Regierenden den Rückhalt der Öffentlichkeit. Sie können die Öffentlichkeit nicht gegen ihren Willen regieren, aber sie können ihr auch nicht einfach gehorchen.“

Amerika habe nach der Trump-Ära sein Image als „Verbündeter“ und „Partner“ der EU weitgehend wiederhergestellt. Auf die Frage, wie sich eine Wiederwahl von Donald Trump auf die Beziehungen zwischen EU und Vereinigten Staaten auswirken würde, äußerten 56 Prozent der Befragten, diese würden „schwächer“ sein. Vor diesem Hintergrund „bestehe der Wunsch, europäische Verteidigungskapazitäten aufzustocken“, so das ECFR. Gemäß den Zahlen des ECFR seien „knapp drei Viertel der europäischen Bevölkerung überzeugt, dass Europa sich in Sicherheitsfragen nicht immer auf die Vereinigten Staaten verlassen könne und sich selbst um seine Verteidigung kümmern muss“.

Das ECFR ist ein Thinktank, der unter anderem von der Open Society Foundation, der Mercator-Stiftung, von Unternehmen und europäischen Regierungen finanziert wird.