US-Dollar und Euro sind für die meisten russischen Unternehmen zu einem giftigen Zahlungsmittel geworden. Der russische Angriff auf die Ukraine und die darauf gefolgten Sanktionen wie der Swift-Ausschluss der russischen Banken erschweren den Außenhandel enorm. Bargeldlose Zahlungen in US-Dollar oder Euro könnten zudem selbst für „befreundete“ Staaten – so nennt Moskau Länder, die sich nicht den Sanktionen angeschlossen haben – zu Sekundärsanktionen führen.
Es gibt jedoch eine Reihe alternativer Modelle, die Russland bereits nutzt oder potenziell bei internationalen Zahlungen nutzen und weiterentwickeln könnte, um die gewünschten Güter und Dienstleistungen bequem zu importieren oder auch die Exporte von Rohstoffen und anderen Waren abwickeln zu können. Die bereits gängigen Alternativen zum US-Dollar und Euro sind Zahlungen in Rubel oder in der chinesischen Währung Yuan. Über 70 Prozent der Abrechnungen zwischen Einwohnern der Staaten der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) werden bereits in Rubel abgewickelt, und Russland rechnet 16 Prozent seiner Exporte und 23 Prozent seiner Importe in Yuan ab, sagte die stellvertretende Vorsitzende der russischen Zentralbank, Ksenija Judajewa, Ende Mai. Die beliebteste alternative Währung sei derzeit der Yuan.
Russlands Handel mit „befreundeten“ Staaten und die Macht des Yuan
Diese beiden Zahlungsmodelle werden in Russland als die vielversprechendsten gesehen. Zu den Risiken von Rubel-Zahlungen gehört jedoch die Gefahr sekundärer Sanktionen gegen die Lieferanten etwa bei Parallel-Importen, also wenn ein (meistens) Nachbarland Russlands sanktionierte westliche Waren nach Russland einführt. Auch ein stärkerer Fokus auf den Yuan birgt die Gefahr einer zunehmenden wirtschaftlichen Abhängigkeit von China und Währungsrisiken aufgrund der stark regulierten chinesischen Währung. Die Möglichkeiten, Wechselkursrisiken mithilfe von Yuan-Derivaten abzusichern, seien nach wie vor begrenzt, bemängelte die russische Zentralbank-Beamtin.
Der Yuan wird und kann im Zahlungsverkehr Russlands mit den Ländern in Asien, Afrika und Lateinamerika verwendet werden. Dafür sprach sich auch der Kreml-Chef Wladimir Putin im März auf einem Treffen mit dem chinesischen Führer Xi Jinping aus. Das ist durchaus möglich, denn alle Entwicklungsländer würden mit China handeln und den Handel mit China entsprechend ausbauen, zitiert das russische Geschäftsportal RBC die führende Ökonomin für Schwellenländer bei der britischen Oxford Economics, Tatyana Orlova. Die Expertin sieht daher Voraussetzungen für „einen lawinenartigen Anstieg des Zahlungsverkehrs in Yuan“ nicht nur zwischen Russland und China oder Russland und Asien, sondern zwischen allen Entwicklungsländern und China. Die sogenannten chinesischen Clearing-Vereinbarungen gelten derzeit für insgesamt 25 Länder, Russland inklusive.
Russlands Zahlungen: In Rupien, Kryptowährungen oder Gold?
Die Ökonomen des russischen Instituts für Forschung und Expertise beim staatlichen Kreditinstitut Wneschekonombank haben der Regierung in Moskau inzwischen andere alternative Modelle angeboten, die nach ihrer Ansicht Perspektiven in Russland hätten oder Vorteile verschaffen könnten. Zur Kenntnis: Die Wneschekonombank verwaltet unter anderem die russischen Auslandsschulden, die nach einem Rückgang im letzten Jahr jetzt wieder steigen. Was sind diese Alternativen?
- Abrechnungen in anderen Landeswährungen: Dirham der Vereinigten Arabischen Emirate oder in indischen Rupien;
- multilaterales Clearing-System, also ein Verfahren , das gegenseitige Forderungen und Verbindlichkeiten durch Verrechnung ausgleicht;
- Bezahlung von Waren, die mit Gold gesichert ist;
- Kryptowährungen und Token;
- digitaler „goldener Rubel“.
Indien hat sich zuletzt zum Abnehmer Nummer eins von russischem Öl entwickelt. Es gibt in Indien zudem Filialen der russischen Banken Sberbank und VTB, und auf zwischenstaatlicher Ebene wurde beschlossen, die Möglichkeit einer Interaktion zwischen nationalen Zahlungssystemen zu untersuchen. Die Ausweitung der Zahlungen in Rupien wäre für beide Länder potenziell von Vorteil, da sie es ermöglichen wird, Einnahmen in Indien in seine Wirtschaft zu reinvestieren und durch die Tochtergesellschaften großer russischer Unternehmen und die Schaffung gemeinsamer lizenzierter Produktionsanlagen – in die russische Wirtschaft, argumentieren die Ökonomen.
Öl-Handel mit Indien: „Rupien-Falle“ für Russland
Allerdings hatten Russland und Indien Anfang Mai die Umstellung des bilateralen Handels auf Rupien vorerst eingestellt, wie Reuters berichtete. Es war offensichtlich die russische Seite, die Zahlungen in Yuan oder anderen Währungen erhalten wollte. Laut Marktteilnehmern sind russische Exporteure nicht daran interessiert, indische Rupien anzuhäufen – aufgrund der Besonderheiten der Währungsregulierung ist es fast unmöglich, eine Rupie umzutauschen, weil Indien auch nicht so viele Waren nach Russland importiert. Außenminister Sergej Lawrow räumte ein, dass russische Unternehmen bei indischen Banken „Milliarden Rupien“ angehäuft hätten, die abgewickelt werden müssten. Die US-Nachrichtenagentur Bloomberg bezeichnet diese Situation als „Rupien-Falle“ für Russland.
An einem multilateralen Clearing-System wird in Moskau dagegen bereits gearbeitet. Wie RBC schrieb, haben die russischen Behörden vor, Außenhandelsverträge mit „befreundeten“ Ländern vom US-Dollar zu entkoppeln und alternative Indikatoren zur Bestimmung der Wechselkurse nationaler Währungen zu verwenden. Die Ökonomen empfehlen daher, eine multilaterale Clearing-Stelle zwischen Russland und „befreundeten“ Staaten zu gründen, über die es möglich wäre, nationale Währungen im Rahmen von Handelsabwicklungen ohne Bezug zum US-Dollar umzurechnen.
Hätte der „goldene Rubel“ eine Chance?
Russisches Gold unterliegt zwar Sanktionen, jedoch sehen die Ökonomen eine Möglichkeit für den russischen Staat, nicht sanktioniertes Gold anzuhäufen und damit Waren für den Staatsbedarf zu bezahlen. Um ein solches System umzusetzen, wäre es notwendig, in den Partnerländern Abwicklungszentren (Tochtergesellschaften der Zentralbank) einzurichten und den Goldpreis in Landeswährungen festzulegen. Die eigentliche Bezahlung von Waren könnte dann durch Quittungen erfolgen, also ohne physische Bewegung von Gold. Fraglich ist nur, ob andere Länder sich darauf einlassen werden.

Deswegen halten die Ökonomen es für sinnvoll, einen digitalen goldenen Rubel in Form einer Stablecoin einzuführen, also eine Kryptowährung, die durch Gold aus den russischen nationalen Reserven gesichert wäre. Die Umsetzung des Tools erfordert jedoch die Entwicklung eines Regulierungsrahmens. „Ohne das aktive Handeln der russischen Zentralbank wird der ‚goldene Rubel‘ wahrscheinlich keine internationale Anerkennung erlangen können“, schreiben die Ökonomen. Dass Russland mit Gold gedeckte Stablecoins erzeugen könnte, hatte im Januar auch der Chef des Finanzmarktausschusses der Staatsduma, Anatolij Aksakow, bei einem Treffen mit einer Delegation aus dem Iran in den Raum gestellt. Andere von RBC zitierte russische Experten wie der Finanzexperte von der Plechanow-Wirtschaftsuniversität in Moskau, Denis Domaschenko, finden die Idee zwar „interessant“, aber bei bestehenden Beschränkungen für den Handel mit physischem Gold russischer Herkunft eher unerfüllbar.



