Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar sieht die Glaubwürdigkeit der internationalen, vom Westen dominierten Institutionen schwinden. Wegen der Covid-Pandemie und der geopolitischen Verwerfungen stehe „die Welt heute einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber“, sagte der Außenminister am Freitag bei dem Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) im südindischen Goa: „Diese Krisen haben ein Glaubwürdigkeits- und Vertrauensdefizit in die Fähigkeit globaler Institutionen aufgezeigt, Krisen schnell und effizient zu lösen.“ Er betonte aber auch, dass die Herausforderungen eine Chance für die SCO-Mitgliedstaaten seien, enger zusammenzuarbeiten.
Die SCO sieht sich als Gegengewicht zu den westlichen Institutionen. Ihr gehören neben China, Russland und Indien auch Pakistan, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan sowie Usbekistan an. Saudi-Arabien strebt nach einem Besuch von Chinas Staatspräsident Xi Jinping Beobachterstatus in der SCO an. Die Organisation wurde ursprünglich als Anti-Terror-Allianz gegründet und will ihr militärisches Profil behalten. Indiens Außenminister sagte, der Kampf gegen den Terror und seine Finanzierung bleibe eine vorrangige Aufgabe.
China und Russland wollen sich laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass gemeinsam „allen Erscheinungsformen der Hegemonie widersetzen, gemeinsame Interessen von Ländern mit Schwellen- und Entwicklungsländern verteidigen, Gleichheit und Gerechtigkeit in der Welt verteidigen“, so der chinesische Außenminister Qin Gang. Die Koordination solle im Rahmen wichtiger internationaler Organisationen und Formate wie der SCO, der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), der Gruppe der Zwanzig (G20) und den Vereinten Nationen erfolgen. Die Reihenfolge der Nennung durch die Chinesen zeigt, dass die Gruppe eine Allianz von der Basis her sein soll. In vielen Ländern herrscht etwa Frustration über die Vereinten Nationen, weil sich auf der Ebene des Sicherheitsrats die Großmächte jeweils per Veto blockieren können und somit als Konfliktlöser ausscheiden, sobald die Interessen einer der Großmächte berührt sind.
Nach der Invasion Russlands in der Ukraine hat sich China bisher nicht auf die Seite des Westens geschlagen. Auch Indien ist bei dem Krieg neutral, weil das Land sehr gute wirtschaftliche und militärische Beziehungen mit Russland unterhält. China hat offenbar nicht die Absicht, von Russland abzurücken. Chinas Außenminister Qin Gang sagte bei einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow laut dpa, dass die bilateralen Beziehungen der Länder „zunehmend aktiv“ seien. Auch die Handelsbeziehungen sollen laut Außenministerium in Peking gestärkt werden. Das Ministerium teilte mit: „Qin Gang erklärte, dass China auf das Fördern von Frieden und Verhandlungen bestehen werde und bereit sei, Kommunikation und Koordination mit der russischen Seite zu behalten, um greifbare Beiträge zur politischen Lösung der Krise zu liefern.“
Vor einigen Tagen hatte Chinas Präsident Xi erstmals seit dem Angriff Russlands mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Chinas ehrgeiziges Projekt der „Neuen Seidenstraße“ leidet empfindlich wegen des Krieges, wie sogar die staatliche chinesische Zeitung Global Times einräumt. So sei die Eurasische Landbrücke direkt betroffen. Die Hauptroute des China-Europe Railway Express nach Westen habe durch Russland, Weißrussland, Polen oder die Ostseeküste geführt. Der Weg durch die Ukraine sei durch den Krieg abgeschnitten. Auch über Litauen gehe nichts mehr. Außerdem würden Chinas Investitionen in der Ukraine durch den Krieg beeinträchtigt. Dazu gehörten laut Global Times im wesentlichen Windkraft- und Photovoltaikfelder.

