Seit letztem Jahr überredet er uns alle zum Energiesparen, jetzt will er, dass wir den Netzbetreibern höhere Profite finanzieren. Die Rede ist von Klaus Müller, heute Chef der Bundesnetzagentur, früher Chef der Verbraucherzentrale – und: ein Grüner. Damit die Strom- und Gasnetze schnell genug ausgebaut werden, will Müller den Netzbetreibern eine größere Karotte vorhalten.
Mit Investitionen ins Netz sollen die Firmen künftig mehr Geld verdienen dürfen, und die staatlich festgelegte Rendite aufs eingesetzte Kapital soll von 5,07 auf 7,09 Prozent angehoben werden. Auslöser dafür seien die höheren Zinsen. „Deswegen wollen wir neue Investitionen besser verzinsen und schaffen so spürbare Anreize für Investitionen bei den Netzbetreibern“, so Müller. Ab sofort soll die Rendite jedes Jahr neu festgelegt werden, früher waren es nur alle fünf Jahre. Immerhin: Für bereits gebaute Netze soll die höhere Rendite nicht gelten, nur für neue.
Rund eine halbe Milliarde soll der Vorschlag zusätzlich in die Firmenkassen spülen – voraussichtlich. Je mehr die Betreiber investieren, desto teurer wird es. Und natürlich landet das am Ende auf der Strom- und Gasrechnung der Kunden, denn die Betreiber finanzieren sich über die Netzentgelte, die übrigens schon heute etwa ein Viertel des Preises ausmachen.
Das haben die Zinserhöhungen mit dem Preisanstieg zu tun
Bei der Deutschen Bundesbank wird man sich ärgern. Eigentlich sollten die Zinserhöhungen ja die Inflation bekämpfen, nicht den Strompreis weiter erhöhen. Was wohl nicht bedacht wurde: Wenn Firmen berechnen, ob sich eine Investition lohnt, vergleichen sie die mögliche Rendite der Investition immer mit den Zinsen, die sie bekämen, legten sie das Geld einfach am Kapitalmarkt an. Platt gesagt: Wenn es für risikolose Staatsanleihen schon fast drei Prozent Rendite gibt, warum dann für fünf Prozent den ganzen Stress mit dem Netzausbau?
Die Zinserhöhungen machen den Strom für Haushalte teurer, nicht günstiger.
— Maurice Höfgen (@MauriceHoefgen) June 8, 2023
Damit sich investieren mehr lohnt als anlegen, sollen Netzbetreiber von der Netzagentur eine höhere Rendite zugestanden bekommen, sprich: die Netzentgelte erhöhen dürfen - auf dem Nacken der Verbraucher!
Nicht überraschend ist also, dass die Betreiber eigentlich noch mehr Geld wollen. Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), nennt den Vorschlag „enttäuschend“. Liebing weiter: „Wir hatten mindestens einen vollständigen Ausgleich der vergangenen Zinsanstiege auf den Kapitalmärkten gefordert“. Damit meint er: Während die Zentralbank den Leitzins um 3,75 Prozent angezogen hat, steigt die Rendite der Betreiber nur um zwei Prozent.
Habecks Wärmewende: Netzbetreiber sind Monopolisten – mit viel Macht
Und überhaupt ist klar, dass private Firmen möglichst viel Gewinn machen wollen. Strom- und Gasnetze zu betreiben, ist allerdings kein Geschäftsmodell wie jedes andere. Die Netze sind nämlich regionale Monopole. Heißt: Es kann für ein Netz auch nur einen Betreiber geben und keine Konkurrenten.
Ohne staatliche Kontrolle könnten die Betreiber theoretisch nahezu jeden Preis durchsetzen und astronomische Gewinne machen. Damit das nicht passiert, legt der Staat die Erlösobergrenze für die Betreiber fest. Das sind in den Kommunen oft Stadtwerke oder Tochterfirmen der großen Energiekonzerne, oftmals von Deutschlands größtem Energiekonzern Eon. oder eben die großen privaten Betreiber der Ferngasleitungen und Übertragungsnetze, die „Stromautobahnen“.
Ohnehin ist der Einfluss des Staates riesig. Er diktiert nicht nur die Renditen, sondern gibt auch Ausbauziele vor und genehmigt jede einzelne Investition der Netzbetreiber. Ob die Ziele erfüllt werden, liegt aber in der Hand der Betreiber. Das gibt ihnen viel Macht, gerade weil der Staat auf einen schnellstmöglichen Ausbau angewiesen ist.
Mit mehr Wärmepumpen und E-Autos wird sich der Stromverbrauch in Deutschland bis 2045 schätzungsweise verdoppeln. Außerdem müssen die Netze deutlich leistungsfähiger werden, je mehr Strom aus Wind und Sonne produziert wird. Etwa weil tagsüber viel Solarstrom und nachts gar keiner produziert wird oder der Wind mal viel bläst und mal wenig.
Netzausbau gegen Überlastung: Warum macht es der Staat nicht gleich selbst?
Springt für die Betreiber nicht so viel Geld raus, wie sie wünschen, könnten sie bockig werden – und die Ziele torpedieren. So liest sich, was der schon erwähnte Ingbert Liebing vom VKU, zum neuen Vorschlag sagt: „Wir brauchen eine attraktive Verzinsung, um das notwendige Kapital für die gewaltigen Aufgaben des Netzausbaus einwerben zu können. Sonst bleiben zentrale Aufgaben der Energiewende auf der Strecke.“ Der letzte Satz ist ein Zucken mit den großen Armmuskeln, vielleicht sogar schon eine Drohung. Sollen die Verbraucher etwa noch mehr Netzentgelte zahlen?
Die Frage stellt sich: Wenn Netze öffentliche Infrastruktur sind und von überragender Wichtigkeit für die Wärme- und Verkehrswende, warum macht es der Staat nicht gleich selbst und kauft sich die Netze wieder zurück? Bei der Stromautobahn von Tennet, dem größten Übertragungsnetzbetreiber, ist Wirtschaftsminister Robert Habeck schon selbst auf die Idee gekommen. Warum die Ausbauziele von privater Profitgier gefährden und die Verbraucher mit hohen Netzentgelten schröpfen? Ohne Garantierendite für die Betreiber ließen sich die Netzentgelte senken und die Ausbauziele garantieren.



