Energie

Atomkraft-Wende: Belgien und Dänemark setzen Deutschland unter Druck

Belgien hält seine Kernkraftwerke doch am Netz. Dänemarks Parlament lässt einen Wiedereinstieg prüfen. Und für Deutschland ist es zu spät?

Das Atomkraftwerk Tihange. Seit dieser Woche steht fest: Es bleibt aktiv.
Das Atomkraftwerk Tihange. Seit dieser Woche steht fest: Es bleibt aktiv.Eric Lalmand/belga/dpa

Für Befürworter der Atomkraft war Donnerstag ein guter Tag. Das belgische Parlament stimmte für ein Gesetz der rechtsnationalistischen Regierung von Bart De Wever, mit dem die Laufzeiten der bestehenden Atomreaktoren verlängert werden sollen. Zusätzlich will die Regierung weitere Reaktoren in Auftrag geben. Energieminister Mathieu Bihet sprach von einer „moralischen Abrechnung“.

Am selben Tag schaffte es in Dänemark eine Abstimmung ins Parlament, die zumindest eine Annäherung an einen Wiedereinstieg in die umstrittene Energieerzeugung ermöglichte. 71:34 Abgeordnete stimmten dafür, eine Aufhebung des 40-jährigen Kernkraftverbots „weiter zu untersuchen“. Schwenken jetzt Deutschlands Nachbarländer alle um?

Belgien hält an Kernenergie fest – Minister: „Brauchen sie für Wärmepumpen“

In Belgien sind derzeit vier Reaktoren in Betrieb: zwei im Kraftwerk Doel an der niederländischen Grenze und zwei im AKW Tihange bei Lüttich, rund 50 Kilometer Luftlinie von der deutschen Grenze entfernt. Ursprünglich sollten die Reaktoren bereits in diesem Jahr abgeschaltet werden, alle vier sind bereits seit Jahrzehnten in Betrieb.

„Wir brauchen Strom, um fossile Brennstoffe schrittweise abzuschaffen“, sagte Bihet vor der Abstimmung im Parlament in einem Interview mit der Brüssel Times. „Wir brauchen ihn für Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge. Und wir haben nicht genug davon.“ Deshalb sei die Idee, sich von der einzigen kohlenstoffarmen Energiequelle abzuwenden, einfach nicht haltbar.

Der Rückbau des EnBW-Kraftwerks in Neckarwestheim ist in vollem Gange.
Der Rückbau des EnBW-Kraftwerks in Neckarwestheim ist in vollem Gange.EnBW Copyright

Da werden Erinnerungen an die Diskussion im vergangenen Jahr rund um die Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke wach: Unter Merkel beschlossen und von Scholz und Habeck inmitten der Energiekrise und gestiegenen Stromkosten auf zumindest umstrittene Art und Weise umgesetzt. Die Merz-Regierung will laut Koalitionsvertrag an neuen Technologien der Kernkraft forschen und die Machbarkeit eines Wiedereinstiegs im Auge behalten.

Dänemarks Energieminister ist pro Atomkraft

Dänemark, ein Land, das ebenfalls als großer Gegner der Kernkraft galt und seit 40 Jahren aus der Erzeugung raus ist, nähert sich ebenfalls an – wenn auch etwas deutlicher, als Deutschland es tut. Die dänische Regierung werde die „potenziellen Vorteile“ neuer Kernenergietechnologien analysieren. Ein entsprechender Bericht werde voraussichtlich „im nächsten Jahr“ vorliegen, sagte der dänische Minister für Klima, Energie und Versorgung, Lars Aagaard, am Mittwoch in einer öffentlichen Anhörung im Parlament.

Einen Tag später, am Donnerstag, fand im dänischen Parlament eine Abstimmung statt, wie das Haus der Berliner Zeitung bestätigte. Dort stimmte die Mehrheit für einen Vorschlag, der eine Untersuchung ermöglichen soll. Ein erster Schritt in Richtung Wiedereinführung? „Wir alle wissen, dass wir natürlich kein Elektrizitätssystem haben können, das allein auf Solar- und Windenergie basiert. Es muss etwas anderes geben, das es unterstützt“, fügte Energieminister Aagaard hinzu.

Doch im Vorschlag, über den einvernehmlich abgestimmt wurde, steht eben auch: Grüner Strom aus Sonnen- und Windenergie müsse weiterhin der Eckpfeiler der dänischen Energieversorgung sein. Das dänische Parlament sei der Ansicht, dass „die konventionelle Kernenergie in Dänemark nicht von Bedeutung ist“. Die Entwicklung im nördlichen Nachbarland Deutschlands wird also weiter zu beobachten sein.

EnBW schließt Bau neuer Kernkraftwerke aus

Der Ausstieg aus der Kernenergie ist in Deutschland gesetzlich besiegelt, und aus dem deutschen Atomgesetz ergebe sich eine Pflicht zum unverzüglichen Rückbau der Kernkraftwerke, teilte ein Sprecher von Energie Baden-Württemberg (EnBW) der Berliner Zeitung mit. Der Versorger ist für den Rückbau von insgesamt fünf Atomblöcken zuständig: Obrigheim, Neckarwestheim Block I & II sowie Philippsburg Block I & II. Der Rückbau aller Werke ist bereits in vollem Gange und dauert teils bis zu 15 Jahre.

„Als EnBW haben wir bereits im Jahr 2011 einen Masterplan für den Rückbau aller fünf EnBW-Kernkraftwerke erarbeitet und im Jahr 2012 final beschlossen. Diesen Masterplan setzen wir seither konsequent um“, so der Sprecher. Alle fünf Kernkraftwerke haben gemeinsam, dass ihr Rückbau-Status „praktisch gesehen irreversibel“ sei. Dies gelte auch für Block II in Neckarwestheim, der als letzte Anlage – nämlich im Frühjahr 2023 – in den Rückbau ging.

„Die Frage nach einer Wiederinbetriebnahme unserer Kernkraftwerke stellt sich vor diesem faktischen Hintergrund für uns nicht.“ Also müssten neue Werke her. Planung und Bau einer neuen Anlage würden laut EnBW mindestens bei mehr als einem Jahrzehnt liegen.

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