Selten wurden Gasheizungen so genau unter die Lupe genommen, wie es derzeit im Rahmen des neuen Entwurfs des bestehenden Gebäudeenergiegesetztes der Fall ist. So scheiden sich die Geister: Umweltschützer plädieren für Wärmepumpen und skeptische Eigentümer beharren auf Öl- und Gasheizungen.
Aktuelle Vergleichsrechnungen zeigen, dass eine Wärmepumpe beim CO₂-Ausstoß um 45 Prozent besser abschneidet als eine Gasheizung. Da könnte man meinen: ein guter Grund, um den von Wirtschaftsminister Robert Habeck vorangetriebenen Heizungstausch zu begrüßen. Die Gasheizungen haben zudem noch ein Problem. Welches denn?
So wird die Klimabilanz der Gasheizungen noch schlechter
Die Antwort lautet: Flüssigerdgas, oder LNG (Liquid Natural Gas). Habeck will ab 2024 zwar neue Gasheizungen verbannen, unterstützt aber gleichzeitig mit dem LNG-Beschleunigungsgesetz den Bau mehrerer LNG-Terminals an der Ost- und Nordseeküste als Alternative zu ausgefallenen Pipeline-Gaslieferungen aus Russland. Über diese Importterminals könnten deutsche Gasimporteure künftig genauso viel Erdgas nach Deutschland importieren, wie Russland zuvor über Nord Stream geliefert hat.
Welches Ausmaß Flüssiggas für die Gasheizungen hat, kann mit einer einfachen Rechnung verdeutlicht werden.
Laut Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle liegt der CO₂-Ausstoß beim Erdgas bei 201 Gramm pro kWh. „Man muss davon ausgehen, dass dieser Wert auf der Situation vor dem Ukraine-Krieg basiert, also auf vergleichsweise klimafreundlichem Pipeline-Gas“, sagt Benjamin Sahan, Professor für Elektro- und Informationstechnik an der Hochschule Hannover, im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Die 201 Gramm seien damit „eher der Best Case“.
„Beziehen wir künftig wie bereits im letzten Jahr mehr LNG, sind wir nicht mehr bei 201 Gramm CO₂ pro kWh, sondern deutlich darüber“, warnt Sahan. Laut neueren Studien liegt LNG bei mindestens 300 Gramm CO₂ pro kWh. Die CO2-Bilanz einer Gasheizung würde sich im Vergleich zu einer Wärmepumpe also noch weiter verschlechtern.
Das ist nach Benjamin Sahans Auffassung durchaus nachvollziehbar, denn durch den Prozess der Verflüssigung entstehen zusätzliche Energieverluste. Immerhin kann Gas aus Katar und Amerika nicht wie russisches oder norwegisches Gas über Pipelines transportiert werden. „Bei der Gewinnung von LNG entweicht teilweise Methan in die Atmosphäre, was den CO₂-Faktor noch mal erhöht“, sagt er.
Geht man von 300 statt 201 Gramm CO2 je kWh aus, wären es nicht mehr 4232 Kilogramm CO₂, die eine Gasheizung im Einfamilienhaus jährlich ausstößt, sondern über 6315 Kilogramm – bei einer Nutzenergie von 20.000 Kilowattstunden und einem Jahresnutzungsgrad der Anlage von 95 Prozent.
LNG wegen Fracking und Transportwegen in der CO₂-Bilanz umstritten
55 Prozent: So hoch war der Anteil russischer Gaslieferungen nach Deutschland noch im Jahr 2021. Dieser Wert muss nun ersetzt werden und wird laut Sahan nicht vollständig von norwegischem Pipelinegas gedeckt. Es werde höchstwahrscheinlich auch weiter aus Katar und den USA in Form von Flüssiggas importiert werden, schätzt der promovierte Ingenieur. Und damit lande man eher beim „Worst Case“, wenn wir die Wärmeversorgung nicht zügig auf erneuerbare Energien umstellen würden. Hintergrund sei auch: die umstrittene Fracking-Methode, die in Amerika zur Gasgewinnung zum Teil angewandt wird.

Der Fracking-Prozess erzeugt nicht nur Unmengen an Abwasser, sondern emittiert auch Treibhausgase wie Methan und setzt giftige Luftschadstoffe frei. Das zeigt eigentlich eine gewisse Doppelmoral von Habeck, wenn er zwar 65 Prozent der deutschen Heizstruktur auf erneuerbare Energien umwälzen will, gleichzeitig aber die hoch umstrittene Fracking-Methode durch LNG-Importe aus den USA in Zukunft unterstützt. Aber auch unabhängig vom Fracking bleibt Flüssigerdgas allein durch die Transportwege in der CO₂-Bilanz umstritten.
Trotz höherer CO₂-Ausstöße: LNG eine richtige Alternative zum russischen Gas?
Durch den Prozess der Verflüssigung entstehen laut Benjamin Sahan zusätzlich große Energieverluste. Immerhin kann Gas aus Katar und Amerika nicht wie russisches oder norwegisches Gas über Pipelines transportiert werden.
Laut der Bundesnetzagentur hat Deutschland im Jahr 2022 im Gasverbrauch 17,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingespart. „Wir haben natürlich durch den milden Winter und viele Energiesparmaßnahmen das Glück, hohe Gaseinsparungen vorweisen zu können“, kommentiert unser Gesprächspartner. Dennoch sei Deutschland bei schlechteren Bedingungen auf ausländisches Gas angewiesen: Die 55 Prozent aus Russland könne man nicht ausschließlich durch norwegisches Gas ersetzen.
Das zeige umso mehr die Dringlichkeit, die Wärmeversorgung zügig auf einheimische, erneuerbare Energien, z.B. mit Hilfe einer Wärmepumpe, umzustellen, um so den importieren LNG-Anteil so gering wie möglich zu halten, beharrt unser Gesprächspartner.
Dass diese Umstellung alles andere als zügig verläuft, zeigt sich am Widerspruch zwischen dem LNG-Beschleunigungsgesetz und der Überbürokratisierung bei erneuerbaren Energien, wie eine Umweltschutzorganisation erklärt.


