Immobilienmarkt

Gefährliche Abwärtsspirale: Platzt die Immobilienblase oder ist das Panikmache?

Hohe Zinsen, teure Baustoffe, sinkende Hauspreise: Alle Zeichen stehen auf Krise. Und was erwartet die Mieter? Unser Kolumnist bietet Orientierungshilfe in der Nachrichtenflut.

Bauarbeiter steht in leerem Haus auf einer Baustelle.
Bauarbeiter steht in leerem Haus auf einer Baustelle.Westend61/imago

Zahlen lügen bekanntlich nicht. Und alle Zahlen für die Baubranche geben Anlass zur Sorge. Die Baubranche läuft gerade in eine ernsthafte Krise.

Das wird nicht nur für die utopischen Ziele der SPD-Bauministerin Klara Geywitz (400.000 neue Wohnungen frühestens 2024) zum Problem, sondern auch für Banken, Häuslebauer, Mieter – aber auch für die Beschäftigten am Bau. Worum geht’s?

Die Baubranche hat diesen Januar 21 Prozent weniger Aufträge bekommen als im Januar des Vorjahres. „Einen größeren Rückgang zum Jahresbeginn hatte es zuletzt im Januar 2009 gegeben (–21,8 Prozent gegenüber Januar 2008)“, meldet das Statistische Bundesamt. Januar 2009, manche werden sich erinnern, das war mitten in der Finanzkrise. Auch der Umsatz ist nun real um 9,5 Prozent zurückgegangen.

Aufträge und Umsätze am Bau brechen weg

Besonders betroffen ist der Wohnungsbau, den gerade Metropolen wie Berlin so dringend bräuchten: Hier sind Aufträge um ein Drittel eingebrochen. Passend dazu vermeldete das Ifo-Institut am 20. März: „Stornierungswelle im Wohnungsbau steigt an“. Fast jedes sechste Unternehmen meldete abgesagte Aufträge, üblich sind ein bis zwei Prozent der Unternehmen – ein massiver Einbruch.

Der Einbruch ist sogar noch stärker als vor der Finanzkrise vor 15 Jahren, die auch durch die geplatzte Immobilienblase ausgelöst worden war. Was ist anders? Erstens: Die Zentralbank reißt die Zinsen deutlich schneller nach oben als damals, als sie sich langsam und allmählich vortastete. Heute hantiert sie in der Zinspolitik mit dem Vorschlaghammer, weil die Inflationsrate höher ist. Zweitens: Zu den gestiegenen Zinsen kommen gestiegene Kosten für Baumaterialien. Zwei Beispiele: Stabstahl kostete letztes Jahr 40 Prozent mehr als 2021; Flachglas für Fenster, Glastüren und Wände verteuerte sich um fast 50 Prozent. Dazu kommen höhere Effizienz- und Umweltstandards, die zwar im Neubau beim Energiesparen helfen, aber die Baukosten erhöhen.

Häuserpreise erstmals seit 2010 gefallen

Außerdem sind die Häuserpreise nach letzten Angaben im vierten Quartal 2022 um satte fünf Prozent zum Vorquartal gefallen. Das erste Mal seit 2010! Die Preise für Bestandswohnungen sogar stärker als Neubauten. Jetzt könnte man sagen: Na endlich kommt Luft aus der Blase, ist doch schön für die, die bauen wollen. So einfach ist es leider nicht.

Denn fallende Preise sind ein verheerendes Signal für Investoren, weil die Angst vor Kursverlusten groß ist. Schließlich will niemand in ein fallendes Messer greifen. Es klingt paradox, aber: Steigende Häuserpreise locken Investitionen an, fallende Preise schrecken sie ab. Und nicht nur die Gelder der Investoren, sondern auch die Kredite der Banken, die das finanzieren sollen.

Düstere Zeiten für Mieterinnen und Mieter, Wohnraum wird noch knapper und noch teurer.
Düstere Zeiten für Mieterinnen und Mieter, Wohnraum wird noch knapper und noch teurer.

Wenn Banken fallende Preise erwarten, verlangen sie mehr Sicherheiten und Eigenkapital, machen Kredite also teurer und vergeben weniger davon. Fallende Hauspreise und wegbrechende Aufträge sind also eine teuflische Abwärtsspirale, beides verstärkt sich gegenseitig.

Kreditausfälle: Widerholt sich die Finanzkrise?

Auch in der Finanzkrise entfachten fallende Hauspreise und steigende Zinsen den Flächenbrand. Für Banken sind die nämlich ein doppeltes Problem. Die Hauskredite, die sie jahrelang zu Minizinsen von bis zu einem Prozent vergeben haben, haben drastisch an Wert verloren. Heute bekommen die Banken schließlich deutlich mehr Zinsen, wenn sie neue Staatsanleihen kaufen oder das Geld gleich auf ihrem Konto bei der Zentralbank parken – völlig ohne Risiko.

Gleichzeitig verlieren die Sicherheiten, die Häuslebauer für ihre Kredite hinterlegt haben, an Wert. Das macht die Kredite unsicherer und unorigineller für Banken. Unter Umständen werden sie von ihren Kreditnehmern fordern, Eigenkapital nachzuschießen. Das können sich viele nicht leisten, weil die Hausfinanzierung ohnehin auf Kante genäht war und das sonstige Leben durch die Inflation teurer geworden ist.

Zinspolitik der Zentralbank ist eine Kreditbombe im Finanzsektor

Kreditnehmer und Häuslebauer, die 2014 und 2015 für zehn Jahre zu Niedrigzinsen von ein bis zwei Prozent finanziert haben und bald eine Anschlussfinanzierung brauchen, werden überfordert sein, wenn der neue Kredit vier bis fünf Prozent kostet – in dem Bereich liegen die Hypothekenzinsen heute. Je nachdem, wie viel noch abbezahlt werden muss, können ein paar Prozentpunkte mehr Zinsen plötzlich Hunderte Euro reine Zinskosten ausmachen.

Beispiel: Bei 300.000 Euro Restkredit verursachen schon zwei Prozentpunkte höhere Zinsen im Jahr rund 6000 Euro mehr Zinskosten, also 500 Euro pro Monat; Bei drei Prozentpunkten wären das 9000 Euro im Jahr oder 750 Euro in Monat. Zusätzlich zu höheren Kosten für Strom, Gas und den Einkauf im Supermarkt. Die Zinspolitik der Zentralbank wird so zur Hiobsbotschaft für die Baubranche – und zu einer gefährlichen Kreditbombe im Finanzsektor.

Was die Krise für Mieter bedeutet

Weniger Bau heißt auch weniger Jobs – und weniger Wohnungen. Je knapper der Wohnraum, desto teurer werden die Mieten. Wer sich in Berlin um eine bezahlbare Wohnung bewirbt, ist einer von Hunderten in der Schlange. Gerade Sozialwohnungen fehlen. Von 2016 bis 2021 hat sich die Zahl der Sozialwohnungen in Berlin von 114.915 auf 96.215 verringert, obwohl der Bedarf gestiegen ist. Bundesweit nicht anders: In den 1990er-Jahren gab es in Deutschland rund drei Millionen Sozialwohnungen, heute sind es nur noch eine Million. Die Baukrise wird so zur Sozialkrise!

Die Lösung? Zum einen sollte die Zentralbank die Kollateralschäden ihrer Zinspolitik stärker beachten und die Zinserhöhungen stoppen; zum anderen war die Zeit für eine staatliche Investitionsoffensive in sozialen Wohnungsbau selten besser. Damit würde die Konjunktur der Baubranche gestützt, Jobs gerettet und Mietern mehr Wohnraum geschaffen. Win-win-win-Situation sozusagen.

Fazit: Ob diese Abwärtsspirale wirklich die Immobilienblase platzen lässt – und wenn ja, wann –, lässt sich nicht sicher sagen. Schwarzmalerei und Panik sind ohnehin keine guten Ratgeber. Auch sind wir noch ganz zu Beginn der Abwärtsspirale, mit einem Crash am nächsten Morgen ist wahrlich nicht zu rechnen. Aber die erwähnten Zahlen und Zusammenhänge sollten bei der Ampel und der Zentralbank auf die Agenda.

Haben Sie Feedback? Schreiben Sie uns! briefe@berliner-zeitung.de