Rund 30 Prozent aller Transaktionen haben die Deutschen im Jahr 2021 bargeldlos beglichen. Den ersten Platz unter den elektronischen Zahlungsmitteln belegte dabei laut einer Erhebung der Bundesbank eindeutig die EC-Karte, die seit 2007 offiziell Girocard heißt.
Gerade diese beliebte Zahlungsmethode steht jedoch vor dem Aus. Einige Banken in Deutschland, darunter Targobank, verschicken bereits ungefragt neue Debitkarten als Ersatzkarten an ihre Kunden, die keine Wahl haben. Was steckt dahinter?
Kreditkarte, Girocard und Debitkarte: Das ist der Unterschied
Im Grunde genommen zählen deutsche Girocards mit Maestro-Funktion schon zu den sogenannten Debitkarten. Die alternative Bezeichnung EC steht lediglich für „electronic cash“, weil bei einer Transaktion das Girokonto sofort mit dem Betrag belastet wird. Bei einer Kreditkarte erhält der Inhaber dagegen einen Kreditrahmen von der Bank. Die Summe aller Umsätze wird bei klassischen Kreditkarten in Raten abgebucht, dabei fallen Zinsen an. Bei Charge-Kreditkarten rechnet die Bank den ganzen Monatsumsatz stattdessen im Folgemonat ab, Teilzahlungen sind nicht möglich. Egal welche Variante, werden bei einer Kreditkarte immer Jahresgebühren fällig. Die Girocard bieten dagegen einige Banken kostenlos zum Girokonto dazu. Selbst wenn sie Geld kostet, liegen die monatlichen Preise meist unter denen einer Kreditkarte.
Ob es sich bei einer Karte um eine Debit- oder um eine Kreditkarte handelt, sieht man an der Bezeichnung „Debit“ oder „Credit“ auf der Rückseite. Die Produktnamen sind dagegen manchmal irreführend. So erhalten Kunden der Bank ING-DiBa eine guthabenbasierte Kreditkarte mit dem Visa-Logo, mit der sich auch beispielsweise Flüge und Hotels im Internet buchen lassen. Nach näherer Betrachtung verrät jedoch der Aufdruck „Debit“ auf der Rückseite, dass es sich um eine Debitkarte handelt.
Mastercard will offenbar mehr Marktmacht
Im Ausland funktioniert das deutsche Girocard-System jedoch nicht ohne Weiteres. Dass Inhaber einer deutschen Girocard trotzdem problemlos den Supermarkteinkauf in London zahlen oder in Barcelona Geld am Automaten abheben können, liegt an der Maestro-Funktion.
Hinter dem Symbol mit dem roten und dem blauen Kreis, die sich überlappen, verbirgt sich das internationale Debitkarten-System des Unternehmens Mastercard. Die Maestro-Funktion wurde 1991 eingeführt und ermöglichte sowohl weltweite bargeldlose Zahlungen als auch das Abheben von Bargeld im Ausland. Als Alternative kam 2006 das Debitkarten-System V Pay von Visa Europe dazu, das sich allerdings nur auf europäische Länder sowie auf die Türkei und Israel beschränkt.
Debit-Mastercard kommt ab Juli 2023
Nun stellt Mastercard das System Maestro ein. Bereits im Oktober 2021 hatte das US-amerikanische Unternehmen angekündigt, sich nach 30 Jahren von Maestro verabschieden zu wollen, unter anderem weil das System nicht mit den Standards des Online-Handels kompatibel sei. Die Verbraucherzentrale Bundesverband vermutet allerdings, dass es bei der Entscheidung auch um die Marktmacht geht. Zahlen künftig Menschen immer mit der unternehmenseigenen Debit-Mastercard statt mit der Girocard, verdient Mastercard mehr als mit Maestro.
Die Umstellung bedeutet jedoch nicht, dass die beliebte Girocard sofort verschwinden wird. Noch gültige Karten mit Maestro-Funktion bleiben zunächst einsatzfähig. Lediglich werden die Banken ab dem 1. Juli 2023 abgelaufene Karten nach und nach unter anderem mit anderen Produkten ersetzen müssen, beispielsweise mit einer Debit-Mastercard.
Letztere bietet den Vorteil, dass sie sich sowohl weltweit im stationären Handel auch online als Zahlungsmittel nutzen lässt. Auch können Inhaber ihre Debit-Mastercards bei digitalen Zahlungsmethoden wie Apple Pay oder Google Pay verwenden.
Das sind die Nachteile der neuen Karten
Auf der anderen Seite warnt der Handelsverband Deutschland, dass die neuen Debitkarten vor allem bei kleinen und mittleren Händlern bis zu viermal höhere Transaktionskosten verursachen. Betragen die Gebühren im Girocard-System maximal 0,2 Prozent des Umsatzes, sind es mit Debit-Mastercard bis zu 0,8 Prozent. Aus diesem Grund geht der Handelsverband davon aus, dass eine sechsstellige Zahl an Händlern die teureren Karten nicht akzeptieren wird.
In seiner Stellungnahme plädiert der Verband daher für eine sogenannte Co-Badge-Lösung, so wie es aktuell bei der Girocard und Maestro der Fall ist. Die Banken sollten demnach weiterhin Girocards anbieten, die sich gleichzeitig auch im internationalen Debit-Mastercard-System nutzen lassen. In Deutschland wären damit weiter günstige Girocard-Zahlungen möglich. Fraglich ist, ob der Vorschlag sich durchsetzt, da Mastercard ein Interesse hat, eigene Produkte zu verkaufen.
V Pay oder Debitkarte? Das sagen die Banken dazu
Wie es konkret ab Mitte 2023 aussieht, wissen viele Banken ohnehin noch nicht. Die Berliner Sparkasse wird beispielsweise erst mal weiter auf die Girocard V Pay setzen. Das Maestro-ähnliche System von Visa Europe soll zunächst weiter bestehen. Die Commerzbank und die Berliner Volksbank geben auf Nachfrage der Berliner Zeitung an, noch keine Entscheidung bezüglich eines möglichen Ersatzprodukts getroffen zu haben.
Dagegen möchte die Deutsche Bank nach eigenen Angaben die Deutsche Bank Card Plus verstärkt anbieten, die die Leistungen einer Girokarte mit denen einer weltweit gängigen Kreditkarte vereint. Die Karte ermöglicht sowohl Online-Einkäufe als auch das Bezahlen mit Apple Pay und Google Pay. Kostenlos ist sie nur im ersten Jahr, ab dem zweiten Jahr zahlen Kontoinhaber 1,50 Euro pro Monat. Kunden der Direktbank N26 erhalten bereits standardmäßig eine Debit-Mastercard, die Maestro-Debitkarte müssen sie dagegen schon jetzt auf Wunsch extra bestellen. Auch die ING-DiBa hat mit der Debitkarte von Visa, die sie jedem Girokontoinhaber kostenlos anbietet, bereits eine Alternative.
Naht das Ende der Girocard?
Bis jetzt hat keine Bank öffentlich erklärt, die Girocard komplett abschaffen zu wollen. Es ist jedoch denkbar, dass die meisten Kontoinhaber sich nach dem Ende von Maestro direkt für eine internationale Debitkarte entscheiden werden, um nicht zwei Karten mitführen zu müssen. Das muss nicht unbedingt von Nachteil sein. Vor allem die Integration mit App-Zahlungen dürfte digitalaffinen jungen Menschen zusagen. Auf der anderen Seite drohen möglicherweise sowohl Endkunden als auch Händlern höhere Kosten.
Es ist daher von Vorteil, Angebote stets zu vergleichen. Auch rät die Verbraucherzentrale dazu, nicht automatisch zuzustimmen, wenn die Bank eine neue Karte mit veränderten Bedingungen schickt. Ob sich eine ähnlich kostengünstige Alternative zur alten Maestro-Girocard durchsetzt oder ob am Ende Visa und Mastercard weitgehend den Markt beherrschen, werden die nächsten Jahre zeigen.




