Heizungen

Habecks Heiz-Gesetz nur für „Normalverbraucher“, und der Staat nimmt sich aus?

Die Bauingenieurin Lamia Messari-Becker wirft Habeck vor, für die Länder Ausnahmen vom Heizungstausch zu machen. Stimmt es? Wir haben nachgefragt.

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, nimmt an einer Pressekonferenz zum Photovoltaik-Gipfel im Bundeswirtschaftsministerium teil. 
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, nimmt an einer Pressekonferenz zum Photovoltaik-Gipfel im Bundeswirtschaftsministerium teil. Kay Nietfeld/dpa

„Ein Satz in Habecks Heizgesetz macht sogar eine Bau-Ingenieurin fassungslos“, schreibt neulich der Focus. Worum geht es?

Die bekannte Bauingenieurin und Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Universität Siegen, Prof. Lamia Messari-Becker, wirft im Focus-Interview dem Gesetzgeber vor, „die Normalverbraucher, Vermieter und Mieter sehr detailliert und eng geführt in die Pflicht zu nehmen, sich selbst aber vom geplanten Verbot für neue Öl- und Gasheizungen auszunehmen.“ Denn: Die Länder dürften selbst eigene Regelungen treffen und vom Gesetz abweichen. „Das geht nicht. Wo bleibt denn die Vorbildrolle der Länder? Klimaschutz ist doch eine gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe“, kritisiert Messari-Becker. 

Habecks Heizungswende: Dürfen die Länder vom Heizgesetz abweichen?

Was in mancher Wahrnehmung nach einem Skandal klingt, liest sich im Gesetzentwurf zum neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG) etwas verschwommener. Dort heißt es: „Die Länder können demnach für öffentliche Gebäude, mit Ausnahme der öffentlichen Gebäude des Bundes, eigene Regelungen zur Erfüllung der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand treffen und zu diesem Zweck von den Vorschriften dieses Gesetzes abweichen.“

Von den Vorschriften des Gesetzes abweichen, aber zur Erfüllung der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand: Wie soll man das verstehen? Hat Messari-Becker recht? Die Berliner Zeitung hat beim Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (BMWK) nachgefragt, das den viel diskutierten Gesetzentwurf auch verfasst hat.

Wirtschaftsministerium dementiert: Ausnahme nur für ein Ministerium

Die Behörde dementiert die Schlussfolgerung, der Staat würde sich vom geplanten Gesetz ausnehmen. „Das trifft nicht zu. Die Gebäude (der Regierungen) werden wie alle Gebäude behandelt“, teilt die Ministeriumssprecherin Susanne Ungrad mit. Die Liegenschaften des Wirtschaftsministeriums und anderer Ministerien in Berlin werden bereits mit der Fernwärme versorgt, betont die Sprecherin, und man wolle künftig, sobald es möglich sei, in einen Öko-Tarif wechseln.

Zur Erinnerung: Die Fernwärme, obwohl sie derzeit zum Großteil noch aus fossilen Energieträgern erzeugt wird, soll ab 2024 nach Habecks Plan als Alternative zu Öl-und Gasheizungen genutzt werden, weil sie in Zukunft grün sein wird. Die Eigentümerin der Gebäude der Bundesregierung in Berlin, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), hatte zuvor auf Anfrage der Berliner Zeitung die Fernwärme-Strategie bekräftigt. Auch das Bundeskanzleramt, das gerade noch mit Heizöl beheizt werde, müsse spätestens im nächsten Jahr auf Fernwärme umgestellt werden, hieß es.

Gebäudeenergiegesetz: „Kleine Ausnahme“ nur für militärische Gebäude?

Der gefühlt skandalöse Satz im Gesetzentwurf bezieht sich aber auf die Bundesländer, nicht den Bund. Was bedeutet das genau für deren Zuständigkeit? 

„Gemeint ist hier eine sehr enge Ausnahme, die sich allein auf Gebäude der Landes- oder Bündnisverteidigung bezieht“, lässt Ministeriumssprecherin Ungrad wissen. „Die gibt es in nahezu jedem Gesetz, wo diese militärischen Gebäude betroffen sind. Als Beispiel: ein militärisches Gebäude mit vielen Antennen zur Überwachung, die nicht verändert werden können, zum Beispiel gedämmt“. Also betreffe diese „kleine Ausnahme“ lediglich diese Gebäude, sagt die Sprecherin, und nicht die anderen Behörden.

Die Ingenieurin Messari-Becker findet die Beispiele des Wirtschaftsministeriums für Bundesbauten trotzdem irreführend. Sie habe sich im Focus-Interview nicht auf Bundesbauten, sondern auf öffentliche Gebäude der Länder wie Rathäuser und andere Verwaltungsgebäude bezogen, betont Messari-Becker in einer Stellungnahme, die der Berliner Zeitung vorliegt. „Grundsätzlich sollte das Gesetz für alle gelten“, besteht sie. Abweichungen im Sinne einer Übererfüllung der GEG-Vorgaben, also „noch bessere Energiestandards“ oder „höher Anteil erneuerbarer Energien als 65 Prozent“ bedürfen sowieso keiner weiteren Regelung. Die Ingenieurin findet es zudem inakzeptabel, dass das BMWK lediglich für sich selbst dementiere, auf die Frage zu den Bundesländern jedoch nicht eingehe. 

Die Bild-Zeitung hatte zuvor berichtet, dass Grünen-Landesumweltminister im Bundesrat den Gesetzentwurf noch weiter verschärfen möchten. Die Bundesländer sollen nach dem Grünen-Vorstoß nicht nur einfach Maßnahmen zum Zweck der Erfüllung des neuen Gesetzes ergreifen dürfen, sondern auch die Maßnahmen, die „über die Vorschriften dieses Gesetzes hinausgehen“. Zum Beispiel: die alten Öl- und Gasheizungen noch früher verbieten und nicht erst nach 30 Jahren Betriebszeit. Ob die Grünen-Landesumweltminister sich damit durchsetzen werden, ist allerdings fraglich, denn der Bundesrat kann zu dem Dokument lediglich Stellung nehmen, es aber nicht selbst ändern. 

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