Russland-Sanktionen

Gewinner der Sanktionen: Moskau will Ölexporte nach Indien um das 22-Fache erhöht haben

Das Ölembargo der EU hat Russland auf asiatische Märkte umorientiert. Moskau verkauft das als Erfolgsgeschichte, die echten Profiteure sitzen jedoch woanders.

Sergej Lawrow (Russland) und Subrahmanyam Jaishankar (Indien) am Rande des G20-Außenministertreffens am 2. März 2023.
Sergej Lawrow (Russland) und Subrahmanyam Jaishankar (Indien) am Rande des G20-Außenministertreffens am 2. März 2023.Russian Foreign Ministry Press S

Die positive Stimmung darf nicht kippen. Der öffentliche Auftrag der russischen Behörden ist es, der Bevölkerung zu vermitteln: Zwar hat der Westen Sanktionen gegen Russland verhängt, aber diese schaden Russland nicht. Ganz im Gegenteil: Russland hat sich angepasst, umorientiert, hat gewonnen. 

So teilte der russische Energieminister Alexander Nowak am Dienstag optimistisch mit, dass Russland die Öllieferungen nach Indien „um das 22-Fache“ erhöht habe. Auch die  Lieferungen nach China hätten zugenommen, so Nowak am Rande einer Sitzung im Energieministerium, und dies sei „ein Ergebnis der großartigen Arbeit“, die in der Branche geleistet worden sei. „Der größte Teil der Energielieferungen aus Russland im Jahr 2022 wurde auf die Märkte befreundeter Länder umgeleitet“, fügte der Minister hinzu. 

Russische Ölexporte nach Indien aktuell 16-mal so hoch wie vor dem Krieg

Konkrete Liefervolumen hat Nowak allerdings nicht bekannt gemacht. Nach aktuellen Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) haben russische Ölexporteure zuletzt im Januar 2023 im Durchschnitt 1,5 Millionen Barrel Rohöl und Ölprodukte am Tag nach Indien geliefert: Das ist 16-mal so viel wie vor dem russischen Angriff auf die Ukraine vor einem Jahr. Bereits im März 2022 hatten vor allem private indische Raffinerien nach Informationen der Beratungsagentur Kpler viermal so viel Erdöl aus Russland importiert wie noch vor dem Krieg. 

Indien hat seit dem Angriff auf die Ukraine auch seine Importe von russischem Heizöl erhöht. Im Januar 2023 waren nach einer Einschätzung von Kpler rund 4,5 Millionen Barrel in Indien eingetroffen, nach einem Rekord von 4,88 Millionen Barrel im Oktober. Das ist dreimal so viel wie im Jahr 2021, als Russland noch rund 1,45 Millionen Barrel Heizöl pro Monat nach Indien exportierte. Vor dem Krieg hatte Indien vor allem Öl aus dem russisch-kasachischen Kaspischen Pipeline-Konsortium bezogen; jetzt kauft das Land hauptsächlich russisches Rohöl der Marke Urals sowie Rohbenzin (Naphtha).

Die Berliner Zeitung und andere Zeitungen hatten früher bereits darüber berichtet, dass Indien russisches Öl raffiniert – also als Ölprodukte wie Benzin, Diesel oder Heizöl –teurer nach Europa verkauft. Die EU-Kommission hält zwar am Ölembargo und an einem Preisdeckel für russisches Öl fest, doch es bestehen Ausnahmen für Produkte, die aus russischem Öl in Drittländern entstehen. Das russische Öl, das in Indien verarbeitet wurde, erhält eine neue Herkunft und kann fast uneingeschränkt nach Europa eingeführt werden. 

Mehr Profite für Putin trotz der Sanktionen? Das stimmt nicht

Das Embargo für russisches Rohöl auf dem Seeweg war am 5. Dezember 2022 in Kraft getreten; seit Anfang Februar betrifft das Verbot nun auch Ölprodukte aus Russland. Aktuell liefert Russland weiterhin Öl auf einem Niveau von über drei Millionen Barrel pro Tag ins Ausland, ohne die Exporte in der sechsten Woche in Folge reduziert zu haben. Die US-Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet unter Berufung auf Schiffsverfolgungsdaten, dass fast das gesamte russische Öl für Asien bestimmt sei, vor allem für Indien und China. Die russischen Ölexporte würden trotz der früheren Ankündigung Moskaus, die Ölproduktion um 500.000 Barrel pro Tag zu reduzieren, noch nicht sinken.

Von den mehr oder weniger stabilen Lieferungen profitieren jedoch nicht die Russen, sondern die Inder und die Chinesen. Denn der Preis für russisches Rohöl der Marke Urals bleibt konstant niedrig und lag mit durchschnittlich 59,89 US-Dollar im März knapp unter dem Preisdeckel der EU. Aus diesem Grund sind Russlands Einnahmen aus Öl- und Gasexporten nach einer Einschätzung der IEA im Januar 2023 im Vergleich zum Vorjahresmonat um fast 40 Prozent zurückgegangen und hätten sich auf „nur“ 18,5 Milliarden US-Dollar belaufen. Das hat auch Folgen für den russischen Staatshaushalt. Denn im Januar 2022 hatten russische Energieexporteure entsprechend noch rund 30 Milliarden US-Dollar verdient. 

Telegraph India schrieb, dass die indischen Behörden die Preisobergrenze unterstützen könnten, wenn der Ölpreis die Marke von 60 US-Dollar pro Barrel übersteige oder westliche Länder sekundäre Sanktionen verhängen. Doch so weit ist es noch nicht gekommen, weil Urals-Rohöl sich noch nicht dermaßen verteuert hat. 

Haben Sie Feedback? Schreiben Sie uns! briefe@berliner-zeitung.de