Interview

„Egal, was meine Wähler denken“: Linke gehen gegen Grüne auf die Straße

Linke Gruppen wollen am Montag in Berlin gegen die Politik der Grünen protestieren. Alexander King, medienpolitischer Sprecher der Linksfraktion in Berlin, erklärt warum.

Alexander King (Die Linke)
Alexander King (Die Linke)

Berliner Zeitung: Am Montag findet eine Demo in Berlin gegen die grüne Parteispitze statt – warum?

Alexander King: Die Grünen führen das Wirtschafts- und das Außenministerium und sind damit verantwortlich für zwei wesentliche Politikfelder, auf denen sich die drängenden Fragen von Energiesicherheit, Belastung der privaten Haushalte und Zukunft von vielen Arbeitsplätzen und Betrieben entscheiden. Insofern sind sie zentrale Adressaten für unsere Forderungen nach einem Preisdeckel für Gas und Strom, eine Übergewinnsteuer, die Rücknahme der Gasumlage. Selbstverständlich richten sich unsere Forderungen auch an die anderen Ampel-Koalitionäre. Auch sie werden von unserer Kritik nicht ausgenommen.

Welche Missstände prangern Sie besonders an?

Die privaten Haushalte werden durch die steigenden Strom- und Gaspreise mit mehreren Tausend Euro zusätzlich pro Jahr belastet. Das läuft auf eine Enteignung der Mittelschicht hinaus. Und wer bislang schon sehr wenig hatte, für den geht es jetzt ans Eingemachte. Auch Gewerbetreibende geraten enorm unter Druck. Doch wo die Einen höhere Preise bezahlen, gibt es auch die Anderen, die diese höheren Preise einstreichen. An die Gas-Profiteure kommen wir nicht ran, die sitzen im Ausland: Das sind vor allem Gazprom und die US-Fracking-Industrie. Aber auch in Deutschland werden in diesem Jahr gigantische Übergewinne auf dem Energiemarkt eingefahren. Wir reden hier also auch über eine Umverteilung von unten nach oben und die Bundesregierung lässt das zu.

Wer steckt hinter der Demo?

Die ursprüngliche Initiative ging von einigen Einzelpersonen aus, darunter Michael Prütz, der schon viele große soziale Bewegungen in Berlin angeschoben hat, Uwe Hiksch von den Naturfreunden, der Autor Marcus Staiger, Nastja Liedtke und Harri Grünberg vom Bundesvorstand der Sammlungsbewegung Aufstehen und ich. Wir haben zu einem breiten Austausch über Protestaktionen und den Aufbau eines Bündnisses eingeladen. Es kamen Akteure aus gewerkschaftlichen Zusammenhängen, von Aufstehen, aus einigen LINKE-Verbänden und anderen linken Organisationen und aus der Friedensbewegung.

Warum ausgerechnet gegen die Grünen – die FDP sitzt doch auch in der Bundesregierung?

Auch für Proteste gegen die FDP gibt es ausreichend Gründe, denn für zentrale Schieflagen in der Krisenbearbeitung ist der FDP-Finanzminister verantwortlich. Es gab auch schon eine kleinere Aktion vor der FDP-Zentrale. Aber auch die Grünen sind, siehe oben, für zentrale Entscheidungen (oder Unterlassungen) mitverantwortlich. Ich hatte den Ort nicht vorgeschlagen, finde ihn insofern aber passend. Es mag auch eine Rolle gespielt haben, dass gerade gutverdienende Politiker der Grünen sich in letzter Zeit mit fragwürdigen Spartipps an die Bevölkerung - Stichwort: Waschlappen, Katzenwäsche -  hervorgetan haben. Und die jüngsten Äußerungen von Baerbock - „egal, was meine Wähler denken“ -  kamen jetzt noch oben drauf.

Sie sind Mitglieder des Abgeordnetenhauses (MdA) der Linkspartei, die in Berlin mit den Grünen koaliert. Ist das ein Problem?

Wir sprechen auf der Kundgebung vor allem bundespolitische Fragen an: Wir fordern unter anderem einen Gas- und Strompreisdeckel, eine Extra-Gewinnsteuer, Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft, aber auch friedenspolitische Initiativen. Das einzige Thema, das landespolitisch ist, das wir ansprechen, ist die Forderung nach einer (Rück-)Übertragung der Energieversorung in öffentliche Hand. Insofern finde ich durchaus, dass ich als Mitglied und Abgeordneter der LINKEN Berlin an einer solchen Kundgebung teilnehmen und dazu aufrufen kann.

Die Innenministerin hat vor Monaten verkündet, dass, wer gegen die hohen Preise demonstriert, von Rechtsextremen gekapert werden könnte. Wie schützen Sie Ihre Demo?

Wir werden keine Fahnen, Anstecker, Flugblätter etc. von Nazis und grundsätzlich keine menschenverachtenden Äußerungen, etwa auf Plakaten, die unserem Anliegen zuwiderlaufen, auf unserer Kundgebung dulden und klar erkennbare Nazis oder AfD-Leute von der Veranstaltung ausschließen. Ansonsten gilt: Wer sich hinter unseren Forderungen versammeln kann, die klar linke Forderungen sind, ist willkommen.

Wenn jemand eine Fahne mit dem Logo Ihrer Partei bringt – darf er die zeigen?

Selbstverständlich sind Fahnen und Symbole linker Organisationen zulässig und willkommen. Ich würde mich freuen, wenn viele Mitglieder meines Landesverbands gut sichtbar an der Kundgebung teilnehmen würden.

Sie wollen an die große „linke“ Demo in Leipzig anschließen – wird der Protest zur Dauereinrichtung?

Ja, weitere Aktionen sind beabsichtigt, unter anderem eine Kundgebung am Tag der Einheit.

Für wie viele Personen wurde die Demo angemeldet?

300 Personen.

Wann und wo ist die Demo?

Es handelt sich um eine Kundgebung, keine Demonstration. Sie beginnt am 5.9. um 18 Uhr vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen, Platz vor dem Neuen Tor 1. Als Redner haben bislang zugesagt: Sevim Dagdelen (MdB DIE LINKE), Uwe Hiksch, Michael Prütz, Harri Grünberg, Ferat Kocak (MdA DIE LINKE), Angelika Teweleit (Bundessprecherin Vernetzung kämpferische Gewerkschaften), Marcus Staiger. Weitere Redner sind angefragt. Aber keine Angst: Die Reden werden alle sehr kurz sein (max. 4 Minuten).

Dr. Alexander King  ist Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses Fraktion Die Linke.