Alliterationen üben eine seltsame Macht auf uns Menschen aus. Auf Werbetexter und Journalisten. Auf Politiker und ihre Redenschreiber vor allem. Auf Menschen also, die für sich beanspruchen, komplexe Zusammenhänge auf eine möglichst simple Formel bringen zu können. Auf das sie sich verkauft, verbreitet, verfängt. Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, dass uns angeblich ein „heißer Herbst“ bevorsteht, auf den ein „Wut-Winter“ folgen soll. Klingt nach einer selbst erfüllenden Prophezeiung. Keine Panik? Die Panik ist da.
Am Montag soll der heiße Herbst also beginnen. Das will Sören Pellmann so, der Ostbeauftragte der Linke-Fraktion im Bundestag, der unter dem Demonstrationsmotto „Preise runter – Energie und Essen müssen bezahlbar sein!“ nach Leipzig bittet, auf den Augustusplatz, an einen Ort mit bekanntem Demonstrationshintergrund.
Die Gasumlage, findet nämlich die Linke, ist die unsozialste Maßnahme seit Einführung von Hartz IV. Und weil damals schon so viele Menschen auf die Straße gegangen sind, um ihren Unmut gegen die Sozialreformen zu äußern, werden sie es wieder tun. Diese will die Linke anführen. Dass die traditionell zerstrittene Partei endlich wieder aus der politischen Bedeutungslosigkeit heraustreten will, ist natürlich ein anderes Motiv.
Auch andere mögen’s heiß, allen voran die rechtsextremen „Freien Sachsen“, die ebenfalls einen neuen Mobilisierungsgrund suchen, seit Corona das womöglich kleinere Übel geworden ist und die Montagsdemonstrationen auf die Größe von Spaziergängen geschrumpft ist. Energieknappheit, Inflation, der Krieg in der Ukraine, soziale Abstiegsängste – damit kann man die Leute wieder auf die Straße locken, so das Kalkül, vor allem in Sachsen, wo es eine breite Meinungsvielfalt gibt rechts der Mitte. Wo Putin tendenziell weniger Schuld hat an allem als die Bundesregierung.
Beim Schmieden eines Hufeisens erwischt
Es gab wahrlich genug Stimmen, auch aus der eigenen Partei, die Pellmann davor warnten, ausgerechnet den Montag und ausgerechnet Leipzig für seinen Alleingang zu wählen. Groß war die Sorge vor einer Unterwanderung der Demonstration, Stichwort: Querfront. Doch Pellmann bestand darauf. Er wollte die Straße nicht den rechten und rechtsextreme Parteien und Gruppierungen überlassen. Das ehrt ihn. Und war gleichzeitig naiv.
Das stellte sich spätestens in dieser Woche heraus, als die „Freien Sachsen“ eine Montagsdemonstrationsankündigung ins Netz stellten, die suggeriert, dass rechte Szenegrößen wie Jürgen Elsässer, Martin Kohlmann und André Poggenburg mit Gregor Gysi und eben Pellmann in Leipzig auftreten werden. Motto: „Getrennt marschieren, gemeinsam schlagen!“ Es wird aber zwei Kundgebungen geben, die Linke hat sich den Platz vor der Oper gesichert, die „Freien Sachsen“ den vor dem Gewandhaus. Wer wie verhindern will, dass sich die einen als die anderen ausgeben, ist nicht klar. Es sind jedenfalls keine Kontrollen geplant.
Gegen die rechten Hufeisenschmiede hat Pellmann nun Anzeige erstattet und einen juristischen Sieg vor dem Landgericht Leipzig erzielt. Doch das wird den „Freien Sachsen“ sehr egal sein. Sie feiern ihren Coup und gönnen sich auch noch den Spaß, eine offenen Brief zu teilen, in dem die linke Sahra Wagenknecht eingeladen wird, bei den Rechten aufzutreten. Ihre eigene Partei wollte sie in Leipzig nicht auf der Bühne sehen.
Jetzt auch juristisch geklärt: Provokation und fakenews von Rechts gestoppt! #le0509 #heißerHerbst - kommt am Montag auf den Augustusplatz in Leipzig vor die Oper, u.a. mit @GregorGysi @Amira_M_Ali und @schirdewan @dieLinke @Linksfraktion pic.twitter.com/T0FXykcsW8
— MdB Sören Pellmann (@LINKEPELLI) September 2, 2022



