Dampfen und Vapen

Steuererhöhung auf E-Zigaretten: Wie der Staat Menschen zum Rauchen treibt

Seit dem 1. Juli werden E-Liquids stark besteuert. Bald könnten sie teurer als Zigaretten sein. Ex-Raucher dürften zu Kippen zurückkehren. War das das Ziel?

Wird Dampfen bald teurer als Rauchen sein?
Wird Dampfen bald teurer als Rauchen sein?imago/Panthermedia

An diesem Freitag geschah Flüssigkeiten für E-Zigaretten das, was allen Genussmitteln in Deutschland irgendwann widerfährt: Sie wurden besteuert. Selbstverständlich sind E-Liquids, Vape-Flüssigkeiten, Dampfer-Juice und wie die Nikotin-Geschmack-Mischungen auch genannt werden, bereits mit der Mehrwertsteuer belegt, doch am 1. Juli tritt eine zusätzliche Steuer in Kraft. Dann müssen Käufer der Flüssigkeiten für Verdampfer zusätzlich die Tabaksteuer entrichten.

Doch was auf den ersten Blick natürlich, sogar sinnvoll wirken mag, zeigt sich bei näherem Hinsehen als unausgegorene, womöglich sogar gesundheitsschädliche Gesetzesänderung. Es könnte wieder mehr Raucher geben, wenn die Preisunterschiede zwischen Dampfen und Rauchen sich verkehren.

Millionen Dampfer könnten wieder zu Rauchern werden

Zuerst zu den Zahlen. In Deutsch­land dampfen derzeit etwa 2,45 Millionen Menschen regel­mäßig. Das Tabaksteuermodernisierungsgesetz, kurz TabStMoG genannt, sieht für Liquids, die sie nutzen, nun eine Besteuerung nach Volumengehalt vor. In einem ersten Schritt werden dadurch ab Freitag E-Liquids mit 16 Cent pro Milliliter besteuert. Das klingt nicht unbedingt nach viel, führt aber bei handelsüblichen Produkten schnell zu einer Teuerung um fast 40 Prozent.

Beispiel: Ein gängiges Liquid-Fläschchen mit 10 Milliliter Inhalt kostet derzeit ungefähr fünf Euro inklusive Mehrwertsteuer. Jedes Fläschchen, das ab Freitag hergestellt wird, kostet dann nicht nur 1,60 Euro mehr, sondern circa 1,90 Euro mehr – denn die Mehrwertsteuer wird auf den Preis inklusive Tabaksteuer erhoben.

Hohe Steuern dürften zu größerem Liquid-Schwarzmarkt führen

Der Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE) warnte in diesem Zusammenhang vor Risiken geschmuggelter, unversteuerter E-Zigaretten-Liquids. „Die Liquidsteuer könnte im schlimmsten Fall zur Schaffung neuer Schwarzmärkte für die organisierte Kriminalität führen“, erklärte Jan Mücke, Hauptgeschäftsführer des BVTE.

Ungeprüfte Substanzen zu dampfen, ist außerdem gesundheitlich hochriskant. „Die vergleichsweise hohe Besteuerung von 16 Cent pro Milliliter verteuert diese risikoreduzierten Erzeugnisse erheblich und setzt damit einen Anreiz für Verbraucher, sich im Ausland oder aus illegalen, nicht der Lebensmittelüberwachung unterliegenden Quellen zu versorgen und damit der Steuer auszuweichen“, so Mücke weiter.

Steuer steigt in den nächsten Jahren immer weiter

Und das ist nicht die letzte Stufe der Steuer. Bis Januar 2026 soll ein Milliliter E-Zigarettenliquid nach drei weiteren Steuererhöhungsschritten schließlich mit 32 Cent belegt werden, also das Doppelte von dem, was ab Freitag erhoben wird. Dann wird der Steueranteil für 10 ml sogar 3,20 Euro betragen. Unabhängig vom Nikotingehalt würde eine solche Flasche über 8 Euro kosten. Dies bedeutet eine Verteuerung um mehr als 60 Prozent.

Die Besteuerung ist aber nicht nur enorm, sondern auch in anderer Hinsicht bemerkenswert. Das fängt schon mit der Bezeichnung an. Wieso wird ein Produkt mit einer Tabaksteuer belegt, das gar keinen Tabak enthält? Das Finanzministerium unter seine damaligen Minister Olaf Scholz begründete das Vorgehen mehr oder weniger nonchalant damit, dass die E-Liquids ja auch inhaliert werden und auch Nikotin enthalten – wobei auch Liquids ohne Nikotin besteuert werden.

Meist mit Geschmack, dafür ohne Teer: Dampfer
Meist mit Geschmack, dafür ohne Teer: Dampferimago/Panthermedia

Aber wieso werden überhaupt neue Steuern erhoben? Wollte die FDP innerhalb der Ampel-Koalition mit Finanzminister Christian Lindner nicht jede Art von Steuererhöhungen verhindern? Zwar gebietet es die staatspolitische Räson, dass auch Gesetze aus der vergangenen Legislaturperiode bei einem Regierungswechsel nicht jedes Mal abgeräumt werden. Doch zählen Gesetze, die sich bis in die übernächste Legislaturperiode auswirken, auch dazu?

Die letzte Stufe der Tabaksteuerhöhung soll erst Anfang 2026, aus Sicht der letzten schwarz-roten Bundesregierung also nach der übernächsten Bundestagswahl, abgeschlossen sein. Es geht auch nicht um Peanuts. Immerhin erhofft sich der Fiskus 14,5 Milliarden Euro von den Verteuerungen für die Bürger. Sowohl die Liberalen als auch Grüne waren 2021 als Oppositionsparteien gegen die Erhöhung.

Wissenschaftliche Studien eindeutig: Dampfen ist besser als Rauchen

Doch das gewichtigste Argument gegen die enorme Besteuerung von E-Liquids ist das gesundheitliche. Es ist mittlerweile in einer Reihe unabhängiger Studien festgestellt worden, dass der Konsum von E-Liquids im Vergleich zum Zigarettenrauchen sehr viel weniger schädlich ist. Das Bundesinstitut für Risikobewertung weist darauf hin, „dass der Konsum von konventionellen Zigaretten ein deutlich höheres Gesundheitsrisiko mit sich bringt als der Konsum von E-Zigaretten“.

Das Zigaretten schädlich, ja, wie es auf den Packungen selbst mittlerweile heißt, tödlich sein können, weiß seit jahrelangen Kampagnen heutzutage jedes Kind. Doch wie viel weniger schädlich E-Zigaretten sind, ist vielen Menschen völlig unklar. Es gehen Schauergeschichten über massenhaft zerfressene Lungen und zahllose erstickte Konsumenten um. Dabei beziehen sich derartige Mythen meist auf einzelne Ereignisse, bei denen Nutzer in den USA sich Flüssigkeiten selbst mischten oder mit Vapegeräten Marke Eigenbau experimentierten; Stichwort Popcornlunge. Einer Umfrage im Auftrag des Bundesinstituts aus dem Jahr 2020 zufolge wissen nur fünf (5!) Prozent der Raucher in Deutschland, dass Dampfen wesentlich weniger schädlich ist als Rauchen.

„Im Vergleich zu Tabakzigaretten sind E-Zigaretten sehr wahrscheinlich deutlich weniger gesundheitlich schädlich“, urteilt selbst das Deutsche Krebsforschungszentrum. Krankenkassen wie die Barmer teilen auf ihren Webseiten mit, dass „Studien ergaben, dass bei Dampfern Atemwegserkrankungen wie COPD, chronische Bronchitis, Emphysem und Asthma seltener auftreten als bei Rauchern“. Tatsache ist, dass sie besonders schädlichen Stoffe wie beispielsweise Teer in E-Liquids nicht vorkommen und bei der Verbrennung des Tabaks besonders krebserregend wirken können. Die hohen Temperaturen des Feuers sind dafür maßgeblich. Allerdings gibt es noch keine Langzeitstudien, um die gesundheitlichen Folgen des Inhalierens abschätzen zu können.

Die Barmer zitiert weiterhin eine Studie, die untersuchte, wie sich der Umstieg von Rauch auf Dampf hin zum völligen Verzicht auswirkt: „In einer veröffentlichten Studie aus England mit 886 Teilnehmern waren 18 Prozent jener Raucher, die auf E-Zigaretten umgestiegen waren, nach einem Jahr immer abstinent von der herkömmlichen Tabakzigarette. In der Vergleichsgruppe, die mit Nikotinpflastern ihrer Nikotinsucht beikommen wollten, lag die Abstinenz-Quote nur bei 10 Prozent.“ Wobei auch niemand unterschlagen sollte, dass gar nicht zu rauchen natürlich immer noch die gesündeste Variante ist.

Doch klar ist, die übergroße Mehrheit der Vaper sind ehemalige Zigarettenraucher. Laut einer Umfrage sind über 98 Prozent aller Nutzer von E-Zigaretten langjährige Raucher. Viele von ihnen haben mit dem Übergang zur E-Zigarette den Wechsel zu einer vergleichsweise geringeren Belastung geschafft. Und die Gesundheit der Bürger ist ja auch nicht nur ihre Sache. Je mehr Menschen unter den Folgen jahrelangen Rauchens leiden, desto umfassendere medizinische Behandlung benötigen sie.

An der Frage des gesundheitlichen Nutzens oder Schadens der neuen Besteuerung setzt aktuell eine Verfassungsbeschwerde an. Das Bündnis für tabakfreien Genuss (BfTG), „ein Zusammenschluss von kleinen und mittelständischen Unternehmen der E-Zigaretten-Branche“, wie es auf deren Webseite heißt, klagt gegen die Steuererhöhung.

Kernkritik der Beschwerde des Bündnisses ist die Ungleichbehandlung vom Tabak und E-Liquids angesichts ihrer unterschiedlichen Gesundheitsschädlichkeit. Im Beschwerdetext heißt es: „BfTG hat gutachterlich beurteilen lassen, welche Konsummengen von Rauchtabak und nikotinhaltigen Liquid vergleichbar sind. Das Ergebnis dieses Gutachtens ist, dass im Jahr 2026 bei vergleichbarem Konsum pro Tag für Rauchtabak Tabaksteuer in Höhe von 1,34 EUR und für Liquid Tabaksteuer in Höhe von 5,71 EUR entsteht. Da die Tabaksteuer auch eine gesundheitspolitische Lenkungswirkung haben soll, ist dies ein Verstoß gegen das Gleichheitsrecht…“

Außerdem sei der der Konsum von E-Zigaretten nach gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis „erheblich weniger riskant als der Konsum von Rauchtabak“. Die Interessenvertreter der Liquid-Industrie sehen darin einen Grundsatz der Steuergerechtigkeit verletzt: „Je schädlicher der Konsum, desto höher muss die Tabaksteuer sein. Da dies durch das TabStMoG ins Gegenteil verkehrt wird, ist das Gesetz auch deshalb verfassungswidrig.“ Ob oder wann das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde annimmt, ist unklar. Dustin Dahlmann, Vorsitzender des BfTG, rechnet mit einer Entscheidung in der ersten Hälfte 2023.

Gerade angesichts der großen Vorteile gegenüber klassischem Tabakkonsum erscheint es rätselhaft, wieso ein Produkt, das erwiesenermaßen weniger schädlich ist und sogar helfen kann, Menschen das Rauchen gänzlich abzugewöhnen, nun genauso besteuert werden soll wie die gefährlichere Konkurrenz.

Rauchen kostet den Staat mehr als er damit einnimmt

Denn es geht bei all den (Steuer-)Erwägungen natürlich auch um die Kosten, die Raucher für das Gesundheitssystem und dadurch für die Solidargemeinschaft infolge vermehrter Krankheiten und deren Behandlung verursachen. Nach Berechnungen der Deutschen Krebshilfe aus dem Jahre 2017 betragen die tabakbedingten Kosten „bundesweit jährlich knapp 80 Milliarden Euro – 25,4 Milliarden Euro entstehen dem Gesundheitssystem, 53,7 Milliarden Euro sind für Produktionsausfälle und Frühverrentungen zu veranschlagen“.

Wird die neue Steuer diesem Ziele dienlich sein und insgesamt zu weniger Rauchern und Dampfern führen? „Eine Lenkung findet durch die Steuer nicht statt. Feinschnitt-Tabak wird im Vergleich deutlich günstiger als E-Zigaretten-Liquid. Damit ist die deutlich weniger schädliche Alternative teurer als das erwiesen schädliche Rauchen“, sagt Dahlmann. Er befürchtet sogar, dass die Verteuerung Menschen in die illegale Eigenproduktion treiben könnte. „Auch Ausweichbewegungen auf den Schwarzmarkt können erwartet werden.“ Stichwort Popcornlunge.

Spiegel-Recherchen weisen auf SPD-Tabaklobby-Connection hin

Einen Grund scheint der „Spiegel“ vergangenen Sommer entdeckt zu haben. Laut Recherchen des Hamburger Magazins geht die Steuererhöhung maßgeblich auf die Bemühungen von Olaf Scholz‘ engem Vertrauten und ehemaligen Staatsekretär im Finanzministerium Rolf Bösinger zurück. Der traf sich immer wieder mit Vertretern der Zigarettenindustrie, was das Ministerium erst auf mehrmalige Nachfragen der Linken-Fraktion bestätigte. Heraus kam dabei jenes Tabaksteuermodernisierungsgesetz, von dem die Spiegel-Redakteure schreiben, es sei „fast so, als hätten die Zigarettenmanager selbst mitgetextet“.

Denn nun gebe es kleine Steuererhöhungen auf Tabak, die vorhersehbar über lange Zeiträume erhoben werden. Damit falle ein drastischer, überraschender Preisshock aus, der in anderen Ländern wie beispielsweise Großbritannien zu weniger Rauchern führte. Im Schatten dieser stufenweisen Steigerung können die Konzerne außerdem auch immer selbst einige Cent aufschlagen und ihre Marge erhöhen.

Bevorratungskäufe haben bereits begonnen

Und die Gesetzesänderung hat noch einen weiteren Vorteil für die Alt-Tabakkonzerne. Er tut ihnen sehr viel weniger weh als den Herstellern von E-Liquids und dürfte damit ihre Konkurrenz um Nikotin-Konsumenten schwächen. „Tabakrauchen wird in Zukunft günstiger sein, als E-Zigaretten zu dampfen. Das kann für viele kleine und mittelständische Unternehmen in der E-Zigarettenbranche das Aus bedeuten“, sagt Dahlmann.

Kurz vor dem 1. Juli sehen die E-Zigarettenverbände nun große Bevorratungskäufe. „Die Konsumenten legen sich große Vorräte zu, um die höheren Preise so lang wie möglich zu vermeiden“, sagt Dahlmann. Zwar dürfen auch nach dem 1. Juli noch Liquids zu den alten Preisen verkauft werden, wenn sie vorher produziert wurden, doch könnten die Vorratskäufe dazu führen, dass Bestände bald zur Neige gehen. Wer also gern vapet, sollte schnell zuschlagen.