Geopolitik

Der nächste Feind? EU will Verhältnis zu China neu definieren

Die EU bereitet eine neue China-Politik vor. Sie soll von Realismus getragen sein, nicht von Naivität. 

Hostessen bereiten in der Großen Halle des Volkes vor der Eröffnungszeremonie des 20. Kongresses der Kommunistischen Partei Chinas Getränke zu.
Hostessen bereiten in der Großen Halle des Volkes vor der Eröffnungszeremonie des 20. Kongresses der Kommunistischen Partei Chinas Getränke zu.AP/Mark Schiefelbein

Die EU bereitet sich auf eine neue China-Politik vor. Beim Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel ging es um eine Überprüfung der bisherigen EU-Position, sagten mehrere EU-Politiker laut der Financial Times (FT). Das Treffen findet gleichzeitig zum XX. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) statt, der noch bis zum Sonntag in Peking abgehalten wird.

Der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra sagte am Montag bei seiner Ankunft in Brüssel, es sei an der Zeit, das Verhältnis zu China mit Realismus zu gestalten und „die Naivität hinter sich zu lassen“. Ein möglicher Kurswechsel der EU scheint schon seit Längerem geplant zu sein. So berichtet die FT von einem EU-Positionspapier, in welchem China nicht mehr als Partner, sondern als Rivale gesehen wird. Zwar kann die FT keine namentlichen Quellen nennen. Doch die Aussagen der deutschen Geheimdienstchefs vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags am Montag schlagen in dieselbe Kerbe. Ein „zur Globalmacht aufsteigendes autokratisches China“ sei eine massive Bedrohung, sagte der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, laut dpa. Die Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Martina Rosenberg, sagte, neben russischen Ausspähaktivitäten befänden sich auch die nachrichtendienstlichen Aktivitäten Chinas gegen die Bundeswehr „seit Jahren auf hohem Niveau“. Der Chef des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, sagte: „Wenn ich mit ausländischen Partnern über China spreche, sagen sie immer: Russland ist der Sturm, China ist der Klimawandel. Also müssen wir uns in den kommenden Jahren auf diesen Klimawandel einstellen.“

Chinas Beteiligung an Infrastrukturen könnte als Druckmittel dienen

Die Diskussionen der EU in dieser Woche finden statt, nachdem die USA gewarnt hatten, dass China ihre „folgenreichste geopolitische Herausforderung“ sei. Washington hatte diese Einschätzung in einer neuen nationalen Sicherheitsstrategie formuliert. In dem kürzlich veröffentlichten Papier stellte die Regierung von US-Präsident Joe Biden fest, Peking habe „die Absicht und zunehmend die Fähigkeit, die internationale Ordnung umzugestalten“.

Deutschlands Geheimdienstchefs warnten am Montag vor allem davor, dass China Beteiligungen an kritischer Infrastruktur als Druckmittel nutzen könnte, um politische Ziele zu verfolgen. Die Warnung kommt zu einem Zeitpunkt, da in Berlin darüber diskutiert wird, ob die Bundesregierung den Einstieg der chinesischen Reederei Cosco bei einem Teil des Hamburger Frachthafens blockieren soll.

Das von den Grünen geführte deutsche Wirtschaftsministerium will gegen Coscos Angebot zum Kauf einer Beteiligung an einem der drei Terminals in Deutschlands wichtigstem Hafen sein Veto einlegen, während das von den Sozialdemokraten (SPD) geführte Kanzleramt laut Reuters den Einstieg der Chinesen befürwortet. Die Chefs der deutschen Auslands- und Inlandsgeheimdienste sagten am Montag, sie könnten Coscos Angebot nicht öffentlich bewerten, mahnten aber generell zur Vorsicht.

„Wir stehen der Beteiligung Chinas an kritischer Infrastruktur sehr, sehr kritisch gegenüber“, sagte der Chef des Auslandsgeheimdienstes (BND), Bruno Kahl. Er stellte fest, dass ein Hafen als kritische Infrastruktur gelten und dass also jede mögliche Investition sehr sorgfältig geprüft werden sollte. Deutschland sollte damit rechnen, dass China Technologie, einschließlich der 5G-Infrastruktur, oder Wirtschaftskraft nutzt, um seine eigenen Ideen umzusetzen. „Im Falle einer politischen Meinungsverschiedenheit zwischen China und Deutschland werden diese Instrumente zum Einsatz kommen“, sagte Kahl laut Reuters. Haldenwang sagte, Beteiligungen an kritischen Infrastrukturen könnten Sabotage und Beeinflussung der öffentlichen Meinung Tür und Tor öffnen.

Die deutsche Wirtschaft will dagegen an einer Zusammenarbeit mit China festhalten. „Auch wenn vieles in den Wirtschaftsbeziehungen schwierig ist, ergibt es aus Sicht der meisten Unternehmen jedoch keinen Sinn, diesen Markt aufzugeben“, sagte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, laut Reuters. Wichtig sei, „dass wir mit China auf klare Handels- und Investitionsregeln pochen, am besten über die Welthandelsorganisation WTO“. Allerdings haben die WTO und insbesondere die in ihrem Rahmen praktizierte Schiedsgerichtsbarkeit in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren. Die US-Regierung hat ihre Position insofern geändert, als sie statt der von Staaten unabhängigen Schiedsgerichte die Durchsetzung von US-Recht auch außerhalb ihres Territoriums durchsetzen will. Zentrales Instrument zu diesem Vorgehen sind Sanktionen gegen einzelne Staaten, die die US-Justiz wegen des Status des US-Dollars als Weltwährung auch weltweit durchsetzen kann.

Beim Parteitag der KPCh hatte Staatspräsident Xi Jinping in seiner Eröffnungsrede darauf verwiesen, dass China eine regelbasierte Wirtschaftsordnung wolle, in der es keinen gegenseitigen Druck und keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates geben solle. China hatte Deutschland vor dem Parteitag aufgefordert, die Wirtschaftsbeziehungen der Länder nicht zu politisieren oder sich „im Namen der nationalen Sicherheit“ auf Protektionismus einzulassen. Xi selbst ging auf das Verhältnis zur EU nicht ein.