Die Aufnahme von sechs neuen Staaten in das sogenannte Brics-Bündnis ist eine signifikante Veränderung der internationalen Ordnung. Zusätzlich zu den Gründungsmitgliedern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sollen dem Bündnis ab dem kommenden Jahr der Iran, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAR), Ägypten, Äthiopien und Argentinien angehören.
Der entsprechende Beschluss auf dem Gipfel in Südafrika ist vor allem ein Erfolg Chinas: Peking hat die Erweiterung betrieben, auch Indien, das diesen Schritt nicht wollte, beugte sich am Ende. Die Reaktionen auf die Entwicklung waren gegensätzlich. Im globalen Süden wurde der Gipfel gefeiert, vor allem China und Russland betonten, dass mit dem Bündnis die Dominanz der USA gebrochen werden soll. Im Westen dagegen wurde der Beschluss entweder heruntergespielt – wie vom amerikanischen Sicherheitsberater Jake Sullivan, der meinte, die Brics seien kein geopolitischer Rivale der Amerikaner, weil ihre Interessen zu unterschiedlich seien.
Eine weitere westliche Reaktion fand sich in einem Kommentar der norwegischen Zeitung Aftenposten, die schrieb, die Brics seien „zu einem globalen Club für autoritäre und reaktionäre Anführer geworden, mit China und Russland an der Spitze“. Die Bevölkerungen der Länder hätten Besseres verdient, so die Zeitung.
Noch ist es zu früh, um die Bedeutung einer bald elf Staaten umfassenden Gruppe ermessen zu können. Fest steht allerdings, dass unter Chinas Führung die bestehenden internationalen Organisationen herausgefordert werden. Das betrifft zuallererst die Vereinten Nationen (UN).
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte auf einer Pressekonferenz nach dem Gipfel, die Brics wollten eine Reform der UN, insbesondere des Sicherheitsrats. Er attackierte ausdrücklich Deutschland, dessen Ambitionen auf einen Sitz als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat Lawrow eine Absage erteilte. Es sei nicht gerecht, wenn reiche Länder wie Deutschland oder Japan einen ständigen Sitz erhielten, der globale Süden jedoch weiter außen vor bleiben müsse. Denn Deutschland sei wie Japan nichts als der verlängerte Arm der USA, während die Interessen des globalen Südens noch nicht angemessen vertreten seien. Auch die G7 nannte Lawrow und sagte, auch dort müssten alle nach der Pfeife Washingtons tanzen. Bei den neuen Brics herrsche dagegen das Einstimmigkeitsprinzip. Jedes Land könne sein Veto einlegen.
Hier besteht auch das größte Problem für die Brics-Gruppe: Sie läuft Gefahr, entweder handlungsunfähig oder hinter den Kulissen von den Großen dominiert zu werden. Es drängt sich der Vergleich mit der EU auf: Auch hier herrscht theoretisch Vielfalt. Und jedes Land hat die Möglichkeit, Entscheidungen mit einem Veto zu blockieren. Doch im Hintergrund wird die EU von Deutschland und Frankreich dominiert, inklusive eines nicht zu unterschätzenden transatlantischen Einflusses, der meist über Deutschland ausgeübt wird. Außerdem ist die EU ein nicht auf allen Ebenen demokratisierter Anlaufpunkt für internationale Konzerne, die wegen der Vielfalt etliche Möglichkeiten zur Einflussnahme haben.
China dürfte die Entwicklung genau beobachtet haben. Wenn die neuen Brics wie die EU funktionieren, dann könnte China politisch, wirtschaftlich und vor allem technologisch eine dominante Rolle übernehmen. Präsident Xi Jinping sagte ganz offen, dass es eine technologische Zusammenarbeit geben soll. Schon heute lässt sich China nicht mehr von den amerikanischen Sanktionen und Drohungen beeindrucken. Im Bereich der Technologie ist China bereits autark und baut überall in der Welt seine Systeme ein. Die Chinesen brauchen in diesem Bereich nichts mehr abzukupfern: Sie können für jede technologische Problemstellung eigene Lösungen entwickeln. Auch Indien hat mit seiner erfolgreichen Mondmission bewiesen, wozu das Land fähig ist. Überheblichkeit seitens des Westens ist unangebracht.
Besonders markant könnte auch die OPEC getroffen werden: Denn die neue Brics-Gruppe umfasst die wichtigsten Energieproduzenten der Welt. Auch hier ist die Handschrift Chinas zu erkennen. Erst vor wenigen Monaten hatte Peking die Erzfeinde Iran und Saudi-Arabien an einen Tisch gebracht. Nun bilden sie gemeinsam mit Russland und den VAR eine starke energiepolitische Achse.
Militärisch ist das Bündnis noch nicht aufgestellt. Doch die Aufnahme des Moskau eng verbundenen Ägypten zeigt, dass die Brics-Länder auch eine sicherheitspolitische Perspektive haben. Inwieweit diese Dimension ausgebaut und ob die Positionierung konfrontativ angelegt wird, wird nicht zuletzt von der Reaktion des Westens abhängen. Noch sind die Brics offen für einen Dialog auf Augenhöhe. Gerade Deutschland sollte bei aller Skepsis die Chancen sehen, die dieses Bündnis auch dem Westen eröffnet.
Nachdem klar wurde, dass die Brics-Länder künftig ein größeres Gewicht in der internationalen Politik haben werden, ruderte denn Bundesaußenministerin Annalena Baerbock auch hastig zurück - und spricht sich nun plötzlich für eine Zusammenarbeit auch mit den neuen Brics-Mitgliedern aus. Sie teile nicht, was in der deutschen Öffentlichkeit diskutiert werde, dass es ein Problem sei, wenn Brics-Staaten sich träfen, sagte Baerbock laut dpa am Donnerstag am Rande eines Gesprächs mit ihrem kirgisischen Amtskollegen Dscheenbek Kulubajew in Berlin.


