Klimawandel

Energiewende in Gefahr: Diese Fachkräfte werden in Berlin dringend gesucht

Der Fachkräftemangel gefährdet die Energiewende – auch in Berlin. Eine Forscherin fordert: Wir müssen jungen Menschen bei der Berufsorientierung mehr helfen.

Montage von Solarmodulen auf dem Dach einer Scheune
Montage von Solarmodulen auf dem Dach einer ScheuneImago/Jochen Tack

Der Ausbau der Solar- und Windenergie, Stichwort Energiewende, soll Deutschlands Energiesicherheit erhöhen und die Strompreise langfristig senken. Es ist in unser aller Interesse, und vor allem die jungen Menschen wie die Klimaaktivisten von „Fridays for Future“ und der „Letzten Generation“ kämpfen für den Klimaschutz.

Doch wer soll diese Energiewende vollziehen? Laut einer neuen Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) fehlen in Deutschland dafür aktuell rund 216.000 Fachkräfte. Mangel herrscht demnach vor allem bei Elektrikern, Klimatechnikern und Informatikern.

In der Hauptstadtregion ist es nicht anders. In Berlin liege der Anteil der offenen Stellen, die nicht mit passend qualifizierten Bewerbern besetzt werden können, in Solar- und Windenergieberufen bei 30 Prozent, erzählt Studienautorin Dr. Anika Jansen der Berliner Zeitung. In Brandenburg würden sogar rund 53 Prozent der für die Energiewende benötigten Fachkräfte fehlen – zusammen 10.687 Fachkräfte in den Berufen, die für den Ausbau der Solar- und Windenergie relevant sind.

Über 1000 Stellen sind aktuell allein für Informatiker ausgeschrieben, gefolgt von Bauelektrikern, Bauplanern und -überwachern sowie Spezialisten für die Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Anders als im deutschen Durchschnitt fehlen den beiden Bundesländern also vordergründig die hochqualifizierten IT-Leute und erst danach die spezialisierten Handwerker.

Einwanderung „ein wichtiger Pfeiler“, aber ...

Wegen der höheren Konzentrierung der Fachkräfte in Berlin fällt der generelle Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland zwar sehr gering aus (45,4 gegenüber 46,1 Prozent fehlender Fachleute). In Thüringen bleiben 55,6 Prozent der offenen Stellen unbesetzt. Die Berechnungen wurden auf Basis von Sonderauswertungen der Bundesagentur für Arbeit und der Stellenerhebung deren Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) für das Jahr 2022 gemacht.

„Diese qualifizierten Fachkräfte fehlen nicht nur der Solar- und Windenergie, sondern auch in allen anderen Berufen“, erklärt Anika Jansen. Um die Situation zu verbessern, müsse die Politik an vielen Rädchen drehen. In der Einwanderung sieht Jansen zwar „einen wichtigen Pfeiler“ für die Sicherung der Fachkräfte, weil die Bevölkerung hierzulande altert und weniger junge Menschen nachkommen. Aber die Einwanderung sei nicht die einzige Lösung. „Wir müssen auch in der Berufsorientierung noch früher aktiv werden“, empfiehlt die Wissenschaftlerin. „Wir müssen den Jugendlichen helfen, mehr Praktika zu machen und die verschiedenen Ausbildungsberufe früher kennenzulernen.“ Zudem sei der Frauenanteil in den Berufen, die man für die erneuerbare Energie benötige, sehr niedrig und liege im Bereich der Elektronik bei nur 1,5 Prozent.

Wären diese Berufe etwas für die jungen Klimaschützer?

Anika Jansen weiter dazu: „Wir können die Frauen nicht aus der Pflege und anderen Berufen abziehen, wo die Fachkräfteengpässe noch schlimmer sind, aber wir müssen die Frauen mehr für technische Berufe begeistern und ihr Interesse an der Technik fördern.“

Im Handwerk sind aus der Sicht der Forscherin nicht die niedrigeren Löhne schuld am Fachkräftemangel. „Teilweise verdienen die Fachleute mittlerweile im Handwerk ganz gut, und die Handwerksbetriebe können sich vor Aufträgen nicht retten“, argumentiert sie.

Es sei der soziale Status der Berufe. Das Handwerk hat bekanntlich ein Imageproblem. Viele junge Leute wollen da nicht hin, sie wollen sich die Hände nicht schmutzig machen. Das Image des Handwerks, auch bei Mädchen, sollte also verbessert werden, sagt Jansen. Wäre in Zeiten, wo sich so viele junge Menschen für den Klimaschutz begeistern, das nicht die beste Motivation für sie?

Das deutsche Handwerk versucht inzwischen mit einer neuen Kampagne, junge Menschen dort abzuholen. „Fürs Klima auf die Straße, aber nicht ins Handwerk?“, steht unter anderem auf den Plakaten. Viele fanden die zugespitzte Botschaft jedoch alles andere als ansprechend.