Hier spricht der Gärtner

Unser Autor sagt adieu – und wirft einen letzten Blick auf seine liebsten Gärten

Nach zwei Jahren ist dies die letzte Kolumne unseres Gartenstars Rainer Elstermann. Noch einmal schwelgt er in der Schönheit berühmter Anlagen und toller Beete.

Unser Kolumnist nimmt ein Bad im Meer aus Atlantischen Hasenglöckchen
Unser Kolumnist nimmt ein Bad im Meer aus Atlantischen HasenglöckchenNick Clark

Als ich vor rund zwei Jahren begann, diese Kolumne zu schreiben, gab es die Pandemie bereits. Nun ist wieder eine Welle im Abklingen, der kommende Sommer verspricht eine Art Normalität. Ich habe die vergangenen Wochen dafür genutzt, Freundinnen und Freunde sowie berühmte Gärten zu besuchen – ich hatte sie schon länger nicht mehr gesehen, als ich diese Kolumne schreibe.

Erst war ich im Rheinland, dann bin ich mit dem Auto durch den Tunnel nach England gefahren, auf dem Rückweg legte ich einen kurzen Stopp in Belgien und noch einen in Köln ein. Auf meiner Reise habe ich Gärten gesehen, die ich schon kannte – oder bei denen ich das Gefühl hatte, ich würde sie schon kennen. Den Garten des Museums Insel Hombroich zum Beispiel kannte ich nur von Fotos und aus Erzählungen. Eine wundervolle Auenlandschaft, die nun auch im direkten Angesicht einen starken Eindruck auf mich gemacht hat.

Überall im Museumsgarten wachsen Horste aus Kaukasus-Vergissmeinnicht (Brunnera macrophylla). Auch ich habe davon Pflanzen im Garten, aber offenbar viel zu wenige – denn nur in großen Horsten (die schnell erreicht sind, da Kaukasus-Vergissmeinnicht sehr durchsetzungsfähig sind) machen sie so richtig Eindruck. Im Museumsgarten blüht außerdem ein Carolina-Schneeglöckchenbaum (Halesia monticola), ein Strauch eigentlich, der mich verwundert fragen ließ, warum ich diese schöne Pflanze so lange übersehen hatte: Ich kann mir kaum einen eleganteren Strauch vorstellen, behangen mit traubenartigen weißen Glocken.

Alles so schön grün hier: Rauner Elstermann schwärmt für den Garten Sissinghurst.
Alles so schön grün hier: Rauner Elstermann schwärmt für den Garten Sissinghurst.Imago

Überall stehen im Museumsgarten auch blühende Exemplare des Goldregens (Laburnum) herum; und wie immer in großen Parks gefiel mir dieser ausgesprochen gut. Am eindrucksvollsten aber ist die Architektur des Museumsbaus. Es gibt kaum einen Ort, der eine so schöne Verbindung zwischen Baukunst und Natur herstellt. In England besuchte ich dann mit Freunden die Gärten Sissinghurst und Great Dixter. Von Margate an der englischen Ostküste aus, wo ich wohnte, ist es zu diesen legendären Gärten gar nicht weit.

„Bluebell“-Zeit, die Zeit der Atlantischen Hasenglöckchen

Auf dem Weg dahin fuhren wir mehrmals durch dichte Wälder. Es war ja gerade „Bluebell“-Zeit, die Zeit der Atlantischen Hasenglöckchen (Hyacinthoides non-scripta) also. Ich hatte vorab daran gedacht, meine Freunde nach einem Geheimtipp zu fragen, wo sich dieses Schauspiel besonders schön bestaunen lässt. Zum einen blühen die Bluebells ja nur kurz, außerdem stehen sie meist an schwer zugänglichen Stellen und sind gar nicht so leicht zu finden. Meine Gastgeber zusätzlich zum Besuch der beiden Gärten auch noch um eine Stippvisite im abgelegenen Waldstück zu bitten, als es rechts und links von der Straße blau zu schimmern begann, empfand ich dann aber doch als Zumutung.

Auch den Goldregen mag unser Kolumnist besonders.
Auch den Goldregen mag unser Kolumnist besonders.Imago

Bei der nächsten Möglichkeit (einer versteckten Hauseinfahrt) aber machte ich kurzentschlossen eine Vollbremsung, zu viert verließen wir den Wagen und bewegten uns in Richtung Blau. Und, was kann ich sagen: Nach ein paar Schritten waren wir mitten in einem geheimnisvollen Zauberwald voll von Millionen Blumen gelandet, blaue Blüten, soweit das Auge reicht. Ein für mich unvergessliches, weil unerwartetes Erlebnis, von dem ich schon jahrelang geträumt habe.

Die Stängelumfassende Gelbdolde als Sonnenflecken auf dem Waldboden

Dann, angekommen im Garten Sissinghurst, war ich sehr gespannt auf den neuangelegten Gartenteil Delos, der von dem bekannten Gartenarchitekten und Designer Dan Pearson im vergangenen Jahr geplant wurde. Vita Sackville-West und Harold Nicolson, die den Garten ursprünglich besessen hatten, versuchten schon vor rund 70 Jahren, einen griechischen Garten anzulegen – es war ihnen nie richtig gelungen. Jetzt aber war er endlich da, der griechisch inspirierte Garten, und tatsächlich fühlt man sich hier in eine mediterrane Steinlandschaft versetzt.

Im Juni erscheint Elstermanns Buch „Gardens of Now“ im Distanz Verlag.
Im Juni erscheint Elstermanns Buch „Gardens of Now“ im Distanz Verlag.Distanz

Am schönsten fand ich allerdings die Nuttery (ein langer und breiter Weg aus Haselnusssträuchern), die mit vielen Bodendeckern unterpflanzt war. Sie alle blühten gerade, bevor sich das Laubdach schließt und es zu dunkel darunter wird. Die Stängelumfassende Gelbdolde (Smyrnium perfoliatum) hatte sich dort in Massen ausgebreitet und brachte gelbe Sonnenflecken auf den dunklen Waldboden.

Die Mittelmeer-Wolfsmilch leuchtet gelb vor einem stahlblauen Himmel

Weiter ging es nach Great Dixter – und wie immer war das eine große Freude. Es gibt kaum einen künstlerischeren, freieren Garten (von der Wildheit der Bepflanzung bis zur Auswahl der unkonventionellen Farben), und man merkt ihm an, dass die Gärtnerinnen und Gärtner eine Mischung aus erfahrenen englischen Exzentrikern und jungen Menschen sind. Denn der Garten ist auch Ausbildungsort, in dem studiert und probiert wird; jedes Jahr kommen junge Studierende nach Great Dixter, um dort zu lernen.

Die besonderen Eiben-Formschnittgehölze in den Silhouetten von Vögeln neben dem drei Meter hohen Riesenfenchel (Ferula communis), wiederum daneben die Mittelmeer-Wolfsmilch (Euphorbia characias ssp. Wulfenii), die gelb vor einem stahlblauen Himmel blüht – das wird mir unvergessen bleiben. Ein Anblick, der sich wirklich nur in Great Dixter ergeben kann.

Mit meiner kleinen Reise geht auch meine Zeit als Verfasser dieser Kolumne zu Ende. Zusammen mit der Redaktion der Berliner Zeitung am Wochenende habe ich mich entschieden, sie nicht mehr fortzusetzen. Ich hatte schon im vergangenen Jahr darum gebeten, da mir die Arbeitslast in den letzten Monaten zu viel wurde. Es war mir eine Ehre und besonders eine große Freude, für Sie zu schreiben und meine Gedanken mit ihnen teilen zu dürfen. Viele Leserbriefe, über die ich mich immer gefreut habe, haben mich in dieser Zeit erreicht.

Im kommenden Monat aber erscheint mein erstes Buch „Gardens of Now“ im Distanz Verlag mit meinen Gartenprojekten und meinen Gedanken über die Natur. Ihnen und uns allen wünsche ich einen friedlichen Sommer – und viele glückliche Stunden im Garten.