Draußen, im beginnenden Berliner Sommer, sind Kleider und Shorts nötig, um der Wärme und dem daraus erfolgenden Schwitzen angemessen zu begegnen. Drinnen aber, in den Büros der Hauptstadt, feiert das Unterhemd ein stilvolles Comeback. Ursache sind die Klimaanlagen. Trotz Energiekrise laufen sie mit Volldampf.
Runtergekühlt auf 20 bis 22 Grad, stundenlang fast bewegungslos bei der Arbeit sitzend, da wird einem kühl. So legen die Bediensteten beim Betreten der Büroräume zusätzliche Kleiderschichten an. Was im Winter die Daunenwesten waren, sind jetzt die Unterhemden – allerdings nur bei den Damen.
Im Handtäschchen eingepackt ist ein Not-Unterhemd
Männer frieren ja nicht, sie sitzen entspannt im kurzärmeligen Hemd da, tragen Shorts. Oder sie geben es nicht zu. Weibliche Körper hingegen bibbern fix, zur Rettung lagert im Handtäschchen ein Not-Unterhemd. Mit dem kann sie kurz auf der Toilette verschwinden. Gewappnet kommt Frau wieder raus.
Galt das U-Hemd lange als unerotisch, ist es heute ein modischer Schmuck an sich. Die Kontext-Überschreitung begann 1999 mit Nicole Kidmann im Kinofilm „Eyes Wide Shut“. Da trägt sie ein blütenweißes schlichtes Spaghetti-Top, sonst nichts. Die fein gesponnene Baumwolle lässt viel erkennen, der Auftritt wirkt sexy, aber dennoch züchtig und sportlich. Nix da mit lasziv, was man in dem Zusammenhang eigentlich vermuten würde.
Wer jetzt darüber nachdenkt, wo das schmucke, saumlose, in einem Stück gewebte Hemd zu erwerben ist, dem verrate ich, dass es sich um den Hersteller Hanro aus Österreich handelt. 40 Euro und Sie sind dabei. Unkaputtbar, auch über Jahrzehnte, und nach vielen Wäschen stets die Form wahrend. Wer ganz dolle friert, wählt eine Merino-Seiden-Variante für 65 Euro.
Es geht aber auch noch teurer. Für über 600 Euro. Das italienische Modelabel Prada machte jetzt ein einfaches geripptes Unterhemd zum Star. Wahrscheinlich ist es das kleine schwarze „Prada“-Dreieck vorn vor der Brust, was so wertvoll ist. Keine Angst, gebrauchte Prada-Unterhemden (hoffentlich frisch gewaschen ...) offeriert das Internet schon um die 50 Euro.
Wer denkt, dass das Damen-Unterhemd als einziges von untendrunter die Modewelt draußen eroberte, der irrt. Schauen Sie mal in Ihren Kleiderschrank, wie viele T-Shirts liegen da? Auch das war ehedem eine Unterbekleidung. Ob farbig oder weiß, in Materialien von Baumwolle bis Seide – sie alle haben ein und denselben Ursprung.


