Der historische Moment begann unspektakulär. Mit einem leichten Klaps auf den Hintern schickte Hertha-Trainer Pal Dardai (47) am ersten Spieltag der Zweiten Bundesliga seinen erst 17-jährigen Sohn Bence auf den Rasen. 78 Minuten waren schon gespielt im Duell bei Fortuna Düsseldorf. Da Bences Brüder Marton (21) und Palko (24) bereits für das Berliner Team auf dem Platz standen, agierte das Trio zum ersten Mal komplett zusammen in einem Ligaspiel. Ein Novum in der Geschichte von Hertha BSC, aber auch des deutschen Profifußballs.
Schnell war vom „FC Dardai“ die Rede. Der anschließende Hype geriet groß. Aber es gab auch Kritik in den sozialen Netzwerken und in einigen Medien. Bewunderung stand Skepsis gegenüber. „Familien-Quartett – Chance und Risiko“ (Kicker), „Hertha als Familienbetrieb“ (FAZ) oder „Big Family Club“ (Schleswig-Holsteinische Zeitung) lauteten einige Schlagzeilen. Auf Twitter war vom möglichen „Bonus für Söhne“ zu lesen. Letzteres ist aber völliger Blödsinn!
Die äußerst seltene Konstellation rund um die Dardais hat sich abgezeichnet
Wer sich mit der Familiengeschichte der fußballverrückten Dardais aus Ungarn besser auskennt, weiß: Die äußerst seltene Situation um das hoch talentierte Brüder-Trio hat sich schon lange abgezeichnet und ist für die fünfköpfige Familie mehr Normalität als ein Wunder.
In dem Moment, als der junge Bence in Düsseldorf ins Spiel kam, musste ich an meinen ersten Besuch als Reporter bei den Dardais denken. Das ist viele Jahre her. Die junge Familie hatte ein Häuschen im beschaulichen Seeburg nahe Spandau bezogen. Im Garten tobten Palko und Marton und spielten auf zwei Mini-Tore. Pals Vater, der auch Pal hieß und 2017 mit 66 Jahren starb, war zu Gast. Ein sehr sympathischer Mann, einst beim ungarischen Erstligaklub MFC Pecs Rekordspieler mit mehr als 300 Einsätzen und Torschützenkönig dazu. Es gab ungarischen Rotwein und Gulasch. Palko und Marton aber jagten mit den Kindern aus dem Nachbarhaus dem Ball nach und verließen den Rasen als souveräne Sieger. Bei meinen späteren Besuchen bei den Dardais war dann Nachzügler Bence als Mitspieler im Garten des neuen Hauses in Westend eifrig am Ball.
Noch an einen anderen Moment erinnerte ich mich sofort nach Bences Profidebüt. Als Pal Dardai nach seinem letzten Einsatz als Profi für Hertha BSC im Mai 2011 gegen den FC Augsburg vor 77.116 Zuschauern im Olympiastadion auf die Ehrenrunde ging, trug er Bence auf seinen Schultern. Der war damals fünf Jahre alt. Den Tipp mit Bence gab ihm Herthas Manager Michael Preetz, damit Vater Pal sich am Sohn festhalten konnte und nicht weinen musste.
Jetzt, im Jahr 2023, musste sich Trainer Dardai sogar verteidigen, weil gemutmaßt wurde, drei Söhne im Team seien „heikel für das Binnenklima der Mannschaft“. Er könnte seine Söhne doch bevorzugen. Das Gegenteil ist der Fall. Der Trainer ist härter zu seinen Söhnen als zum Rest des Teams.
Auch Pal Dardais Vater spielte mit seinem Bruder zusammen
Der Umgang der Dardais untereinander resultiert aus ihrer Geschichte. Pal senior, einst eine Institution beim MFC Pecs, spielte ebenfalls mit seinem Bruder zusammen und trainierte später den jungen Pal. Und auch Pal junior („mein Vater war streng zu mir“) kickte einst mit seinem Bruder zusammen. So ist die aktuelle Situation normal im Hause Dardai. Seine Söhne, sagt Pal, haben auch die guten Gene von seiner Frau Monika. Die war einst Handball-Nationalspielerin in Ungarn. Viele Jahre fuhr sie die Söhne zu Auswärtsspielen quer durchs Land, war von früh bis spät für das Trio da.


