Weltmeisterschaft

Mutter an Bord: Fußballerin Melanie Leupolz nimmt ihren Sohn mit zur WM

Es soll eine Signalwirkung davon ausgehen, dass Melanie Leupolz mit Kinderwagen und Baby in den Flieger zur WM nach Australien gestiegen ist.

DFB-Fußballerin Melanie Leupolz nimmt ihren nicht mal ein Jahr alten Sohn zur Weltmeisterschaft nach Australien mit.
DFB-Fußballerin Melanie Leupolz nimmt ihren nicht mal ein Jahr alten Sohn zur Weltmeisterschaft nach Australien mit.Wunderl/imago

Melanie Leupolz gehörte zu den Überpünktlichen, die sich am Dienstagabend bei der Abreise der deutschen Fußballerinnen am Terminal 2 des Frankfurter Flughafens einfanden. Das Einchecken mit Kinderwagen erforderte halt ein bisschen mehr Vorlauf. Nebenbei umging die Mittelfeldspielerin vom FC Chelsea, dass Fotografen und Kameras ihren nicht mal einjährigen Sohn ablichteten, der sich als das mit Abstand jüngste Mitglied der 70-köpfigen Delegation zur Frauen-WM nach Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) begeben hat.

Es hat neun Endrunden gebraucht, bis erstmals eine deutsche Nationalspielerin mit ihrem Nachwuchs eine WM bestreitet. Und dann gleich eine so weite Reise mit Umstieg in Dubai und rund 20 Stunden Flugzeit. Erst am Donnerstagmorgen wird das Quartier im 4500-Einwohner-Örtchen Wyong fast 100 Kilometer nördlich von Sydney bezogen. Extra dabei ist eine Babysitterin, die offiziell vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) bezahlt wird. „Es ist wunderschön, dass ich beide Bereiche auch vereinen kann, dass ich mich nicht entscheiden muss: Kind oder Fußball“, betonte Leupolz erst beim Medientag. Das gute Bauchgefühl über solche Fortschritte war ihr anzumerken.

Bundestrainerin Voss-Tecklenburg setzt auf Nachahmereffekt

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hatte in den 90er-Jahren als Pionierin nach der Geburt ihrer Tochter Dina auf jedwede Unterstützung durch den DFB verzichten müssen. „Das ist ein Riesen-Mehrwert für uns Frauen. Ich weiß noch, wie es ist, Turniere zu spielen – und das Kind nicht dabei zu haben.“ Sie setzt auf einen Nachahmereffekt: „Ich hoffe, da kommen noch ein paar dazu.“ Dann habe man bald „ganz viele große und kleine Kinder“ beisammen, scherzte die 55-Jährige, die inzwischen schon Oma geworden ist.

Leupolz weiß um ihre Vorbildrolle: „Es muss Spielerinnen geben, die zeigen, dass es möglich ist. Dann können es sich andere vorstellen.“ Ihr Comeback nennt die 29-Jährige, die den Namen des Vaters strikt geheim hält, „ein cooles Signal“. Nationalspielerinnen wie Lira Alushi oder die inzwischen beim DFB als Vizepräsidentin und EM-Botschafterin tätige Celia Sasic haben 2015 ihre Karriere beendet, ehe sie Kinder bekamen. Es dauerte bis in den vergangenen Sommer, ehe Torhüterin Almuth Schult ein Zeichen setzte, die ihre Zwillinge mit zur EM nach England nahm – oft betreut von ihrer Schwester. Letztlich erwiesen sich Schults Sprösslinge als bereichernder Faktor im Westen von London. Daran erinnerte sich vor der Abreise auch die zu allerlei Späßen über die australische Tierwelt aufgelegte Kapitänin Alexandra Popp: „Das hat uns extrem gut getan. Tatsächlich glaube ich, das ist ein super Weg, den wir da einschlagen. Man sieht die Kids und fängt an zu grinsen und zu lächeln.“

Wenn die DFB-Frauen für die Gruppenspiele gegen Marokko in Melbourne (24. Juli), gegen Kolumbien in Sydney (30. Juli) und gegen Südkorea in Brisbane (3. August) jeweils für eine Nacht im Fifa-Hotel übernachten müssen, will Leupolz ihr Kind im Quartier lassen: „Ich versuche, die beiden Bereiche so gut wie möglich zu trennen.“ In erster Linie möchte die 78-fache Nationalspielerin aufgrund ihres sportlichen Werts wahrgenommen werden. Doch eine Führungsrolle wie vor der WM 2019 in Frankreich hat die Mittelfeldspielerin nicht mehr.

Vor vier Jahren spielte die bodenständige Allgäuerin sogar eine Hauptrolle in einem provokanten Werbespot, in dem Popp tatsächlich fragte: „„Weißt du eigentlich, wie ich heiße? Wir spielen für eine Nation, die unseren Namen nicht kennt.“ Damals waren rotzfreche Sprüche nötig („Wir brauchen keine Eier, wir haben Pferdeschwänze!“), um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei.

Islands Fußballerinnen waren mit fünf Müttern bei der EM

Leupolz hat ein bisschen das Pech, dass sie für diese WM in den am besten besetzten Mannschaftsteil drängt. Im Mittelfeld besitzen Lena Oberdorf, Lina Magull und Sara Däbritz (noch) einen EM-Bonus, als Nächste drängt Sydney Lohmann auf mehr Spielzeit. Die Europameisterin von 2013 und Olympiasiegerin von 2016 wäre Back-up auf der Sechser- oder Achterposition. „Ich fühle mich frisch und fit. Physisch habe ich keine Probleme.“ Intern schwärmen die Experten von ihren Fitness- und Ausdauerwerten. Leupolz nennt ihre Erfahrung als weiteren Vorzug.

Dass sie nach der Geburt im Oktober vergangenen Jahres nur drei Monate später in London wieder auf dem Platz stehen würde, hatte sie selbst nicht erwartet: „Ich dachte, der Körper macht ein bisschen mehr Probleme.“ Chelsea-Trainerin Emma Hayes ist sie überaus dankbar: „Sie ist selbst Mutter. Sie hat meinen Vertrag zu besseren Konditionen verlängert. Sie weiß, was wichtig ist und was man braucht, um Familie und Profifußball zu vereinen.“ Generell sei die (finanzielle) Absicherung durch die Vereine und Verbände bei dieser Thematik eine andere als früher. Was die Integration von Müttern angeht, gelten die USA oder die nordischen Länder als beispielhaft. Bei der vergangenen EM sorgte Island für Aufsehen, das mit fünf Mamas im Mutterland des Fußballs antrat.